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So sicher hat sich der Mann auf der Verkehrsinsel wohl nicht oft in seinem Leben gefühlt. Nur er mit seinem Plakat und gut 50 Polizisten tummelten sich vor dem Erbenheimer Lokal, in das die AfD ihre Anhänger zu einer Versammlung mit Frauke Petry eingeladen hatte. Mit dem Spruch: Nie wieder Petry heil! – Alle Menschen werden Brüder und einem dicken Herz, spielt er gleich doppelt auf den Grund seiner Anwesenheit an. Denn nicht nur die Veranstaltung ist ihm ein Dorn im Auge, sondern auch die Anzeigen gegen die Mitglieder des Mainzer Staatstheaters, die kürzlich ihrem Protest gegen die AfD mit der „Ode an die Freude“ lautstark Ausdruck verliehen hatten.
Langsam füllt sich die Straßenseite mit AfD Gegnern. Plakate werden entrollt und entlang der Fahrbahn postiert. Im Gegensatz zum aktuellen Plakat des ersten Demonstranten, wirft das eine oder andere Plakat jedoch Fragen auf. Viele der „modernen“ Demonstranten haben anscheinend nicht mehr die Zeit, sich individuell auf ihren Wiederstand vorzubereiten. Ein Ausschwitzplakat geht offensichtlich am Thema vorbei und auch das recycelte Plakat der Stadtjugend „Wir sind Obst“ führt zu mehr Fragen als Antworten. Mal sehen, ob die Aktivisten bei künftigen Demos Plakate zeigen, die ihre Botschaft deutlicher übermitteln.
Ein Fahrzeug der Linken parkt in der Seitenstraße, Fahnen werden entladen und eine Tonanlage angeschlossen. 70 Dezibel hat man den Demonstranten gestattet. Das reicht nicht, um die Versammlung in der Gaststätte gegenüber wirkungsvoll zu stören. Zwischen die vorwiegend jungen Demonstranten mischen sich auch älter Teilnehmer. Sie kommen unter anderem aus Frankfurt und Mainz und betonen, wie wichtig es ihnen ist, hier und heute Flagge gegen die AfD zu zeigen. Am Ende stehen mehr als 100 Demonstranten der verschiedensten Gruppierungen mit ihren Plakaten entlang der Straße und begleiten jeden AfD Anhänger, der den Versammlungsort betritt, mit lautem Buh-Rufen, Pfiffen und Sprechchören.
Neben den Besuchern der AfD Veranstaltung gehen auch viele „normale“ Passanten den Bürgersteig entlang und das erweist sich als ein Problem für die Gegendemonstranten, denn es gibt ihn nicht, den „typischen AfD Sympathisanten“. Im Gegenteil, eine bunte Mischung Menschen, begibt sich selbstbewusst und mit erhobenem Haupt, in den Versammlungsraum. Die Mehrheit ist männlich, viele sind deutlich über 60 Jahre, aber auch jüngere, Typ jung, dynamisch, erfolgreich eilen die Stufen des Lokals hinauf. Es fällt auf, dass Frauen fast ausschließlich in Begleitung eines Mannes kommen. So können die Demonstranten immer erst pfeifen und buhen, wenn sich die Leute eindeutig in Richtung Eingang der Gaststätte bewegen.
Die AfD Anhänger fotografieren und filmen die Demonstranten und diese wehren sich mit Sprechchören. Alles in allem ist die Stimmung trotzdem eher ruhig. Provokationsversuche von beiden Seiten werden von der Polizei sofort argumentativ unterbunden. Die Einsatzleitung zeigt sich zufrieden. Auf die Nachfrag,e ob Frau Petry wirklich erwartet wird, nickt der EInsatzleiter verhalten und weist daraufhin, dass, wenn sie normal die Straße entlanglaufen würde, es wahrscheinlich keiner der Demonstranten bemerken würde.
Um sich im Inneren der Gaststätte doch noch Gehör zu verschaffen, hat eine Demonstrantin eine spontane Idee. Sie beschriftet ein Plakat mit dem Spruch „Hupen gegen Nazis“ und hält es den vorbeikommenden Autofahrern entgegen. Viele folgen dem Aufruf und fahren mit anhaltender Hupe an der Gaststätte vorbei. Die Polizei sieht großzügig darüber hinweg und in den anliegenden Häusern scheint sowieso keiner zu Hause zu sein.
Die AfD reagierte im Vorfeld auf die angekündigte Demo mit einem offenen Brief an den ursprünglichen Initiator Lex Hoogstadt. Laut Aussage eines AfD Mitglieds, wurde nach der Rücknahme des Demoaufrufs durch Hoogstadt, auch der offene Brief wieder aus dem Netz genommen. Das Verhalten von Hoogstadt wirft Fragen auf, zumal er am Abend unter den Demonstranten war.
Eine Handvoll Demonstranten hielt trotz kalten 4 Grad bis nach 22:00 Uhr aus. Was drinnen passierte drang nicht nach Draußen – Zutritt hatten nur Personen, die auf der „Gästeliste“ standen.
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Fotos Petra Schumann