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Wiesbadens neuer Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende hat am Samstag den Amtseid geschworen, die Amtskette aus den Händen der Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel entgegengenommen und wird die Amtsgeschäfte ab kommenden Dienstag im Oberbürgermeisterbüro im Rathaus der Landeshauptstadt leiten.
Zuvor war es jedoch Zeit, Abschied zu nehmen von seinem Vorgänger Sven Gerich: „Ich gebe es zu: es ist für mich heute kein einfacher Tag“, begann er mit rauer Stimme seine letzte Rede als Oberbürgermeister und das war sicher eine aufrichtige Aussage. Wer die Abschiedstour von Sven Gerich seit seiner Ankündigung, nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten verfolgt hat, konnte in den vergangenen Monaten sehen, wie ihm nach und nach bewusst wurde, welchen Verlust er tatsächlich erlitten hat. Nahm er es an Fastnacht noch mit Humor, als er stets betonte, den Eintritt für die Veranstaltung zu bezahlen, wirkten seine Bitten bei großen Einweihungen und Grundsteinlegungen, doch auch in Zukunft weiter eingeladen zu werden, mehr als ein Flehen. Der Weg raus aus dem Rampenlicht fiel ihm sichtlich schwer.
Am vergangenen Samstag war es dann wirklich so weit, die letzten Minuten als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt waren gekommen. Aber seine politischen Wegbegleiter gingen nicht hart mit ihm ins Gericht. Sie würdigten ihn parteiübergreifend als engagierten, zugänglichen Politiker, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Wünsche „seiner“ Bürgerinnen und Bürger hatte.
„Ich bin einer von Euch“, das vermittelte Gerich immer und jedem, mit dem er in Kontakt kam. Felix Kissler, Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, fasste es mit den Worten: „Er hat diesen Job geliebt“, absolut treffend zusammen. Viele Projekte hat Gerich in seiner Amtszeit angestoßen oder unterstützt: die Entwicklung der Bürgerbeteiligung, das Großprojekt Sportpark Rheinhöhe, das geplante Ostfeld und die CityBahn, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Auch in den lange vernachlässigten Vororten Wiesbadens war er unterwegs und lieh den Bürgerinnen und Bürgern sein Ohr. Als ehemaliger Freiwilliger Feuerwehrmann hatte er stets ein Auge auf die Sorgen und Nöte der Retter in Not.
Seinen vielleicht erfolgreichsten, aber am wenigsten populären Einsatz, hatte Gerich jedoch während der Flüchtlingskrise, als Wiesbaden - wie viele andere Städte und Gemeinden in Deutschland - mit dem plötzlichen Zustrom vieler Menschen konfrontiert wurde. Gerich zögerte nicht lange. Zusammen mit seinem engagierten Stab wurden in kürzester Zeit, manchmal nur Stunden, Lösungen aus dem Boden gestampft, die zuvor keiner für möglich hielt. Diese Leistungen würdigten alle Redner als außergewöhnlich und bemerkenswert in ihren letzten Worten an den scheidenden OB. Das Leitmotiv seiner Amtszeit „Vom Ich zum Wir“ hat er damit nachdrücklich umgesetzt.
Kritik an seiner Amtszeit war jedoch auch unvermeidlich. Sie kam von allen Rednern eher leise und verhalten und mit einem Augenzwinkern, hatte man doch die letzten sechs Jahre gut zusammengearbeitet. So stand vielmehr im Vordergrund, dass Gerich die Konsequenzen aus seinem Verhalten gezogen hat. Ein abschließendes Urteil über die ihm zur Last gelegten Vorwürfe seien jetzt den Rechtsorganen vorbehalten, war man sich fraktionsübergreifend einig.
