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„Judith Bohle ist seit fast einer Woche krank und das wichtigste vorweg: Wir werden zur Premiere am Sonntagabend fertig“, bedauerte Andrea Vilter, Dramaturgie, bei der Kostprobe zum Theaterstück „Kollaps“ von Philipp Löhle. Im Einklang mit Jan Philipp Gloger, Inszenierung, entschuldigte sich die Dramaturgin und Gloger bestätigte, dass es so sei. Dass man so leider nicht in der Lage sei, „eine komplette Szenenfolge durchspielen“. Gleichermaßen versprach er eine Arbeitsprobe, die mehr als nur einen guten Eindruck von dem Stück „Kollaps“ vermittele. Eine Arbeitsprobe zu dem Stück, dass am Sonntagabend in Wiesbaden seine Uraufführung haben wird.
Vor der eigentlichen Probe stellten Andrea Vilter, Jan Philip Gloger und Philipp Löhle im Foyer des Kleinen Hauses das neue Stück „Kollaps“ vor. Wörtlich genommen heißt Kollaps soviel wie zusammenbrechen. Bedeutet es im medizinischem Sinne, das biologische Systeme und Funktionen einfallen – schlüpfen auf der Bühne die Darsteller in fünf Rollen, die nachempfinden, was passiert, wenn die Welt zusammenbricht. Wenn einfache Alltagssituationen das System Mensch aushebeln. Wie Menschen reagieren, wenn menschliche Programme gestört werden - etwa der Zug oder der Strom ausfällt. Es beginnt damit, dass ein Ehepaar im Kontext des Kollaps seine Kinder zuhause einsperrt und die Wohnung verlässt.
Während der Arbeitsprobe war dieses zentrale Thema nur ein Nebeneffekt. Es ging darum, bestimmte Teilszenen einzustudieren, zu verbessern und in der Interaktion mit dem Publikum zu schleifen. Da wollten Schauspieler von den Zuschauern wissen, ob ihre Gestik - ihre Mimik verstanden werden. Da war der natürliche Lacher aus dem Zuschauerraum willkommen. Da wurde ein und dieselbe Handlung immer wieder mit unterschiedlichem Ausdruck gespielt. Wurden Lacher von Jan Philipp Gloger hinterfragt – „War das Lachen jetzt ein ernst? Oder war es höflich gemeint?“ Die Frage selbst, mündete auch wieder in - herzhaftem Lachen.
Am Ende war es für viele Zuschauer im Publikum die erste Arbeitsprobe, die erste Theaterprobe, die sie gesehen hatten. Dafür zeigten sie sich dankbar, dankbar, dafür einen kleinen Moment Teil der großen Theaterfamilie gewesen sein zu dürfen. Dankbar dafür, erste Einblicke, in ein bis dahin völlig unbekanntes Stück zu erhalten. Dankbar dafür, einen Vorgeschmack auf „Kollaps“ zu bekommen. Ein Vorgeschmack auf die Uraufführung am Sonntagabend.
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Philipp Löhle, einer der erfolgreichsten Theaterautoren seiner Generation, hat mit seinem Debut vor einigen Jahren einen neuen Ton in die deutsche Gegenwartsdramatik eingebracht. In seinem neuesten Stück schlägt er ihn gekonnt wieder an, um das klassische Szenario des Weltuntergangs für eine intelligente und unterhaltsame Bestandsaufnahme unserer Gesellschaft zu nutzen. Indem er seine Figuren aus ihrer geradezu spektakulären Normalität in eine Dramaturgie des Ausnahmezustands zwingt, ringt er ihnen nicht nur einiges an komischem Potenzial ab, sondern auch so manche Erkenntnis, die sie womöglich lieber vermieden hätten.
Foto: Volker Watschounek