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CityBahn stadtauf, stadtab. Seit drei Jahren warten die Wiesbadenerinnen und Wiesbadener auf einen Bürgerentscheid. Um darüber abzustimmen, ob sie eine CityBahn wollen oder nicht.
Die Trasse wird sich rund 12 Kilometer durch Wiesbaden auf einem eigenen Gleisbett ziehen und zum Teil bis zu sieben Meter breit sein. 19 Haltestellen sind derzeit geplant.
Dies bedeutet für eine ohnehin enge Innenstadt und unter dauerhaften Entfall von mindestens zwei Fahrspuren, verstopfte Straßen und mehr Stau. Der Verkehr wird sich dann auf angrenzende Fahrwege verlagern, denn die Mitnutzung des Gleisbettes von Fahrrädern, Bussen, Taxen sowie Autos ist nicht möglich.
Viele Wiesbadener als auch Einpendler wollen und werden nicht auf ihr Auto verzichten. So wie Stefan Ziegler: „Ich werde nicht die Straßenbahn nutzen um auf meine Arbeitsstelle von Bierstadt im Bereich des Europaviertels zu kommen“. Auch Patrick Mauer will weiter sein Auto nutzen, „es ist zu umständlich von Medenbach mit dem ÖPVN nach Biebrich zu fahren. Ich bin kein Freund der CityBahn.“
Das zeigt auch eine Analyse des städtischen Statistikamtes aus diesem Jahr, die das Mobilitätsverhalten in der hessischen Landeshauptstadt untersuchte. Das Ergebnis eindeutig, Wiesbaden bleibt eine Stadt der Autofahrer. Hauptanteil ist der Freizeitverkehr.
Die Analyse zeigt, dass Auto ist das meistgenutzte Verkehrsmittel: 49 % aller Wege werden damit zurückgelegt. 28 % zu Fuß, 17 % mit Bus oder Bahn und sieben Prozent mit dem Fahrrad. 80 % der Haushalte verfügen über ein oder sogar zwei Autos, aber nur 66 % über ein Fahrrad oder E-Bike. Mehr als 2.000 Wiesbadener haben für die Studie ihr Mobilitätsverhalten offengelegt.
Die Baumaßnahmen für die bislang geplante Gleis-Trasse von Klarenthal über Biebrich bis nach Kastel erfordern auf der Wiesbadener Seite eine Bauzeit von mindestens drei Jahren mit umfangreichen Untergrundleitungs- sowie Umlegearbeiten. Das bedeutet für diese Zeit erhebliche Verkehrsbehinderungen.
Die Gleise können nur von Fußgängern nur an dafür vorgegebenen Punkten überquert werden.
In den vergangenen rund drei Jahren sind bereits weit über drei Million Euro in die Kommunikation / PR- und Agenturleistung zur CityBahn sowie Mobilitätsleitbild (MLB) geflossen. Für letzteres MLB alleine eine halbe Million.
Das sogenannte Mobilitätsleitbild sollte ursprünglich als ergebnisoffene Gesamtbetrachtung unter Einbindung und direkter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entwickelt werden. Diese Punkt sehen Mitglieder von der Initiative “Mitbestimmung Citybahn“ sehr kritisch, der mit einer Unterschriften-Aktion den Bürgerentscheid am 1. November erst möglich machte. „Der Entwicklungsprozess wurde zu einer reinen Agenturleistung zur Citybahn, in dem eine bekanntermaßen ständig für die CityBahn tätige Werbeagentur die Regie erhielt. Diese bestimmten eine willkürliche Auswahl an Teilnehmern - als Interessengruppen und Unternehmen - sowie einen wissenschaftlichen Beirat. Hinzu kommt, dass weitere CityBahn-Auftragnehmer wie Planungsbüros, Gutachter etc. mit einer entscheidenden fachlichen Funktion beauftragt wurden, die keine Unabhängigkeit zu den Initiatoren haben. Damit ist kein neutrales Mobilitätsleitbild möglich“.
Bei der Vermarktung öffentlicher Projekte tragen die Steuerzahler diese Kosten. Das bedeutet, die Millionen für Kommunikation wurden über die Bürger bereits bezahlt.
Kritikpunkte und Vorschläge von den wenigen echten Bürgervertretern blieben fast ausnahmslos ungehört bzw. wurden nicht von den Politiken und den Verantwortlichen der CityBahn GmbH weiterverfolgt. Vor allem aber gab es am Ende in der letzten gemeinsamen Veranstaltung für das Mobilitätsleitbild unter den verbliebenen Teilnehmern keine demokratische Abstimmung über die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse, so die Bürgerinitiative weiter.
Das Mobilitätsleitbild ist aus einem weiteren Grund zu einer Farce verkommen findet Andreas Bausinger, Mitglied der Bürgerinitiative: „Die allermeisten Inhaltspunkte sind überhaupt nicht neu erarbeitet worden, sondern bereits Gegenstand des Green City Masterplans oder der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Wiesbaden gewesen, also schon zuvor teils verbindlich festgelegt worden.“
Dass von den Befürwortern des Straßenbahn-Projekts angepriesene Credo, die CityBahn sei doch das Massentransportmittel schlechthin und die einzige Rettung vor dem Wiesbadener Verkehrskollaps, ist spätestens mit Corona als Argument massiv ins Wanken geraten. Im ÖPNV des Rhein-Main-Gebiets misst man aktuell noch eine Auslastung von circa 65 % gegenüber der Vor-Coronazeit. Ob und wann die Auslastung wieder den alten Stand erreicht oder diesen sogar übertrifft und inwieweit es für Nutzer überhaupt noch attraktiv erscheint, in ein Massentransportmittel zu steigen, wird man erst in ein paar Jahren wissen.
