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Wer Familie und Beruf unter einen Hut bringen muss, für den ist die Kinderbetreuung das A und O – und zwar nicht nur bis zur Einschulung. Um hier für mehr Transparenz zu sorgen, hat die IHK-Organisation im Frühjahr 2011 in ganz Deutschland Grundschulen zu ihren Angeboten der Nachmittagsbetreuung ihrer Schüler befragt. Knapp 5.000 Schulen in öffentlicher, privater oder kirchlicher Trägerschaft haben sich daran beteiligt.
Von den 71 Grundschulen im IHK-Bezirk Wiesbaden haben 43 geantwortet, was einer Quote von 61 Prozent entspricht. Bis auf eine Schule bieten alle eine Nachmittagsbetreuung an, davon 40 Prozent in Eigenregie und 60 Prozent in Kooperation mit einem oder mehreren lokalen Horten, Kitas oder anderen Trägern. Dieses zunächst erfreuliche Ergebnis (97 Prozent) liegt über dem Bundesdurchschnitt (87 Prozent). Im Schuljahr 2010/2011 nutzten 2.626 von insgesamt 8.353 Schülern das Angebot. Das entspricht einem Anteil von 31 Prozent. Mit anderen Worten: Jeder dritte Schüler nutzt eine Nachmittagsbetreuung in der Grundschule.
„Berufstätige Eltern tappen hier in eine Falle. Nach der Elternzeit sind sie in Teil- oder Vollzeit zurück in den Beruf gekehrt und haben bis zum sechsten Lebensjahr ihres Kindes eine Betreuung in der Kita vorgefunden – natürlich dank der richtigen familienpolitischen Initiativen der vergangenen Jahre. Doch jetzt sehen sie sich auf einmal mit Schulzeiten von 8;00 bis 12:00 Uhr konfrontiert und haben keinen blassen Schimmer, wie sie die übrige Zeit abdecken sollen, um ihrem Job nachzugehen”, sagt Joachim Nolde, Hauptgeschäftsführer der IHK Wiesbaden.
„Die Betreuung von Grundschulkindern muss mit dem momentan forcierten Ausbau der Betreuungsstruktur für die unter Dreijährigen Schritt halten. Sonst kommt es nur zu einer Verschiebung, nicht aber zu einer Lösung des Problems. Das Angebot der Nachmittagsbetreuung sollte möglichst transparent sein und die Nachfrage regelmäßig durch Elternumfragen erfasst werden.”
Ein anderes Problem zeigt sich bei den Betreuungszeiten: Bei 44 Prozent der Grundschulen können Kinder bis maximal 16:00 Uhr betreut werden, weitere 54 Prozent haben bis maximal 17:00 Uhr geöffnet. Nur eine Grundschule bietet eine Betreuung über 17 Uhr hinaus an. Für Eltern mit Vollzeitjob und für ihre Arbeitgeber bedeuten die eingeschränkten Öffnungszeiten eine große Herausforderung, zumal man in die Betreuungszeit auch die Anfahrt von und zur Arbeit einbeziehen muss. In manchen Branchen, wie zum Beispiel im Einzelhandel, sind Öffnungszeiten weit nach 18:00 Uhr die Regel, so dass hierfür die Betreuungszeiten völlig unzureichend sind. So verwundert es kaum, dass bei nahezu jeder zweiten Grundschule (46 Prozent) eine Nachfrage nach längeren Betreuungszeiten besteht. Ein Lichtblick ist immerhin, dass 56 Prozent der Schulen angeben, ihre Nachmittagsbetreuung in Form von mehr Plätzen oder einer Ausweitung der Zeiten ausbauen zu wollen.