Sven Gerich dankte in seiner Rede deshalb auch in erster Linie denen, für die er sich eingesetzt hat, nämlich den engagierten Wiesbadenerinnen und Wiesbadenern, die die Entwicklung der Stadt durch ihre Arbeit in Verbänden, Organisationen, Gruppen, Vereinen und Initiativen mitgeprägt haben und weiter mitprägen. Aber auch denen, die ihn in Stadtverwaltung und städtischen Gesellschaften mit ihrer Mitarbeit unterstützt haben. Seine heisere Stimme, die er nur mit einigen Schluck Wasser in den Griff bekam, war zum Glück wohl eher dem Vorabend geschuldet. Bei einer Grundsteinlegung der SEG in Sonnenberg hatte er die Abschiedsfeier am dortigen Weinstand laut Erzählungen wohl bereits vorverlegt.
Abschließend wünschte er seinem Nachfolger im Amt, Gert-Uwe Mende, von Herzen alles Gute. Nicht ohne sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen und viele sehr persönliche Geschenke entgegenzunehmen.
Übrigens wird Sven Gerich in Zukunft nicht die Hände in den Schoß legen. Schon in der kommenden Woche hat er laut Medienberichten seinen ersten Arbeitstag in einer Frankfurter Sicherheitsfirma.
Bei der anschließenden Vereidigung von Gert-Uwe Mende und dessen Rede zum Amtsantritt betonte dieser, dass er sich bewusst ist, welche Aufgabe in den kommenden Jahren vor ihm liegt. Hatte ihn doch die Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel in ihrer Rede bereits schelmisch darauf vorbereitet, dass von Oberbürgermeistern manchmal auch „Wunder“ erwartet würden.
Jetzt ist es an Mende, seine Wahlversprechen in den kommenden Jahren umzusetzen. Er übernimmt das Ruder in stürmischen Zeiten und das weiß der 56-Jährige. Vielleicht betonte er deshalb das Wort „gewissenhaft“ ganz besonders bei der Ablegung seines Amtseides.
Quer durch die Fraktionen begrüßten die Redner die Ansprüche, die Mende für sich in seinem Wahlkampf und auch in seiner Antrittsrede geltend machte, nämlich den politischen Diskurs, sachlich, verbindlich und wertschätzend zu führen. Dabei machte er klar, dass es über die Vergangenheit kein „Schwamm drüber“ geben dürfe. Er stehe nicht für „Friede, Freude, Eierkuchen“ sondern für Aufklärung nach den Regeln des Rechtsstaates, ohne Vorverurteilung und unter Beachtung der Unschuldsvermutung. Für seine Amtsführung heißt das: klare Regeln, Transparenz und Objektivität. „Ich werde auf alle Partner zugehen, um mit ihnen auf Augenhöhe zu diskutieren“, kündigte Mende in seiner Rede an.
Das ihm das alle zutrauen, wurde in den Begrüßungsreden der Fraktionsvorsitzenden deutlich. Auch Mende erhielt zahlreiche Geschenke, von denen einige durchaus mit Symbolik behaftet waren. So bekam er unter anderem einen Besen, um im Rathaus einmal richtig durchzufegen. Auch die FDP hatte sich etwas einfallen lassen und mit Blick auf den Spitznamen des neuen OB, der unter Freunden stets mit GUM (zusammengesetzt aus den drei ersten Buchstaben seiner Namen) angesprochen wird, einen Kaugummiautomaten überreicht.
Das wichtigste Utensil erhielt er jedoch aus den Händen von Christa Gabriel, den Transponderschlüssel, der Mende in den kommenden sechs Jahren die Türen im Rathaus öffnen wird.
Die kommenden Jahre werden zeigen, wie Mende Wiesbaden als Oberbürgermeister prägen wird.
Etwas verwunderlich war, dass am Samstag nicht alle Mitbewerber aus dem Oberbürgermeisterwahlkampf die Zeit gefunden hatten, an der Feierstunde teilzunehmen. Vor allem das Fehlen von Eberhard Seidensticker, seinem Gegner in der Stichwahl, wurde von vielen mit Befremden zur Kenntnis genommen. Die politische Kultur im Wiesbadener Rathaus kann wirklich einen Neustart vertragen. Viel Erfolg Gert-Uwe Mende!
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Fotos: Joshua Ziß & Daniel Becker