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Kein Geld für GEZ Gebühren, Netflix, Kino oder Theater? Dann machen Sie sich doch mal ein paar gemütliche Stunden bei der Sitzung des Revisionsausschusses im Wiesbadener Rathaus. Hier erlebt das Publikum alle Genres, die in Filmen und Serien geboten werden: Krimi, Komödie, Tragödie und viele ermüdende Momente, wie man sie aus experimentellen Filmprojekten kennt und manchmal noch kurze spannende Actionszenen.
Wenn es nach langen formalen Prozessen und Diskussionen endlich richtig zur Sache geht, werden die Zuhörer meist ausgeschlossen – aber bis dahin gibt es für den aufmerksamen Beobachter zahlreiche aufschlussreiche Sequenzen über den Aufklärungswillen der Wiesbadener Parteien.
Wenn von Wiesbadens Zuständen in Rathaus und Verwaltung die Rede ist, haben sich Medien und Kommentatoren auf sozialen Plattformen auf die verniedlichende Bezeichnung „Filzbaden“ geeinigt. Beschäftigt man sich näher mit diesem Thema, bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Im verwirrenden Netz von Vorteilsnahme und Bestechung kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Aufklärungslust der Parteien immer dann nachlässt, wenn die eigenen Belange anfangen.
Erkennbar daran, dass die Ausschussmitglieder in diesen Momenten die Ebene der sachlichen Fragen verlassen und in den persönlichen Angriff übergehen. Überhaupt offenbart sich in solchen Augenblicken die eigentliche Schwäche des Revisionsausschusses. Wie soll man als Vertreter einer Partei reagieren, wenn es gegen einen Parteifreund oder -genossen geht? Inwieweit dürfen die Vertreter ihrem Gewissen folgen oder sind sie an die Fraktion gebunden? Offensichtlich ist, dass es bei den Abstimmungen fast immer einheitliche Meinungen in den Fraktionen gibt – schwer vorstellbar, dass es sich dabei um zufällige Übereinstimmungen handelt.
Verwunderlich ist auch der Umgang mit dem Thema Öffentliche oder Nichtöffentliche Beratung. Bereits am Dienstag berichteten mehrere Medien ausführlich über den Inhalt des seit 4. Mai offiziell vorliegenden, vertraulichen Berichts der Revisionsabteilung zur Vergabe der RMCC-Catering-Konzession. Darauf diskutierten die Ausschussmitglieder in der Sitzung lang und breit darüber, ob, weil ja jetzt schon viel bekannt sei, man auch hier öffentlich darüber beraten könne.
Die Tatsache, dass ein vertrauliches Dokument, das als gedrucktes Exemplar an die Ausschussmitglieder und die Fraktionsgeschäftsführer im Rathaus verteilt wird, über zwei Print-Medien gezielt an die Öffentlichkeit kommen konnte, schienen alle als gottgegebene Tatsache zu empfinden. Im Gegenteil, die Zusammenfassung der Berichte wurden eifrig zitiert und bewertet. Sieht man ein solches Verhalten als Indikator für die Haltung der Fraktionen im Umgang mit vertraulichen Informationen, darf man gelinde gesagt erstaunt sein.
Außenstehenden drängt sich die Frage auf, wer diesen Medien die Unterlagen zugespielt hat, die die Diskussion um öffentliche Beratung – unabhängig der Rechtmäßigkeit – wie ein Farce erschienen ließ.
Viel Zeit nimmt bei jederSitzung auch die öffentliche Abgrenzung der eigenen Partei gegenüber den anderen Fraktionen ein. Besonders betroffen, der Revisionsausschussleiter Robert Lambrou von der AfD. Ihm gegenüber ist es fast allen Ausschussmitgliedern wichtiger zu betonen, was sie persönlich an der AfD stört, als sich inhaltlich mit den von AfD eingebrachten Anträgen auseinanderzusetzen. Dabei waren diese am Mittwoch aus Sicht der anwesenden Bürgerinnen und Bürger durchaus interessant.
Antrag 19-F-10-0005
Personalwirtschaftliche Maßnahmen von Oberbürgermeister Sven Gerich in Dezernat I und zugeordneten Ämtern
Antrag 19-F-10-0006
Nachfolge der Antikorruptionsbeauftragten und des Revisionsamtsleiters
Antrag 19-F-10-0007
Bearbeitung und Bewertung des Beleges zum Weihnachtsessen 2017
Antrag Antrag 19-F-10-0005 wurde durch Abstimmung mehrheitlich abgelehnt, die beiden anderen angenommen.
