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Eigentlich war man sich im Dezernat VII sicher, alles richtig gemacht zu haben. Laut einer extra durchgeführten Umfrage, wünschen sich 77 Prozent der Wiesbadener saubere Straßen und somit war Stadtrat Franz klar, hier muss gehandelt werden. Erste Maßnahmen, wie zum Beispiel die Müll-Hotline „Saubere Nummer“ oder die App „Sauberes Wiesbaden“, die den Bürgern die Möglichkeit geben, Müllansammlungen direkt zu melden, trafen auf breite Zustimmung.
Im zweiten Schritt wurden auf wissenschaftlicher Grundlage die 1.879 Wiesbadener Straßen nach 40 Kriterien überprüft und neu eingeordnet. Ziel war es, schmutzige Straßen und Gehwege häufiger zu reinigen und zwar unter dem Gesichtspunkt der städtischen Fürsorgepflicht durch die Stadt beziehungsweise ELW.
Soweit so gut, bis die ersten neuen Gebührenbescheide in die Briefkästen der neu zugeordneten Anlieger flatterten. Da rieb sich so mancher Bürger plötzlich die Augen. Je nach Einordnung ergaben sich Erhöhungen um mehrere hundert Euro. Bei einer Ortsbeiratssitzung in Dotzheim berichtete ein Anwohner der Erich-Ollenhauer-Straße, dass er statt bisher 303 Euro, in Zukunft 1344 Euro zu zahlen habe. Darüber hinaus könne die ELW mit ihren Kehrwagen gar nicht so gut auf Gehweg und Straße reinigen, wie die übliche Reinigung der Anwohner mit Hilfe eines normalen Besens.
Hier könne laut Franz und seinem Stab das Pariser Modell Abhilfe schaffen. Wenn gekehrt wird dürfen für mehrere Stunden keine Autos parken. Die ELW spricht von einer „Grundreinigung“ der Straßen, die notwendig ist wenn Autos schräg, mit der Schnauze über die Bordsteinkante parken, um Schmutz und Müll zu beseitigen.
In den Ortsbeiratssitzungen wird Franz mit zahlreichen, sehr individuellen „Kehrgeschichten“ konfrontiert und schnell ist klar, wo die Grenzen des wissenschaftlichen Systems sind. Zwar versichert Dr. Franz am Ende der Diskussion bei der Bürgerversammlung in Dotzheim, das im Einzelfall erneut geprüft wird, letztendlich stehe die neue Satzung jedoch auf sicheren rechtlichen Füßen und würde im Grundsatz in ihrer Richtigkeit nicht angezweifelt. Auch die Berechnung der Gebühr nicht nur nach Grundstücksbreite, sondern mit Hilfe der Quadratwurzel auch der Grundstückstiefe, sei gerichtlich bereits bestätigt und nicht die Idee der Stadt.
Stadtrat Franz hat auf alle Fragen und Argumente und Vorwürfe eine rechtlich abgesicherte Antwort, aber genau das, bringt die Bürger noch mehr auf die Palme. Deshalb bringt sich jetzt – rechtzeitig vor der Kommunalwahl - die Opposition zusammen mit den Bürgern in Stellung. Das Ziel ist klar, nämlich mit allen Mitteln die Umsetzung der neuen Straßenreinigungssatzung zu stoppen, erste Rücknahmeforderungen der Satzung werden laut. Vor allem wirft das Vorgehen von Dr. Franz und des Dezernats die Frage auf, wo bei einem solchen Thema die, auch von Oberbürgermeister Sven Gerich stets betonte, Bürgerbeteiligung geblieben ist?
Die haben die Betroffenen jetzt selbst in die Hand genommen und aus den einzelnen Protesten aus den betroffenen Ortsteilen die Initiative „Gehwehreinigung in Bürgerhand“ gebildet. Mit einem gemeinsamen Anwalt treten sie jetzt gemeinsam an, um Änderungen bei der Straßenreinigungssatzung zu erwirken. Außerdem informiert die Initiative die Bürger darüber, dass ein fristgerechter Wiederspruch (innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung des Bescheids) eingehalten werden muss.
Außerdem rufen sie zu einer Demonstration auf dem Schlossplatz auf. Hausbesitzer und Mieter sollen ab 17:00 Uhr auf den Schlossplatz kommen und zur Versinnbildlichung der eigenen Kehrpflicht einen Besen mitbringen.
Auch die Opposition schlägt sich auf die Seite der Bürger. So äußert sich Hendrik Seipel-Rotter von den Grünen wie folgt: "Die große Koalition hat die Abstimmung der Leitlinien für Bürgerbeteiligung bislang erfolgreich verschleppt. Das Thema Straßenreinigung ist aber wie geschaffen für eine Bürgerbeteiligung, schließlich sind das unsere Straßen.“ Und die Fraktionsvorsitzende Christiane Hinninger meint: „Es wurde zudem eine wirksame Bürgerbeteiligung vor der Kommunalwahl am 6. März verhindert.
Jetzt müssen die Bürgerinnen und Bürger die Kommunalwahl zur Abstimmung über die Straßenreinigungssatzung nutzen. Nach der Wahl braucht man nicht auf Einsicht zu hoffen!“
„Die Grüne Fraktion wird im kommenden Finanzausschuss vom Magistrat definitive Aussagen zum weiteren Verfahren inklusive Zeitplan einfordern!“, so die Grünen abschließend.
Veit Wilhelmy, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der UFW, sagt zu diesem Thema: Ein erster wichtiger Schritt dahin wäre die Annahme des von Herrn Strauch vorgeschlagenen Moratoriums durch die Große Koalition in der Stadtverordnetenversammlung am 3. März. Dieses beinhaltet unter anderem die Aufhebung bzw. Außerkraftsetzung der vor Weihnachten beschlossenen Satzung und Wiederinkraftsetzung der Ende 2014 beschlossenen Satzung, einen Großteil der Gehwegreinigung wieder in die Hände der Bürger zu geben und unter Einbeziehung der Bürger im Jahresverlauf eine neue Straßenreinigungssystematik und Satzungsvorlage zu erarbeiten.
„Herr Strauch sichert im Rahmen des Vorschlags zu, dass die von den Bürgern - zum Teil von ihm vertreten - erhobenen Widersprüche zum Ruhen gebracht und keine gerichtlichen Verfahren eingeleitet werden. Ich begrüße diesen Vorschlag und hoffe, dass die Verantwortlichen darauf eingehen. Wenn das nicht geschieht, wird der Unmut immer weiter wachsen und am Ende werden die Gerichte über die Straßenreinigungssatzung entscheiden“, so Wilhelmy abschließend.
Die Kommunalwahl im März birgt in diesem Jahr zahlreiche Themen, die die Koalition aus CDU und SPD ins Wanken bringen könnte. Neben der Straßenreinigungssatzung stimmen die Bürger auch über die Entscheidungen und Vorgehensweisen bei den Themen HSK, Stadtmuseum und Wilhelmstraße 1 ab.
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Was: Demo gegen die neue Straßereinigungssatzung
Wann: Montag; 29. Februar
Uhrzeit: 17:00 Uhr
Wo: Schlossplatz, Wiesbaden
Bitte Kehrbesen mitbringen!
Die Broschüre mit allen Erläuterungen der neuen Straßenreinigungssatzung finden Sie hier.
Foto: Plakat Gehwegreinigung in Bürgerhand & ELW Infobrief