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Ist das Wiegenlied wirklich bloß eine romantisch-nostalgische Einschlafhilfe in gutbürgerlichen Kinderzimmern? Mitnichten, es ist viel mehr als das – und überaus vielseitig verwendbar. Das bringt Sabine Gramenz bei ihrem Konzert am Dienstag in der Reformatorenhalle der Ringkirche dem Publikum zu Gehör.
Hanns Eisler nutzte es in seinen „Wiegenliedern für Arbeitermütter“ zu klassenkämpferischen Lehrzwecken, in Schottland dagegen stimmte es - erstaunlich zeitgemäß - schon die Kleinsten auf eine kapitalistische Karriere ein „Stiehl dir Geld und stiehl dir Glück und ins Hochland komm zurück“, schließlich diente es im alten Russland als letzter Trost in der Nacht vor der Hinrichtung: „Schlaf, Armer, schlaf zum letzten Mal.“ Aber auch im Mustermutti-und-Mustervati-Haushalt ist das Wiegenlied nicht nur funktionelle Musik, an deren Ende ein Seufzer steht - stellvertretend der von Heinz Ehrhardt: „Gott sei Dank, jetzt pennt er endlich.“ Es wird dem ins Traumland zu transferierenden Erdenwurm nicht bloß eine heile Welt gesungen, sondern durchaus auch elterliche Sorgen vorgetragen, etwa im „Wiegenlied väterlicherseits“ von Erich Kästner die Problematik des Kuckuckskindes: „Man hält uns für Verwandte. Doch ob wir es auch wirklich sind? Ich weiß es nicht. Schlaf ein mein Kind.“
Aber keine Bange vor dem Nachtmahr: Es sind ja nicht nur schaurige, sondern auch schöne Wiegenlieder angekündigt. Klassische Größen wie Schumann, Brahms, Tschaikowsky, Britten oder Bartok fehlen also nicht. Lassen Sie sich einfach mitnehmen auf eine musikalische Reise durch verschiedene Zeiten, Länder und Genres. Eines ist jedenfalls sicher: Sie werden nicht einschlafen!
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Was: Wiegenlieder schön & schaurig mit Sabine Gramenz (Gesang & Singende Säge) & Andreas Karthäuser (Klavier & Moderation)
Wann: Sonntag, 24. Juni, Uhrzeit: 20:00 Uhr
Wo: Ringkirche Wiesbaden, Reformatorenhalle
Infos im Web
Der Eintritt ist frei – Spenden sind erbeten!
Foto: Plakat (bearbeitet)