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Die hessische Landeshauptstadt plant aufgrund der schlechten Finanzlage und nicht ausgeglichener Haushalte die Erhöhung der Gewerbesteuer. Nun äußert sich der Wiesbadener Industriebeirat zu der möglichen Maßnahme.
Vor dem Hintergrund der Berichterstattung hinsichtlich Überlegungen, die Gewerbesteuer zu erhöhen, kritisieren die Unternehmen des Wiesbadener Industriebeirates eine mögliche finanzielle Mehrbelastung der in der Landeshauptstadt angesiedelten Unternehmen und warnen vor massiven Nachteilen für den Wirtschaftsstandort der Landeshauptstadt.
Laut Medieninformationen sei als Reaktion auf notwendige Einsparungen bei den Haushaltsverhandlungen eine Anhebung der Gewerbesteuer geplant. Der Hebesatz der Landeshauptstadt als Grundlage für die Berechnung der Gewerbesteuer liegt bislang bei 454 Prozent. Die Stadt steht damit im Bezirk der IHK Wiesbaden Rheingau-Taunus an zweiter Stelle nach Aarbergen. Im Vergleich mit anderen Großstädten im Rhein-Main-Gebiet ist Wiesbaden bislang gleichauf mit Darmstadt. Nur Frankfurt liegt bislang mit 460 Prozent knapp vor den beiden Städten. Auf der anderen Rheinseite in Mainz wurde 2022 im Zuge der gestiegenen Steuereinnahmen durch BioNTech der Hebesatz auf 310 Prozent reduziert.
Vor diesem Hintergrund ist Wiesbaden deshalb bereits jetzt im regionalen Vergleich weniger attraktiv für Neugründungen bzw. -ansiedlungen als andere Städte im Rhein-Main-Gebiet. Dieser Standortnachteil für Wiesbaden würde sich weiter verschärfen, wenn sich mit der Erhöhung der Gewerbesteuer auch bereits ansässige Unternehmen aus Kostengründen dazu entschließen, Wiesbaden zu verlassen oder Arbeitsplätze abzubauen.
In Wiesbaden sind in der Mehrheit kleine und mittelständische, meist Inhabergeführte Industrieunternehmen angesiedelt. Darüber hinaus gibt es in der Landeshauptstadt aber auch einige große namhafte Unternehmen, die in nationalen oder internationalen Konzernstrukturen geführt werden. Insbesondere bei diesen müssen sich die einzelnen Standorte im konzerninternen Wettbewerb behaupten, wie dies beispielsweise bei Essity Operations Kostheim mit über 500 Beschäftigten in Wiesbaden der Fall ist.
Bei Investitionsentscheidungen der Konzernzentralen in Standorte spielen unter anderem gesetzliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit eine Rolle - dazu gehört auch die Höhe der zu entrichtenden Gewerbesteuer.
„Vitronic hat neben einem Ausbau im globalen Konzern auch konstant am Standort Wiesbaden investiert unter anderem mit einem Mitarbeiterzuwachs von 15 Prozent in den letzten drei Jahren. Wir erwarten daher eine zukunftsgerichtete und berechenbare Standortpolitik. Zuverlässige gesetzliche Rahmenbedingungen und effiziente Verwaltungsprozesse bilden die Grundlage für unternehmerische Entscheidungen in Bezug auf Standortfragen in einem konzerninternen, globalen Wettbewerb. Gerade die Kostensteigerungen durch die Inflation sowie das sehr volatile Wirtschaftsumfeld erfordern eine beständige Überprüfung von standortbezogenen Entscheidungen. Wir setzen daher auf die Einhaltung der gemachten Zusagen, insbesondere in Bezug auf die Beibehaltung des Hebesatzes für den Industriestandort Wiesbaden“, sagt Geschäftsführer Daniel Scholz-Stein, dessen Unternehmen in Wiesbaden über 800 Mitarbeitende beschäftigt.
