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Was für ein wunderbarer Abend im ausverkauften Zelt des European Youth Circus. Wer dabei war, macht sich keine Sorgen über die Zukunft dieser Künstlerinnen und Künstler, die allesamt mit ihren artistischen Höchstleitungen für atemberaubende Spannung und zahlreiche Gänsehautmomente sorgten. Das Publikum erlebte knapp drei im Flug vergehende Stunden, mit dem Besten, was der Artistennachwuchs in Europa zu bieten hat.
Wie sagte Schirmherrin Rose-Lore Scholz in Ihrer Begrüßung zu Recht? Europa erlebt augenblickliche schwierige Zeiten. Hier im Zirkus begegnen sich Menschen aus den verschiedensten Ländern friedlich und offen zu einem Grenzen überschneidenden Miteinander. Aber nicht nur das, auch wer mit traditionellen Vorstellungen vom Zirkus in die Vorstellung kam, musste sich umgewöhnen. Statt des livrierten Zirkusdirektors mit schmierig zurückgegeltem Haar unter dem angestaubten Zylinder, führte die multikulturell aufgstellte Natscha Berg durch das Programm. Die junge Schauspielerin mit spanisch/deutschen Wurzeln, moderierte sympathisch, locker und überbrückte auch längere Umbaupausen unterhaltsam.
Und dann startete das Feuerwerk der Varieté Nummern von denen wirklich jede Highlights hatte, die selbst passionierte Zirkusfans aus der Reserve lockten. Man möchte nicht in der Haut der Jury sitzen, die unter diesen hochkarätigen Nummern die beste auswählen muss. Unglaublich zum Beispiel die Show der 19-jährigen Alena aus Russland. Die im Programm mit dem schlichten Wort „Handstand“ angekündigte Nummer, entpuppte sich als Equilibristik mit Hula-Hoop Reifen, die sich zu einem ästhetisch- poetischen Gesamtkunstwerk entwickelte, das alle Gesetze der Schwerkraft für ungültig erklären ließ. Adjektive wie fließend, geschmeidig und biegsam beschreiben nur unzureichend, wie die Artistin ihren Körper bewegen kann.
Vieles was sich im Programm als „altbekanntes“ liest, wird von den jungen Artisten neu interpretiert. Fantastisch zum Beispiel die Schlappseilnummer von Evgeny Slepukhin. Wer kennt nicht das Fadenspiel aus der Kindheit, bei dem man sich auf immer wieder neue Arten den Faden aus den fremden in die eigenen fädelt? Der 22-jährige Russe spannte sich mit Armen und Beinen in vier Seile und krönte die Figuren mit Drehnungen in den Fäden, um die eigene Achse.
Der 16-jährige Kalle aus Finnland ist ein artistisches Multitalent. In diesem Jahr überzeugte er mit einer für Männer erstaunlichen Körperkunst-Nummer. Der gelenklos scheinende junge Mann, ließ so manchen Zuschauer den Atemanhalten.
Aber auch alle anderen Akrobaten sorgten für allerbeste Unterhaltung, Staunen und tosenden Applaus. Ganz gleich ob die mitreißende Trampolin Show der High 5, die unglaublichen Balanceakte des Deutschen Tobias Baesch oder seiner Kollegin Emma am vertikal Rope, die Begeisterung des Publikums war jederzeit spürbar. Zum Schluss überzeugte die litauische Springseilgruppe de Sakiai Circus School. Mit dem Charme einer Kelly Family, zeigten die rund ein Dutzend Jungen und Mädchen zwischen 15 und 20 Jahren, wie man in mannigfacher Weise über, unter und zwischen Seilen hindurch springen kann (wenn man es kann).
Da bekommt man Lust auf mehr! Vor allem, wenn man an die Präsentation unseres Oberbürgermeisters Sven Gerich, am Sonntag, 2. Oktober im und zur Zukunft des Walhalla Theaters denkt. Hier gibt es einen den Vorschlag, die deutschlandweit agierende GOP Gruppe mit einem Varieté Theater im Walhalla unterzubringen. Eine interessante Idee zur Belebung der Wiesbadener Innenstadt, beim gleichzeitigen Erhalt eines geschichtsträchtigen Ortes, der zwischenzeitlich zu vergammeln drohte.
Übrigens, viele Gewinner der vergangenen Jahre treten heute in den deutschlandweit etablierten Häusern der GOP auf. Dann wäre ein Erlebnis wie der viertägige European Youth Circus für alle Wiesbaden zugänglich. Von der Anziehungskraft, über die Grenzen Wiesbadens hinaus ganz zu schweigen.
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Fotos: Daniel Becker