ANZEIGE
In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach über die Einführung von schienengebundenen Öffentlichen Personennahverkehr diskutiert. Die Pläne scheiterten jedoch immer wieder an der ablehnenden Haltung der FDP im Stadtparlament. Der stetig ansteigende Verkehr, wie auch die zunehmende Luftverschmutzung machen eine Verkehrswende in der Landeshauptstadt notwendig.
Nach den Plänen von ESWE Verkehr und der Stadt Wiesbaden soll eine Straßenbahnlinie in Wiesbaden gebaut werden. Sie soll über die Theodor-Heuss-Brücke mit der Mainzelbahn in Mainz verbunden werden und von Kastel aus über die Wiesbadener Landstraße bis nach Biebrich, über die Biebricher Allee zum Hauptbahnhof Wiesbaden und dann über die Hochschule Rhein Main am Elsässer Platz bis nach Bad Schwalbach reichen.
Dabei stellt die neue CityBahn eine von drei Säulen dar, die die Vision der Stadt Wiesbadenvon einem emissionsfreien öffentlichen Personen- und Nahverkehr stützen soll. Unterschiedlich lange Strecken werden, neben der CityBahn, mit Elektrobussen und Brennstoffzellenbussen bedient.
Daneben steht die Überzeugung, dass das stetig wachsende Verkehrsaufkommen von rund 500.000 Menschen in den beiden Hauptstädten sowie umweltrelevante Vorgaben nur mit der Schiene realisiert werden kann.
Um die generelle Durchführbarkeit der CityBahn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ermitteln, war das Planungsbüro PTV Transport Consult (consult.ptvgroup.com/de/home/) mit einer Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) beauftragt, deren Ergebnis am 12. Dezember veröffentlicht wurde. Diese “Standardisierte Bewertung” genannte Ermittlung ist für die finanzielle Förderung bei ÖPNV-Projekten erforderlich, die den Bau oder Ausbau von Schienenwegen zum Gegenstand haben, deren zuwendungsfähige Kosten 50 Millionen Euro übersteigen.
Das Ergebnis einer solchen NKU ist ein Zahlenwert, der das Verhältnis des Nutzens zu den zu erwartenden Kosten beschreibt und größer als 1 sein muss (also der Nutzen - Fahrgastaufkommen, Verkehrsentlastung, Reisezeit - muss größer sein als die Kosten), um eine Förderung durch Bund und Land zu ermöglichen. Dieser am Dienstag, 12. Dezemeber, vorgestellte Wert beträgt für die CityBahn 1,5 und ist damit noch höher als der, der seinerzeit für die Mainzelbahn auf der anderen Rheinseite ermittelt wurde.
Mit gut 300 Millionen Euro geschätzten Gesamtkosten, wird die Bahn tatsächlich erst durch die nun in greifbare Nähe gerückte Förderung durch den Bund und das Land zu einem “Schnäppchen”, wie es der Grüne Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol gerne ausdrückt.
So verblieben nach derzeitigem Stand 12,5 Prozent oder umgerechnet etwa 19 Millionen Euro Kostenanteil für die Stadt Wiesbaden für den ersten Bauabschnitt, der mit 149 Millionen veranschlagt wurde. Weiter Baukosten in zweistelliger Millionenhöhe werden für die Wiesbadener Stadtkasse folgen.
Die nötige Förderungswilligkeit wurde im Vorfeld bereits vom Bund und vom Land Hessen signalisiert, sollte die NKU dies hergeben.
Die Stadtratsfraktion der FDP Wiesbaden hat am 27. November, im Rahmen einer Informationsveranstaltung die Vor- und Nachteile des Projekts erläutert. Die FDP selbst steht dem Prozess der Entscheidungsfindung weiterhin kritisch gegenüber, da nach ihrer Auffassung die Transparenz der bislang laufenden Planungen innerhalb der Stadtverordnetenversammlung zu wünschen übrig lasse und sich die versprochene Bürgerbeteiligung allenfalls auf das WIE, nicht jedoch auf das OB des Straßenbahnbaus beschränke. Außerdem gebe es im Vergleich mit den vom Verkehrsdezernenten Kowol genannten erwarteten Passagierzahlen und Kapazitäten einer Tram erhebliche Abweichungen von den Berechnungen, die die FDP anhand der in Mainz eingesetzten Fahrzeuge selbst angestellt habe.