Aktuell hat sich Home-Office und Flexibilität im Job etabliert. Büros stehen leer und werden so wie es aussieht nicht mehr genutzt. Das Arbeiten wird sich grundlegend verändern. Was Auswirkungen auf den Verkehr der Pendler haben wird.
Ob die CityBahn das optimale zukunftsorientierte Verkehrsmittel für Wiesbaden lässt schon alleine daran zweifeln, dass sich das Stadtbild stark verändern wird. Nicht nur das viele Bäume u.a. auf der Biebricher Allee und der Klarenthaler Straße dafür gefällt werden müssen, auch die zahlreichen Oberleitungen vor denkmalgeschützten Häusern bzw. an großen, neu aufzustellenden Masten werden Wiesbaden grundlegend verändern und prägen.
Ein weiterer Punkt ist, dass Straßen, Busspuren, Busse und Pkws flexibel nutzbar sind. Das ist gerade für Wiesbaden mit seinem meist engen Straßennetz und der gewachsenen Infrastruktur über Jahrzehnte entscheidend. Ein Bus kann meist um ein Hindernis (Unfall, Panne, Baustelle, Notfall etc.) herumfahren, während die CityBahn in solchen Fällen auf ihrem Gleis selbst zum Hindernis wird. Gerade aktuell zeigt sich, dass es hilfreich ist, auf Verkehrssituationen unterschiedlich reagieren zu können. Derzeit sieht man trotz zusätzlichen Baustellen- und Corona-Verkehrs, wie wichtig es ist flexibel und anpassungsfähig zu bleiben.
Falls sich herausstellt, dass die CityBahn weder den geplanten Effekt bietet noch wie geplant angenommen wird, kann die Gleis-Trasse nicht einfach zurückgebaut werden. Dieser Aufwand wäre viel zu umfangreich und Hunderte Million Euro teuer, weist die Bürgerinitiative hin.
Der Bau der umstrittenen CityBahn wird offenbar erheblich teurer. Bisher waren von Baukosten in Höhe von rund 305 Millionen Euro die Rede. Nach einer neuen Kostenschätzung der CityBahn GmbH, werden die reinen Baukosten für die Strecke Mainz-Wiesbaden-Bad Schwalbach rund 426 Millionen Euro betragen. Dies wären 121 Millionen Euro mehr, als es die erste Kostenschätzung 2016 gab.
Wenn die Bahn gebaut werden sollte, Fertigstellung frühestens im Jahr 2025/2026, dann sind die Kosten für die Bauarbeiten und die Fahrzeuge durchaus andere. Nach Erfahrungen und vergleichbaren Projekten steigt die Summe schnell um 35 bis 40%, aufgrund von neuen Planungen und Veränderungen schätzt die Initiative.
Dazu kommen noch die Kosten für die Fahrzeuge der CityBahn und die Planungs-/Nebenkosten. Diese müssten die drei Kommunen und damit die Gesellschafter der CityBahn GmbH größtenteils selbst bezahlen.
Damit liegen die Gesamtkosten bei aktuell rund 630 Million Euro. Diese Steuermittel könnten auf einen Bruchteil reduziert werden, wenn man statt in eine Straßenbahn viele Millionen Jahr für Jahr in die Modernisierung und Verbesserung der Busflotte und Busspuren investiert, argumentieren die Bahn-Gegner. Jeder Förder-Euro ist ein Steuer-Euro, egal ob von Bund, Land oder aus Wiesbaden. „Da die CityBahn nicht notwendig ist, wäre es um jeden Förder- und Steuer-Euro schade, der dann an anderer Stelle fehlt“, so Bausinger.
Geplante Kosten:
Auch im Hinblick auf die Umwelt steht die CityBahn nicht so gut da, wie argumentiert wird. Nicht nur der ökologische Fußabdruck für Großbaustellen, Staus und Baustellen, auch der Energiebedarf einer 70 Tonnen Bahn (Leergewicht), geplant sind Doppelzüge mit einer Länge von 70 Metern, ist recht hoch. Der Strom dazu muss erst einmal erzeugt werden, z.B. durch Kohlestrom. Die Gesamt-CO2-Bilanz wird also u.a. abhängig sein von der Gewinnung der Elektrizität. Da in Deutschland zusätzlich zu den Windrädern noch viele Jahre Gas-Kraftwerke zur Stromerzeugung einsetzt werden müssen, fallen weiterhin CO2-Emissionen an.
Die Entscheidung für oder gegen die CityBahn wird den öffentlichen Nahverkehr, die Finanzen und das Stadtbild von Wiesbaden für viele Jahrzehnte prägen.
Am Sonntag, 1. November, können die Wiesbadenerinnen und Wiesbaden in dem Bürgerentscheid über den Bau der CityBahn mitbestimmen.
Die Wahlunterlagen wurden bereits allen Stimmberechtigten zugeschickt. Die Briefwahl (Unterlagen dazu können aktuell angefordert werden unter buergerserviceportal.de) zum Bürgerentscheid läuft bereits und es wird empfohlen, dieses Angebot zu nutzen. Ebenfalls ist es möglich seine Stimme in den Abstimmungbüros in der Innenstadt und in den Ortsverwaltungen abzugeben.
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Foto: CityBahn GmbH