Eine andere Kausalität bringt Manuel Fischer-Bothof, Geschäftsführer der A+E Fischer-Chemie GmbH, vor: „Wir als mittelständisches Familienunternehmen sind unter anderem maßgeblich von den Investitionsentscheidungen unserer Kunden in Wiesbaden abhängig. Diese Investitionsentscheidungen werden ebenso maßgeblich von der Verlässlichkeit politischer Entscheidungen beeinflusst. Eine nun in die Diskussion geratene Erhöhung der Gewerbesteuer - trotz vorheriger Absage - beschädigt dieses Vertrauen auf Verlässlichkeit", betont Fischer-Bothof.
„Ganz unabhängig davon, dass wir direkt von der Erhöhung einer Gewerbesteuer betroffen wären, sind wir - im Gegensatz zu unseren Kunden, die über viele Standorte in Deutschland verfügen - aus rein technischen Gründen nicht in der Lage den Standort zu wechseln, um den Kunden zu folgen, wenn diese ihren Standort in Wiesbaden aufgeben. Das bedeutet für das Unternehmen vor Ort im Zweifelsfall Umsatz- und Kundenverlust", sagt abschließend der Geschäftsführer Fischer-Chemie.
Die Unternehmen sind derzeit vor mannigfaltige Herausforderungen gestellt: Fachkräftemangel, gestiegene Energiekosten, Inflation, die Herausforderungen durch Energiewende und digitale Transformation müssen bewältigt werden. „Eine Erhöhung der Gewerbesteuer im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld käme zur Unzeit. Jeder zusätzliche Euro für die Stadt Wiesbaden über diese Maßnahme bedeutet ein Euro weniger für die Unternehmen. Dieser Euro fehlt 1:1 zur Zukunftssicherung des Standortes Wiesbaden und der Arbeitsplätze in den betroffenen Unternehmen. Im Wettbewerb mit anderen Städten fällt Wiesbaden damit weiter zurück“, sagt Philipp Eckelmann, Vorstandsvorsitzender der Eckelmann AG und Arbeitgeber von rund 280 Beschäftigten.
Das gilt auch für die kleinen Unternehmen wie SK Laser: „Der Preisdruck auf Unternehmen ist sehr hoch und die Kosten steigen immer weiter. Man kann Geld nur einmal ausgeben“, schließt sich Geschäftsführerin Dina Reit an.
Eine Gewerbesteuererhöhung in der aktuellen Situation ist daher ein negatives Signal für den Industriestandort Wiesbaden: Mit rund 17.000 Mitarbeitenden und einem zweistelligen Milliardenumsatz tragen allein die Industrieunternehmen des Industriebeirats einen signifikanten Teil zum Wohlstand der Landeshauptstadt bei. Sie sichern als Auftraggeber auch indirekt weitere Arbeitsplätze in benachbarten Bereichen wie dem Handwerk oder bei Dienstleistern.
Ein möglicher Wegzug von Unternehmen oder Abbau von Arbeitsplätzen trifft die Stadt finanziell nicht nur durch Wegfall der Gewerbesteuer, sondern hat weiterreichende Konsequenzen. Darüber hinaus dürfte sich der ein oder andere Investor für einen Standort mit besseren Rahmenbedingungen entscheiden.
Die gewerkschaftlichen Vertreter im Industriebeirat, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), verstehen die Bedenken aus der Wirtschaft bezüglich des Standortvergleichs in Sachen Gewerbesteuern. Sie regen aber an, das Thema ausgewogen zu diskutieren. „Weder dürfen Arbeitsplätze in der Industrie gefährdet, noch die soziale Verantwortung der Stadt ausgeblendet werden“, sagt Ralf Erkens, Geschäftsführer IG BCE Rhein-Main.
Es stelle sich zudem die Frage, in welchem Umfang auch die Industrie im Zuge einer Gewinnbesteuerung Verantwortung für die Stadt übernehmen könne, so Sascha Schmidt, Vorsitzender des DGB Wiesbaden-Rheingau-Taunus. „Schließlich wird nicht nur das soziale Netz Wiesbadens durch die drohenden Kürzungen im Sozialetat brüchig. Auch hier geht es um zahlreiche Arbeitsplätze, die die Träger der sozialen Arbeit zukünftig streichen müssten“, so Schmidt weiter.
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