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Mit einem lauten Knall ist am Samstag die Wiesbadener Salzbachtalbrücke "in die Luft geflogen". Mitte Juni war sie wegen Einsturzgefahr gesperrt worden – mit ihr die darunter verlaufenden Bahngleise und die Bundesstraße B263. Rund fünf Monate später hat Sprengmeister Eduard Reisch die beiden 310 Meter langen Brückenteile mit rund 205 Kilogramm Sprengstoff und 1.090 elektrischen Zündern in Schutt und Asche gelegt.
Nach dem langen Drama rund um das marode Bauwerk ging es am Samstag ganz schnell. Der Morgennebel verzog sich im Laufe des Vormittags, sodass die Südbrücke um 12:00 Uhr planmäßig und bei blauem Himmel gesprengt werden konnte. Nur zwei Sekunden später folgte die Nordbrücke.
Direkt nach der Detonation wurde geprüft, ob alle Zünder ausgelöst haben und alle erforderlichen Teile niedergegangen sind. „Nach der Kontrolle konnten wir feststellen, dass die Zünder detoniert sind und die Brücke das getan hat, was sie sollte: die Südbrücke vertikal zusammenstürzen und die Nordbrücke nach wenigen Sekunden seitlich herauskippen“, so Sprengmeister Reisch. Die Sprengung sei optimal gelaufen. „Nach dem bisherigen Kenntnisstand haben wir keinerlei Schäden zu vermelden. Ein voller Erfolg aller Projektbeteiligten.“
Vor der Sprengung waren umfangreiche Schutzvorkehrungen getroffen worden, um das unter der Brücke liegende Klärwerk, die Bundesstraße und die Bahngleise vor dem Aufprall der Brückentrümmer zu schützen. Über 150 jeweils 1,3 Tonnen schwere Sprengschutzmatten wurden als Abdeckung an allen steinflugbildenden Stellen angebracht. Auch mehrere Tausend Quadratmeter Sprengvlies und 50.000 Kubikmeter Sand und Erde kamen zum Einsatz.
Nach der Sprengung müssen nun 15.000 Tonnen Beton und Stahl zerkleinert und beseitigt werden. Noch am Samstagnachmittag gingen die Arbeiten weiter. Zehn 45-Tonnen-Kettenbagger, fünf 75-Tonnen-Kettenbagger sowie drei Radlader und drei Vorderkipper müssen sich durch die massiven Trümmer fressen.
„Die Brücke ist unten“, freute sich Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende. „Wir hoffen, dass jetzt alle weiteren Maßnahmen so schnell wie möglich vorankommen, damit wir in Wiesbaden Schritt für Schritt wieder zu mehr Normalität in unserem Verkehr kommen. Es ist ein verkehrstechnischer Albtraum, den wir bislang erlebt haben, und wir hoffen, dass das der erste Schritt ist, um aus diesem Albtraum raus zu kommen.“
Damit der Verkehr möglichst schnell wieder fließen kann, müssen Gleise und Bundesstraße nach der Beseitigung der Brückenüberreste wiederhergestellt werden. Parallel beginnen die Arbeiten für die neue Salzbachtalbrücke. Nach derzeitigem Planungsstand sollen die Bahngleise zum Hauptbahnhof und die Bundesstraße noch vor Weihnachten freigegeben werden. Die A66 bleibt gesperrt. Frühestens 2023 können wieder Autos über eine neuen südlichen Brückenteil rollen.
Ein weiteres Brücken-Drama wie das Wiesbadener soll es in Deutschland nicht geben. „Dieses Ereignis darf sich nicht wiederholen“, sagte Stephan Krenz, Geschäftsführer der Autobahn GmbH. Die Havarie der Salzbachtalbrücke zeige, dass Autobahnbrücken wesentlich für die Leistungsfähigkeit der Verkehrsnetze seien. „Deshalb werden wir Erhaltung, Sanierung und Erneuerung der Autobahnbrücken im gesamten Netz vorantreiben.“ Bei vielen Autobahnbrücken sei dringend Nachholbedarf geboten.
Die Wiesbadener Salzbachtalbrücke war eine von rund 28.000 Autobahnbrücken in Deutschland. Rund die Hälfte wurde zwischen 1960 und 1980 gebaut. Während der Verkehr stetig zunahm, habe man in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig in die Sanierung alter Brücken investiert, so Krenz. Die Folge sei ein erheblicher Sanierungsstau. „Es gibt einiges zu tun an Deutschlands Autobahnen“, verdeutlichte er. Mehrere Tausend Autobahnbrücken müssten in den kommenden zwanzig Jahren in Ordnung gebracht werden - etwa 400 pro Jahr.
Das Spektakel lockte am Samstag zahlreiche Schaulustige in die Nähe der Brücke, die versuchten, trotz weiträumiger Absperrung einen Blick auf die Sprengung zu erhaschen.
Auch auf den derzeit nichtbefahrenen Gleisen zum Wiesbadener Hauptbahnhof versammelten sich dutzende "Sprengtouristen". Die Versammlungen dort wurden von der Polizei aufgelöst.
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Fotos: Autobahn GmbH, Moritz Richter, Joshua Ziß, Daniel Becker