ANZEIGE
Wiesbadenaktuell: Sie sind seit vier Wochen im Amt Herr Gerich, da muss der Christoper Street Day (CSD) ja ein Premium-Termin für Sie sein?
Sven Gerich: Sowieso schon immer ein fester Termin im Kalender, aber heute freue ich mich natürlich doppelt, hier sein zu können.
WA: Haben Sie an der Parade mit gemacht oder sind Sie erst zum Fest gekommen?
Gerich: Nein, ich bin erst zum Fest gekommen, ich hatte am Vormittag noch andere Termine.
WA: Was für ein Gefühl haben Sie bezüglich der Mobilisierung? Sind überhaupt Wiesbadener hier? Auf der Parade waren ganz viele Gruppierungen aus Koblenz, aus Aschaffenburg, aus Darmstadt und aus Frankfurt. Passiert in Wiesbaden genug?
Gerich: Na, ich meine, Warmes Wiesbaden hat sich jetzt im zweiten Jahr dazu bereit erklärt, einen CSD auszurichten. Für die Uhrzeit und die Temperaturen haben wir deutlich mehr Besucher hier als letztes Jahr um diese Zeit. Das heißt, es tut sich tatsächlich was auch in der Community in Wiesbaden. Es sind viele Wiesbadener da, aber natürlich freue ich mich auch, wenn uns die Kolleginnen und Kollegen aus der Region unterstützen. Deswegen fand ich es toll, dass bei der Parade auch so viele Gruppierungen von außerhalb dabei waren.
WA: Es gibt Politiker die plötzlich mit der wehenden Schwulenflagge durchs Land zogen, als Sie bundesweit in Regierungsverantwortung waren. Doch geschehen ist nicht wirklich etwas.
Gerich: Na, das würde ich doch anders beurteilen.
WA: Das steht Ihnen natürlich frei.
Gerich: Das was wir heute erreicht haben, ist maßgeblich auf die SPD zurückzuführen. Sicherlich war in der großen Koalition mit der Union mehr einfach nicht machbar. Das ist bedauerlich und deswegen ist das, was im Moment im Bundestagswahlkampf gesagt wird überhaupt nichts neues an Inhalten für die SPD, sondern wir stehen zu dem, was wir sagen. Da wird auch kein Kurs gewechselt. Wir hoffen halt auf die Mehrheiten, die es uns ermöglichen, was wir wollen auch noch zu 100 Prozent umzusetzen und das bedeutet, absolute Gleichstellung von homosexuellen Lebensgemeinschaften, unter anderem heißt eben auch volles Adaptionsrecht und alles, was damit zusammenhängt.
WA: Da darf die Gleichstellung ja nicht aufhören. Dennoch, wie wichtig es einen CSD in Wiesbaden zu haben und speziell in der Landeshauptstadt darauf aufmerksam zu machen, dass die Homo-Ehe eben noch lange nicht die Ehe ist?
Gerich: Ja leider ist sie das noch nicht. Ich würde mir wünschen, dass wir irgendwann dieses Konstrukt der eingetragenen Lebenspartnerschaft tatsächlich abschaffen können und es tatsächlich nur noch die Eine-für-alle-Ehe gibt. Es ist auch in der Landeshauptstadt wichtig, einen CSD zu haben und es gehört meiner Meinung nach auch dazu – auch wenn es manche vielleicht als „Ertragen“ verstehen – es gehört auch dazu, dass man an einem solchen Tag politisch darüber diskutiert, wo wir gesellschaftlich beim Thema Gleichstellung stehen und wo da auch Potenziale sind. Ein Wahlkampf bietet auch da immer wieder die Möglichkeit, sich klar zu positionieren.
WA: Das haben Sie ja getan und das fällt Ihnen aufgrund Ihrer eigenen Geschichte ja sicher auch noch ein Stück leichter. Jetzt sind Sie aber SPD-Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt, die das Land schwarz führt. Welche Möglichkeiten haben Sie, Positionen auch nochmal an eine höhere Stelle zu tragen, aufgrund des Amtes, oder wie kann die Stadtregierung der Landeshauptstadt auch auf die Landesregierung einwirken? Sehen Sie da Optionen und wie nutzen Sie die?
Gerich: Zunächst mal können wir ja die räumliche Nähe nutzen. Das ist ja schon mal überhaupt kein Problem. Aber natürlich wünsche ich mir, dass wir am 22. September auch einen Wechsel in der Landesregierung hinbekommen. Das macht die Kommunikation mit der anderen Seite des Schlossplatzes sicherlich noch leichter. Sollte es dazu nicht kommen, wird es trotzdem Gespräche geben müssen, um einfach zu schauen, wie kommt man da auch noch ein Stück näher zusammen.
WA: Das heißt aber für Sie muss es immer einen Dialog geben, auch wenn man das Gefühl hat, dass die Gegenseite noch so verhärtet und verschärft vorgeht?
Gerich: Wenn es darum geht, politische Ziele zu erreichen, muss man auch mit Menschen sprechen, und immer wieder auf sie einwirken – da gilt vielleicht so ein bisschen der Spruch „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Irgendwann muss auch der Härteste erkennen, dass sich die Gesellschaft einfach weiterentwickelt und das muss sich dann auch noch im letzten Wahlprogramm niederschlagen.
WA: Um nochmal auf die Veranstaltung zurückzukommen. Ich habe nicht im Geringsten den Eindruck, dass es hier Schwierigkeiten mit der Stadt gegeben hätte.
Gerich: Nein ganz im Gegenteil. Das ist eine breit getragene Veranstaltung mit heftiger Unterstützung der Stadt, weil wir einfach dazu stehen, dass wir auch wollen, dass sich Unterschiede bemerkbar machen dürfen. Ich freue mich auf die Party am Abend, auf der ich dann mal privat sein werde, auch wenn ich fast nicht mehr als Privatperson wahrgenommen werde. Aber da freue ich mich sehr drauf.
WA: Ich glaube ja, dass der Platz hier noch immer ein Kompromiss ist. Der Schlachthof ist ohnehin eine alternative Location, in der sich ein solches Fest leicht installieren lässt. Muss oder sollte es einen CSD in der Innenstadt geben und warum?
Gerich: Zunächst einmal finde ich den Platz hier am Kulturpark geradezu wunderbar. Das passt zusammen, die Macher vom Schlachthof helfen tatkräftig mit. Der Verein hat sich den Platz ausgesucht. Wenn er irgendwann der Meinung ist, er bräuchte einen anderen, dann diskutieren wir das gerne. Ich hätte kein Problem mit einem CSD vor meinem Rathausfenster.
WA: Danke für das Gespräch.