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Die Wählergruppe „Unabhängige Liste Wiesbaden“ (ULW) und die Partei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (ALFA) haben nur Stunden nach der Konstituierung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag überraschend eine gemeinsame Fraktion im Wiesbadener Rathaus gegründet.
Sachorientierte Kommunalpolitik für Wiesbaden ist wichtiger als Parteipolitik. Zu diesem Schluss kommen die beiden Stadtverordneten Thomas Preinl von „ALFA“ und Veit Wilhelmy von „Unabhängige Liste Wiesbaden“. Und vielleicht auch zu dem zweiten Schluss "Pecunia non olet" (Geld stinkt nicht), denn 7085 Euro, die den beiden als Fraktion nach der beschlossenen Änderung der Geschäftsordnung zustehen, machen das Leben im Rathaus durchaus angenehmer.
Die beiden Freigeister sind sich bewusst, dass sie politische Grenzen überschreiten. Veit Wilhelmy, ehemaliger linker SPD-Stadtverordneter und IG -BAU-Gewerkschaftssekretär und Thomas Preinl, ehemaliger CSU-Funktionär und Oxford-Absolvent in „International Management“ – nun in einer gemeinsamen Fraktion.
Die Initiative für die ungewöhnliche politische Verbindung ging von Wilhelmy aus. „Nach anfänglicher Skepsis war ich überrascht, daß ALFA nicht die Partei war, die ich im Wahlkampf wahrgenommen hatte.“ Preinl wiederum beschreibt seine Partei als liberal, wertkonservativ, aber auch sozial. „Es geht aber hier nicht um große Bundespolitik, sondern um sachorientierte, pragmatische Lösungen für die Wiesbadener Bürger.“
Wilhelmy und Preinl haben erst vor zwei Tagen ihre beiden Kommunalwahl-Programme übereinander gelegt und überraschend viele Schnittmengen gefunden.
Bei dem Thema „Öffentliche Finanzen“ fordern beide mehr Transparenz, die Offenlegung der ungekürzten Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen der kommunalen Gesellschaften und mehr Informationsrechte für die Bürger. Sie unterstützten die Forderung des Bundes der Steuerzahler, einen neuen Tatbestand der „Haushaltsuntreue“ einzuführen, welcher die Verschwendung von Steuergeldern unter Strafe stellt. Zudem fordern sie eine Sperrfrist für Stadtverordnete/ Magistratsmitglieder von mindestens einem Jahr nach Ende des Mandats, bevor sie in einer städtischen Beteiligungsgesellschaft Führungsaufgaben übernehmen
dürfen.
Mehr Bürgerbeteiligung in Wiesbaden ist ein zentrales Anliegen von Wilhelmy und Preinl. Regelmäßige Bürgerversammlungen müssen abgehalten werden. Bei wichtigen Projekten ist ein Bürgerentscheid nach vorhergehender, objektiver Information der Einwohnerschaft durchzuführen. Die erarbeiteten Leitlinien zur Bürgerbeteiligung sind spätestens in der nächsten Stadtverordnetenversammlung zu verabschieden.
Weitere inhaltliche Übereinstimmungen sind zum Beispiel die Verwendung des Altes Gerichts als Stadtmuseum und die Rücknahme der HSK-Privatisierung – und viele weitere Themen, die sie in den nächsten Monaten vorstellen wollen.
Die neue Fraktion „ALFA & ULW“ will mit Bürgerinitiativen kooperieren und deren Stimme im Rathaus werden. „Es geht hier auch um die Unabhängigkeit von großen Parteien und Koalitionsmehrheiten“, so Wilhelmy.
Raus aus den Hinterzimmern
Außerdem wollen sie ein Beispiel für parteiübergreifenden Dialog setzen. „Wir haben momentan ein offenes Parlament ohne feste Mehrheiten. Statt Hinterzimmer-Deals müssen nun wechselnde Mehrheiten durch Sachargumente gewonnen werden. Das kann eine große Chance für die Politik sein, verlorenes Vertrauen beim Bürger zurück zu gewinnen“, so Preinl.
Die neue Fraktion verlangt den Bürgern und Wählern einiges ab. Hätte der naive Betrachter Wilhelmy eher bei Linken&Piraten und Preinl AfD Nähe zugeordnet, schlagen die beiden jetzt allen ein Schnippchen und machen sich die Welt nach Pippi Langstrumpfart, wie sie ihnen gefällt. Die Aufregung wird sich legen und die Sacharbeit zeigen ob und was die beiden „Revoluzzer“ bewirken können.
Die Wiesbadener sind mittlerweile Kummer gewohnt. Die Wahl vom 6. März hat so oder so einen politischen Scherbenhaufen hinterlassen, der wenig bis gar keine Lust auf die Politiker dieser Stadt macht. Die tolle Möglichkeit, per Stimmverteilung beliebte Politiker nach vorne zu wählen, hat im Fall von Wolfgang Nickel nichts gebracht. Das anschließende Schmierentheater das Ansehen der CDU weiter beschädigt und damit es die Christdemokraten nicht alleine trifft haben Bürgerliste und Freie Wähler auch gleich ihren Auftritt geprobt.
Nur die AfD, um die sich vor der Wahl alles zu drehen schien, arbeitet still und leise vor sich hin. Stellt unspektakulär einen Stellvertreter für den Stadtverordnetenvorsitz und ist mit zwei ehrenamtlichen Beigeordneten in der Stadtverordnetenversammlung. Ganz ruhig, ganz still und ganz leise – so geht’s auch liebe etablierten Parteien. So kann man auch außerhalb des Rampenlichtes einfach arbeiten – aber das nur am Rande.
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