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Die Diskussion am Donnerstag in Biebrich hat erneut gezeigt, dass die Informationen über die geplante Einführung der CityBahn am eigentlichen Hintergrund dieses Verkehrsmittels vorbeiläuft. Es ist unstrittig, das die Wiesbaden die Verkehrsplanung seit Jahrzehnten, wie in vielen anderen deutschen und europäischen Städten auch, am Individualverkehr mit Pkw ausgerichtet wurde. Das ist leicht nachvollziehbar, verkauft sich die Idee, jederzeit individuell und bequem von A nach B zu fahren, politisch wesentlich wählerfreundlicher, als die Realität von gewohntem abzulassen, um zusammen mit vielen anderen Menschen, die man sich nicht aussuchen kann, nach einem Fahrplan zu fahren, um dann – oft über Umwege und unter Zeitverlust – das gewünschte Ziel zu erreichen.
Der Wunsch nach unlimitierter persönlicher Mobilität ist bei den meisten so ausgeprägt, dass dafür Kosten- und Umweltbewusstsein nur eine untergeordnete Rolle bei der Entscheidung für das Auto spielen. Mit Blick auf die, Stand heute, geplante Streckenführung der CityBahn wird deutlich, dass dieses Transportmittel keine Lösung ist. Vielmehr ist der Sinn der Bahn in erster Linie, die Rheingau-Taunus Region, Wiesbaden und Mainz miteinander zu verbinden. Dies ist unzweifelhaft notwendig, denn weder die A3 noch die A66 oder die bestehende Bahnverbindung können die weiter wachsenden Verkehrsströme aus diesen Gebieten alleine abfangen, zumal im Rheingau, wie auch im Taunus, ständig neue Bauflächen ausgewiesen werden.
Ein zweite Aufgabe der CityBahn ist die Anbindung des geplanten Neubaugebiets Ostfeld in der Gemarkung Erbenheim. Der dort entstehende Ortsteil wird von Anfang an mit einer eigenen Infrastruktur geplant, bei der die CityBahn das verkehrstechnisch verbindende Element zur Wiesbadener Innenstadt darstellen soll.
Die CityBahn ist also nicht ein Verkehrsmittel, das den unmittelbaren Verkehr in die Wiesbadener Innenstadt unterstützen wird, wie es einst die Straßenbahn getan hat, sondern vielmehr eine Art Regionalbahn, die die „Citys“ von Bad Schwalbach bis Mainz miteinander verbinden soll. Eine Aufgabe, die unzweifelhaft notwendig ist. Problem – den wirtschaftlichen Preis zahlen die, die heute an der geplanten Strecke ihre Geschäfte betreiben und das werden, beim heutigen Stand der Planung, in erster Linie die Biebricher sein. Inwieweit die Bauzeit auch die Umsätze der Wiesbadener Einzelhändler und Gewerbetreibenden negativ beeinflussen wird, ist schwerer abzuschätzen. Schon heute ist die Fußgängerzone von Wiesbaden aufgrund ihres Angebots kein Einkaufsmagnet für Menschen aus der Region. Hohe Parkgebühren und eine immer stärker schrumpfende Auswahl an Geschäften schrecken Kunden aus dem Umland und den Vororten ab.
Ob die in der Diskussion erwähnten Hilfsgelder für den in der Bauzeit zu erwartenden Geschäftsrückgang ausreichen, um die Verluste der Einzelhändler auszugleichen, darf bezweifelt werden. In Biebrich hat schon die notwendige Sanierung der Kasteller Straße und weitere Bauarbeiten zur Schließung von Geschäften geführt.
Die Wiesbadener müssen wissen: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ wird nicht funktionieren. Entscheiden sie sich bei einer möglichen Bürgerbefragung gegen das Projekt CityBahn, hat der Rheingau Taunuskreis auf Jahrzehnte keine Chance, ein adäquates zusätzliches Verkehrsmittel zu bekommen. Die Folgen wird auch Wiesbaden in Form von stärkerem Durchgangsverkehr spüren.
Die Frage ist demnach eigentlich gar nicht CityBahn ja oder nein, sondern: „Wie sieht die Verkehrsplanung für die Innenstadt aus?“ Und auch da gibt es für Autoliebhaber keine wirklich guten Nachrichten. Mit Blick auf andere europäische Städte kann die Antwort nur das Verbot des Individualverkehrs sein. Wenn in die Kernstadt nur noch der ÖPNV, Lieferverkehr und Carsharing-Fahrzeuge mit Elektroantrieb fahren dürfen, können die Menschen auf den Straßen Tango tanzen, E-Scooter, Fahrräder und was sonst noch auf Rollen daherkommt, ungehindert durch Straßen und Parks brausen. Ein Chance für Wiesbaden, seine einzigartige Architektur unverbaut zu präsentieren und zu einer lebenswerten Stadt im Rhein-Main-Gebiet zu werden.
Wie werden die Wiesbadener sich entscheiden, wenn sie verstehen, dass sie die Verantwortung für die Zukunft der Menschen in der Region tragen? Von den direkt betroffenen Geschäftsleuten zu erwarten, dass sie ihre Lebensgrundlage zugunsten der Allgemeinheit aufgeben ist - gelinde gesagt - vermessen. Ein Dilemma, aus dem es so nur schwer einen Ausweg zu geben scheint. Vielleicht der Grund, warum die Hintergründe zur CityBahn von den Verantwortlichen so schwach beleuchtet und kommuniziert werden. Die Dialogangebote für Bürger sind daher durchaus genau zu betrachten. Wenn die Verantwortlichen der CityBahn auf die Unterschriftensammlungen von zwei Bürgerinitiativen für ein Bürgerbegehren nur mit einem Gutachten reagiert, dass die Rechtmäßigkeit dieser Aktionen anzweifelt, dann wird deutlich, dass man sich mit dem Bürgerwillen nicht auseinandersetzen will oder sich außer Stande sieht, den Bürgern die Zusammenhänge so zu erläutern, dass sie überzeugt werden.
Lesen Sie im verlinkten Artikel dazu auch die Aussagen des hesssischen Verkehrsministers Tarek Al Wazir (GRÜNE).
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