Die Bürgerinitiative “Mitbestimmung CityBahn” kritisiert das Projekt weit heftiger. Vor allem fordert sie prinzipiell mehr Mitbestimmung darüber, wofür der städtische Haushalt verwendet werden soll, zumal in diesem Fall in einer solchen Größenordnung. Außerdem hegt sie gehörige Zweifel an der städtischen Darstellung, die vorhandenen Busse hätten bereits ihre Kapazitätsgrenze erreicht.
Sie plädiert dagegen für eine Umrüstung der vorhandenen Busse und die - erheblich günstigere - Neuanschaffung von elektrisch beziehungsweise mittels Brennstoffzellen betriebenen Bussen sowie den Ausbau von Busspuren. Inzwischen sei insbesondere die Technik für Elektrobusse (die je nach technischer Ausstattung bereits mit einem Ladevorgang von gerade mal der Dauer eines Aufenthalts an einer Haltestelle wieder einsatzbereit sind) sehr viel fortschrittlicher geworden. Oberleitungen, die entlang der Fahrstrecke, gespannt sind, sind für deren Betrieb schon längst nicht mehr zwingend erforderlich. Dadurch bleiben sie grundsätzlich so flexibel wie herkömmliche Dieselbusse.
Schaut man nach Mainz, ist zumindest der dortige Oberbürgermeister Ebling von dem Projekt überzeugt. Andere sehen das durchaus nicht so. Problem ist auch, dass das Thema Citybahn im Stadtparlament bisher noch keinerlei Priorität besitzt. Denkt man an den Neubau der Schiersteiner Brücke, weiß man, wie entspannt und gemach die Pfälzer auf Druck aus Hessen, Wiesbaden und Berlin reagieren können. Hier musste erst der Bund in Person des Verkehrsminsiters Ramsauer mit Faust auf den Tisch schlagen, um dort etwas in Bewegung zu setzen. Geht man von einem ähnliche Verhalten bei der CityBahn aus, endet diese am Theodor-Häuser-Brücken-Kopf und die Planner müssen einen "Wendehammer" einrichten.
Überhaupt ist für die Mainzer die Brücke ein ganz entscheidendes Thema. Unabhängig von der Belastbarkeit, fürchtet man dort einen Verkehrsinfarkt, sollte eine Bahn einmal auf der Brücke liegenbleiben. Mehr zu den Bedenken aus Mainz lesen Sie hier.
Neben der Stadt Wiesbaden und der ESWE Verkehrsgesellschaft gibt es aber auch andere Befürworter der CityBahn, wie den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den Fahrgastverband Pro Bahn und den Verkehrsclub Deutschland. Sie loben die höhere Leistungsfähigkeit einer Straßenbahn und deren Effizienz. Außerdem sei sie barrierefrei, biete besseren Fahrkomfort und sei gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor umweltfreundlicher. Dass sie leiser sein soll, darüber können wiederum die Mainzer Bürgerinnen und Bürger ein Lied singen: Zumindest in der Anfangsphase trugen laute Quietschgeräusche beim Bremsen nicht eben zur flächendeckenden Akzeptanz der Mainzelbahn bei. Inzwischen ist dieses Problem jedoch behoben. Die Mainzer Tram übertrifft mittlerweile zudem die Erwartungen deutlich.
Auf der internetseite der von Wiesbaden und Mainz eigens gegründeten City-Bahn GmbH - CityBahn-verbindet.de - sind nicht nur alle derzeit verfügbaren Details wie Streckenführung, Kosten, etc. abrufbar. Seit Dienstag, 12. Dezember, ist hier auch ein Online-Dialog möglich, über den die Bürger sich konstruktiv einbringen können. Außerdem will die Seite möglichst umfassend über aktuelle Entwicklungsschritte informieren. Ab Mitte Januar 2018 können die Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger außerdem im Rahmen von mehreren Infomessen entlang der Vorschlagslinienführung ihre Meinung zu den Planungsdetails äußern.
Bei den Veranstaltungen haben sie die Möglichkeit, an Infoständen in den direkten Dialog mit Experten der zuständigen Ämter sowie Planungsbüros zu treten. Los geht es am 18. Januar im Schlachthof, dann geht es am 23. Januar in der Hochschule RheinMain weiter, am 25. Januar in der Galatea-Anlage in Biebrich und abschließend, am 30. Januar in Kastel/Amöneburg in der Johann-Hinrich-Wichern-Schule.
Alle Termine finden jeweils von 15:00 bis 20:00 Uhr statt. In Mainz wird es im März 2018 noch einen fünften Termin geben.
P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie Fan von Wiesbadenaktuell.de
Symbolfoto ESWE