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Seit Jahre wird in Wiesbaden über die Zukunft des Moritz-Lang-Haus diskutiert. Das Heim für Wiesbadener Senioren ist selbst in die Jahre gekommen und wird den heutigen Ansprüchen an Wohnen im Alter in keiner Weisemehr gerecht. Gleichzeitig ist es für viele Wiesbadener nach wie vor eine beliebte Unterbringung, da es den Bewohnern ermöglicht, in der Nähe ihres früheren Wohnortes zu bleiben und so den Kontakt zu Freunden und früheren Nachbarn zu pflegen.
Die jetzt vorliegende Machbarkeitsstudie bildet die Grundlage, um über die Sommerpause über die weitere Vorgehensweise zu beraten, bis sie schließlich wieder als Vorlage abgestimmt werden muss.
"Man darf gespannt sein, ob sich die Neuausrichtung wieder neu ausrichtet. Denn laut der Machbarkeitsstudie können nur 88 Bewohnerinnen und Bewohner während einer Übergangszeit untergebracht werden - in Doppelzimmern, die aber laut derselben Studie für die Betroffenen eigentlich unzumutbar sind. Unabhängig der berechtigten Zweifel an der Qualität während dieser Umbauzeit, bleibt unklar, wo die restlichen 30 bis 40 Personen untergebracht werden" fragt sich der Freie Wähler Kreisvorsitzende und Experte für Altenpflege, Hans-Georg Kroll.
Die vorgesehene Sanierung des anliegenden Reha-Zentrums, Baujahr 1976, ist auch aus baulicher Sicht mit Vorsicht zu genießen. Schließlich habe sich neben den Maßstäben in der Pflege auch zum Beispiel die Energieeinsparverordnung seit 40 Jahren grundlegend geändert. Kroll weiter: "Aus wirtschaftlicher Sicht, ist die Sanierung des Moritz-Lang-Hauses ein riskantes und teures Unterfangen. Bei Neubaupreisen von rund 80.000 Euro pro Bett für die Sanierung 131.000 Euro pro Bett auszugeben, ist wirtschaftlicher „Selbstmord“.
Bei einem Neubau an der HSK gäbe es deutlich weniger bauliche und wirtschaftliche Risiken - man könnte besser planen und es gäbe für alle Beteiligten einen sauberen Schnitt.“ Die Freien Wähler weisen in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass es für eine Beschränkung auf 80 Plätze im Neubau keinerlei rechtliche Grundlagen gibt. "Stattdessen wird aus nicht nachvollziehbaren Gründen eine Operation am offenen Herzen vorgeschlagen" so der Kreisverbandsvorsitzende. Die Verantwortlichen sollten sich wirklich nochmal darüber Gedanken, was sie damit veranstalten. Schließlich geht es hier im Kern um die Unterbringung von 120 pflegebedürftige Wiesbadenerinnen und Wiesbadener. Und die haben sicherlich keine Lust bei einer Reise nach Jerusalem am Ende ohne Platz dazustehen" so Kroll abschließend.
Die Haltung der Freien Wähler ist bei den angeführten Zahlen betriebswirtschaftlich betrachtet auch ohne kaufmännische Kenntnisse nachvollziehbar. Aber beim Thema Moritz-Lang-Haus gibt es auch eine ganz andere Betrachtungsweise. Abseits von Wirtschaftlichkeit und Kostenoptimierung handelt es sich beim jetzigen Standort des Moritz-Lang Hauses um ein Stück Heimat. Eingebettet in den Ortskern von Dotzheim, nur wenige Gehminuten entfernt vom Stadtteilzentrum und kleinen Geschäften, bietet das Haus an seinem jetzigen Standort Lebensqualität die nichts mit Zimmerstandards und Wärmedämmung zu tun hat.
Für Menschen die noch ohne Einschränkung Teilhabe an der Gesellschaft haben, sei es durch den Vorteil eines eigenen Kfz oder auch einfach, weil sie noch ohne körperliche Einschränkung sind, scheint der Weg von der Helios Dr. Horst Schmidt Klinik bis in den Dotzheimer Ortskern durchaus machbar. Aber Wohnen im Grünen verliert seinen Reiz, wenn man deswegen auf die gewohnten Kontakte verzichten muss. Denn bei vielen Bewohnern des Moritz-Lang-Hauses reicht die Rente nicht aus, um täglich mit dem Bus nach Dotzheim zu fahren. Die Strecke zu Fuß hin und zurück zu bewältigen, möchte man sich noch nicht mal selbst zumuten.
Man kann sich gut vorstellen, wie schick ein neues, lichtdurchflutetes Gebäude am Rande der neuen Helios Kliniken oder am Freudenberg aussehen könnte. Honoratioren und Politiker beglückwünschen sich im Blitzlichtgewitter zu dem gelungenen Neubau. Wie würde es ihnen gefallen wenn sie in wenigen Jahren ihr liebgewonnenes und vertrautes Umfeld verlassen sollten? Raus aus der Öffentlichkeit und abgeschoben an den Rand der Stadt, in der sie einen großen Teil ihres Lebens verbracht haben? Irgendwie spielt bei diesen Gedanken Geld nicht mehr die wichtigste Rolle.
Einige Politker in Wiesbaden wissen das - werden sie sich auch dafür stark machen? Eine schwierige Frage angesichts wechselnder Mehrheiten in der Stadtverordnetenversammlung. Der bereits seit 2009 dauerende Prozess geht also in die nächste Runde. Dabei darf die Bemerkung erlaubt sein, das nicht alle heutigen 120 Bewohner des Moritz-Lang Hauses den Ausgang erleben werden.
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Foto: Altersarmut Initiative Impulse für den Wohnungsbau