Öffentlich befragt wurden im Anschluss die ehemaligen TriWiCon Geschäftsführer Markus W. Ebel-Waldmann und Rainer Schäfer. Beide besitzen aus der Zeit des Vergabeprozesses für das RMCC, laut eigenen Aussagen, keine Aufzeichnungen mehr und berichteten – soweit es nicht das laufende Verfahren betraf – aus dem Gedächtnis. Bedauerlich fanden beide, dass ihnen der Revisionsbericht nicht zur Einsicht vorläge. Zumindest Ebel-Waldmann und Schäfer sind augenscheinlich schlechter vernetzt als so manche Tageszeitung.
Über die Auswahl von Ingo Wessel als Berater, der, laut einer Aussage von Stadtrat Detlev Bendel, auf eine Anfrage der GRÜNEN im Februar 2016, der Einzige war, der die entsprechenden fachlichen Voraussetzungen für die Beratung bei einem solchen Vergabeverfahren mitbrachte, äußerte Ebel-Waldmann sich wie folgt. Im Rahmen eines Meetings im Januar 2014 (das bedauerlicher Weise nicht protokolliert wurde) kam es zur Auftragsvergabe an Wessel. Aus den zunächst 16 Bewerbern wurden durch Wessel drei herausgefiltert und der Vertrag im zweiten Halbjahr 2015 an Kuffler vergeben. Die Nähe von Wessel zu Kuffler sah Bendel als unproblematisch, da Wessel in der Vergangenheit auch Geschäftsbeziehungen zu anderen Bewerbern hatte.
Rainer Schäfer bestätigte die gute Zusammenarbeit mit Wessel: “Er war ein toller Berater, ohne den wir nicht zu einer Entscheidung gekommen wären.“ Von einer Einflussnahme des Oberbürgermeisters hatten beide laut ihrer Aussage keine Kenntnis. Wohl hätte dieser sich bei Treffen über den Fortschritt der Verhandlungen mündlich informiert.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Zitat von Roland Kuffler, das am 27. Mai 2015 (dem Beginn des Vergabeprozesses) in der TZ München veröffentlicht wurde. Bei einem Besuch seines Freundes und Geschäftspartners Gerd Käfer kurz vor dessen Tod habe er bemerkt: „…Du. Gerd, in Wiesbaden und Frankfurt läuft alles…“
Nachdem der Prüfbericht des Revisionsamts jetzt vorliegt, wird der Ausschuss am 12. Juni abschließend zu diesem Thema tagen. Wie den Aussagen der Mitglieder zu entnehmen war, wird der Bericht dann der Staatsanwaltschaft übergeben.
Zum wiederholten Mal blieben nach dem öffentlichen Teil der Sitzung viele Fragen offen. Warum bleibt eine so wichtige Position wie die des Leiters des Revisionsamtes über Jahre und bis heute unbesetzt? Warum war für die Vergabe des RMCC Catering nicht die Rhein-Main-Hallen GmbH, sondern die TriWiCon zuständig? Hing dies etwa mit dem doppelten Stimmrecht von Henning Wossidlo zusammen, der nur in diesem Gremium überstimmen konnte? Wie können Personen, die für die Überwachung der Compliance zuständig sind, genehmigte Nebentätigkeiten haben, die ihnen Einblick in Personalangelegenheiten erlauben? Um nur einen Bruchteil zu nennen.
Wirkliches Interesse an vollständiger Aufklärung scheinen im Revisionsausschuss nur Linke & Piraten sowie die AfD zu haben. Der Ausschussvorsitzende Robert Lambrou zeigt sich nach wie vor entschlossen, Antworten auf offene Fragen zu finden und die Mauer des Schweigens und der Erinnerungslücken zu durchbrechen.
Bei der Sitzung am Mittwoch zeigten erstmals deutlich mehr Bürgerinnen und Bürger Interesse an den Recherchen rund um das Thema Korruption in der Landeshauptstadt und der Frage, wie sorgfältig die Politiker mit den ihnen anvertrauten Steuergeldern umgehen. Aber es könnten durchaus noch mehr sein. Wie wäre es, wenn beim nächsten Mal nur noch der Stadtverordnetensaal ausreichend Platz für die wissbegierigen Wiesbadener bieten würde?
Tragen Sie sich den Mittwoch, 12. Juni, doch einfach schon mal in Ihren Kalender ein! Und gönnen Sie sich ein paar aufregende Stunden mit den von Ihnen gewählten Vertretern!
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Folgende Personen waren zur Anhörung durch den Ausschussvorsitzenden Robert Lambrou geladen:
Symbolfoto