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Insgesamt rund 250 Polizist:innen der Sondereinheit "Besondere Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch von Kindern" (BAO FOKUS) waren in der vergangenen Märzwoche hessenweit im Einsatz zur Bekämpfung von sexueller Gewalt an Kindern.
Bei Schwerpunktmaßnahmen wurden die Wohnungen von 52 Beschuldigten durchsucht, 1.247 Datenträger sichergestellt und 24 Vernehmungen durchgeführt. Auch zwei Männer in Wiesbaden lagen im Fokus der Ermittler. Die Wohnungen der beiden Personen wurde ebenfalls durchsucht, wie die Pressesprecherin des Hessischen Landeskriminalamts Laura Kaufmann-Conrad auf Nachfrage mitteilte. Bereits im Januar ging die BAO FOKUS einigen Spuren nach.
Die Sondereinheit hat im Oktober 2020 ihre Arbeit aufgenommen. Organisatorisch ist sie im Hessischen Landeskriminalamt angesiedelt. Der dortige Führungsstab koordiniert landesweit die Einsätze und Ermittlungen. Die meisten Mitarbeiter:innen der BAO FOKUS arbeiten jedoch in einem der sieben hessischen Polizeipräsidien.
So auch Sarah Schneider aus dem Polizeipräsidium Mittelhessen. Die Kriminaloberkommissarin ist im Rahmen der BAO FOKUS an Vorermittlungen und Durchsuchungen beteiligt, wertet aber auch sichergestellte Speichermedien aus, sichtet Fotos und Videos von Missbräuchen. Die 30-Jährige sagte: „Es ist zum Teil schlimm, was ich zu sehen bekomme." Sie versuche dennoch, jeden Fall neutral zu betrachten. „Was ich gedanklich immer im Hinterkopf behalte: Hinter jedem kinderpornografischen Bild steckt ein sexueller Missbrauch und damit auch ein Opfer."
„Oftmals ermitteln wir aufgrund von konkreten Hinweisen", berichtete Schneider. In einem Fall etwa zeigte eine junge Frau ihren Vater an. Sie hatte auf seinem Smartphone kinderpornografische Fotos gefunden. In einem anderen Verfahren spielte wiederum Kommissar Zufall den Ermittlerinnen und Ermittlern in die Hände: Bei Mäharbeiten im Landkreis Gießen war auf einer Wiese ein Smartphone gefunden worden. Der Finder brachte es zur Polizeistation. Das Gerät sollte an den Besitzer zurückgegeben werden.
Beim Auslesen des Handys wurde ein kinderpornografisches Video gefunden. „Es waren nicht irgendwelche Aufnahmen aus dem Internet, sondern man hat gesehen, dass das Video selbst hergestellt worden war", berichtete Sarah Schneider. Da der Besitzer des Handys der Polizei aus einem anderen Verfahren bekannt war, konnten Rückschlüsse auf das im Film zu sehende Kind gezogen werden.
Im Rahmen weiterer Ermittlungen der BAO FOKUS wurde die Wohnung des Mannes durchsucht, wurden mehrere Datenträger sichergestellt und der Beschuldigte vorläufig festgenommen. Auf Anordnung des zuständigen Ermittlungsrichters befindet er sich aktuell in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Gießen hat bereits Anklage erhoben. Dem Beschuldigten werden schwerer sexueller Missbrauch von Kindern sowie die Herstellung von kinderpornographischen Schriften zur Last gelegt.
Weitere Missbrauchstaten verhindern, bereits begangene Taten aufklären, Opfern helfen - „ich habe die besten Gründe, um motiviert zur Arbeit zu gehen", sagte Schneider. „Bislang komme ich emotional mit der Tätigkeit gut zurecht." Den Ermittlerinnen und Ermittlern werden unterstützende Angebote - etwa die Teilnahme an Supervisionen - gemacht. Schneider: „Wenn mich etwas bedrückt oder ich mich mit einem herausragenden Fall beschäftige, kann ich aber auch offen im Kollegenkreis darüber sprechen - das ist für mich persönlich sehr wertvoll."
Die hessische Polizei hat im vergangenen Jahr 904 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern und 72 Fälle von sexuellem Missbrauch von Jugendlichen erfasst. Hinzu kommen 1.692 Fälle des Besitzes, Erwerbs und der Verbreitung von Kinder- beziehungsweise Jugendpornografie. Die Dunkelziffer in diesem Deliktsfeld ist hoch - die Taten ereignen sich häufig innerhalb der Familie oder im sozialen Nahraum eines Kindes. Nur ein Bruchteil kommt zur Anzeige. Die Polizei ist daher auf Hinweise aus der Bevölkerung, von Eltern, Lehrer:innen, Erzieher:innen, Nachbar:innen und anderen angewiesen.
Sie haben den Verdacht, dass ein Kind in ihrem Umfeld von sexueller Gewalt betroffen ist? Sie wurden selbst Opfer von sexueller Gewalt? Wenden Sie sich an Ihre örtliche Polizeidienststelle. Dort können Sie Anzeige erstatten. Die Polizei nimmt aber auch Hinweise entgegen und kann Ihnen Fachberatungsangebote in Ihrer Nähe nennen. Mehr Informationen zum Thema Hilfe und Unterstützung erhalten Sie im Internet unter www.polizei-beratung.de/opferinformationen/sexueller-missbrauch-von-kindern/
Etwas erfreulicher ist, dass es im vergangenen Jahr im Ganzen jedoch zu weniger Strftaten kam. Dies lässt sich aus der aktuellen Kriminalstatistik ablesen. Wir berichteten.
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