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Irgendwo im Wiesbadener Rathaus sitzt ein Maulwurf. Nicht zum ersten Mal kam es zur Weitergabe von Informationen an ein Wiesbadener Presseorgan, die von den zuständigen Stellen noch nicht zur Veröffentlichung freigegeben waren. Jüngst geschehen mit dem Gutachten über die „ökologischen Implikationen von thermischen Abfallbehandlungsanlagen“ auf Deutsch - Müllverbrennungsanlagen.
Das Umweltdezernat der Landeshauptstadt Wiesbaden hatte auf Beschluss des Magistrats das Gutachten in Auftrag gegeben. „Dieses Gutachten liegt seit einigen Tagen vor und wird nach der üblichen Rücksprache mit dem Gutachter baldmöglichst dem Magistrat vorgelegt. Die weitere Beratung in den Gremien, insbesondere im Umweltausschuss, ist für den nächsten Sitzungszug vorgesehen“, erklärt Umweltdezernent Andreas Kowol.
Für den Umweltdezernenten stellt das Gutachten eine gute Möglichkeit dar, die Diskussion über die Umweltgesichtspunkte der Abfallbehandlung und die geplante Müllverbrennungsanlage auf sachlicher Grundlage zu führen.
In einem Nebensatz ergänzt Kowol die Pressemeldung zur Veröffentlichung noch wie folgt: „Da das Gutachten offenkundig bereits einer Tageszeitung vorliegt und diese am Dienstag, 19. Juni, darüber berichtet hat, habe ich mich dazu entschieden, es bereits jetzt der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Wie fühlt sich ein Dezernent, der sich nicht auf die Loyalität seines Teams verlassen kann? Und wem nutzt die Vorabveröffentlichung dieses Dokuments? Was ist am Ergebnis dieses Gutachtens so spannend, dass man es (zumal ziemlich unspektakulär) vor der Weiterleitung an den Magistrat der Öffentlichkeit präsentierte? Hängt es mit der Vorgehensweise des Unternehmers Gurdulic zusammen, der schon lang vor einem möglichen Baubeschluss die Rodung eines Waldgrundstücks auf dem Gelände des Unternehmen Knettenbrech anordnete und damit Tatsachen geschaffen hat (WA berichtet, siehe auch verlinkten Artikel)? Fragt sich Kowol jetzt täglich, wo die undichte Stelle ist, wenn er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ begrüßt? Viele Fragen, deren Beantwortung nicht nur Kowol interessieren dürften.
Bezeichnender Weise bespielt diese Tageszeitung ihre Leser vordergründig gerne mit investigativen Themen, wie die mögliche Vorteilsnahme im Amt durch Wiesbadener Politiker oder aufgebauschte „Skandälchen“, wie dem der „grauenvollen“ Litfaßsäule vor dem RMCC. Laut Oberbürgermeister Sven Gerich saßen übrigens Mitarbeiter des Blatts vorab mit im Gestaltungsausschuss für den Platz zwischen Landesmuseum und RMCC. Seinerzeit legte keiner der Vertreter ein Veto ein. Der Druck, der Schnellste zu sein, wenn es um die Veröffentlichung von Nachrichten aus dem Rathaus geht, scheint so groß, dass sogar Zeitreisen möglich sind – anders lässt sich die Meldung über ein Abstimmungsergebnis in der Stadtverordnetenversammlung „vor“ der Abstimmung – wie in diesem Jahr dort veröffentlicht - nicht erklären.
In Zeiten der sowieso oft kritischen Haltung der Menschen gegenüber den Medien ein Auftreten, das nur schwer zu erklären ist. Unter dem Aspekt, dass die unabhängige Presse in Wiesbaden durch den Zusammenschluss aller Tagespresseorganen – mit Ausnahme von Wiesbadenaktuell.de – in zwei Medienkonzernen sowieso nur noch eingeschränkt besteht, eine bedenkliche Entwicklung. So stellt sich die Frage – wessen Hand wäscht da welche?
Übrigens, das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass eine Müllverbrennungsanlage auf dem geplanten Standort keine Nachteile für das neue Baugebiet „Ostfeld“ bringen wird. Eventuell könnten CO2 Emissionen vermieden werden, da der Müll nicht nach Frankfurt oder Mainz gebracht werden muss. Ob durch die Verbrennung gewonnene Fernwärme eingespeist werden kann ist nicht ganz klar. Ebenso unklar ist, was passiert, wenn, wie zu vermuten, die Abfallmengen in den kommenden Jahren zurück gehen. Das lässt Interpretationsspielraum, aber das ist nicht wirklich überraschend, oder? Sie wollen es ganz genau wissen? Dann können Sie das Gutachten hier herunterladen.
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Foto: Petra Schumann