Die Schulferien stellen viele Eltern und Unternehmen vor weitere große Schwierigkeiten. Die Kinderbetreuung während insgesamt rund 60 Tagen (12 Wochen) Schulferien ist kaum möglich für einen Arbeitnehmer mit durchschnittlich sechs Wochen Urlaub. Ferienprogramme für Kinder helfen den Eltern bei der Betreuung während der Ferienzeit – sowohl öffentlich organisierte als auch von privaten Trägern oder Unternehmen initiierte Projekte. Doch nur fünf Prozent decken die gesamte Ferienzeit ab, 79 Prozent haben immerhin zeitweise Betreuung im Angebot und 16 Prozent bieten keinerlei Ferienbetreuung. Dass es auch anders geht, zeigt erneut der Vergleich mit den ostdeutschen Bundesländern: Dort gibt es nach den Umfrageergebnissen bei 78 Prozent der Schulen während der gesamten Ferienzeit eine Betreuung. Aber auch die westdeutsche Großstadt Hamburg bietet bei 42 Prozent ihrer Grundschulen eine komplette Ferienbetreuung an. Dagegen ist Rheinland-Pfalz in dieser Hinsicht negativer Spitzenreiter, da dort bei 78 Prozent der Grundschulen keinerlei Ferienbetreuung angeboten wird. „Um die Beschäftigten und ihre Arbeitgeber wirksam zu unterstützen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, ist eine durchgehende Betreuung während der Schulferien notwendig. Hierfür sollten auch neue Kooperationen mit Unternehmen eingegangen werden, wie sie zum Teil bereits erfolgreich praktiziert werden“, fordert Nolde.
Neben der Flexibilität und Quantität des Angebots spielt auch die Qualität der Betreuung eine wichtige Rolle. Die mit dem Grundschulcheck erfassten Angaben der Schulen zeichnen hier bundesweit ein positives Bild. Der IHK-Bezirk Wiesbaden schneidet in vier Punkten zudem noch ein ganzes Stück besser ab. So bieten 98 Prozent (Bund: 75 Prozent) ein warmes Mittagessen und 93 Prozent (Bund: 79 Prozent) regelmäßige Hausaufgabenbetreuung, in 78 Prozent (Bund: 74 Prozent) der Fälle erfolgt die Nachmittagsbetreuung durch qualifizierte Kräfte. Zudem gibt es in 74 Prozent (Bund: 56 Prozent) Sport- oder Musikangebote. Wermutstropfen ist der Mangel an Sprachförderung. Nur 23 Prozent (Bund: 25 Prozent) haben im Rahmen der Nachmittagsbetreuung Sprachförderung im Programm, sei es in Eigenregie oder in Kooperation mit externen Anbietern. „Trotz des bei der Betreuungsqualität insgesamt guten Abschneidens ist es bedenklich, dass die Nachmittagsbetreuung die Chance der Sprachförderung ungenutzt verstreichen lässt. Mangelnde Sprachfähigkeiten sind heute nicht mehr nur bei Kindern mit Migrationshintergrund zu beobachten, sondern zunehmend auch bei Kindern aus bildungsfernen Familien ein ernst zu nehmendes Problem. Deutschkenntnisse sind schließlich eine Schlüsselqualifikation für den Erfolg der Kinder in der Schule und damit auch für ihre berufliche Zukunft. Die Anstrengungen in diesem Bereich sollten daher deutlich verstärkt werden“, unterstreicht der IHK-Hauptgeschäftsführer.
„Die Ergebnisse unseres Grundschulchecks zeigen, dass wir noch ein gutes Stück Weg vor uns haben, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu realisieren. Gemeinsam sollten wir darauf hinwirken, dass Eltern nicht aufgrund fehlender Betreuungsinfrastruktur daran gehindert werden, ihre Arbeit im gewünschten Rahmen fortzusetzen. Inzwischen bieten rund 90 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten an. Bei der Kooperation von Grundschulen und Unternehmen zur Nachmittagsbetreuung von Grundschulkindern liegt allerdings noch großes ungenutztes Potenzial. Nicht eine Grundschule unseres Bezirks ist eine Kooperation mit Unternehmen für Belegplätze, Notfallbetreuung der Freizeit- und Bildungsangeboten von Betrieben eingegangen. Hier sollten verstärkt Partnerschaften zum beidseitigen Gewinn eingegangen werden. Daneben sind aber auch Land und Kommunen weiter gefordert. Die bisherigen Ausbaubestrebungen der Nachmittagsbetreuung sind zwar respektabel, greifen aber noch zu kurz. Hier muss sinnvoll in die Zukunft investiert werden.“
Symbolfoto: Juraj Varga / Pixabay