ANZEIGE
Frankfurt hat in den letzten Jahren ein neues Stadtviertel auf dem Reißbrett entstehen lassen. Seit 2017 wird es nach und nach bezogen und erntet von allen Seiten Kritik. Nicht nur die monotone Gestaltung, sondern auch der geringe Anteil von gefördertem Wohnraum erregt die Gemüter der Kritiker. Vorteil in Frankfurt, das neue Europaviertel entstand auf Flächen, die bereits zuvor von der Deutschen Bahn und der Messe genutzt wurden und somit auch davor bereits versiegelt war.
Anders sieht es bei Wiesbadens Stadtentwicklungsprojekt, dem Ostfeld aus. An dieser Stelle soll Ackerland, das von Bauern bewirtschaftet wird und zudem als Kaltluftschneise für die Innenstadt dient, in versiegelte Wohnfläche umgewandelt werden. An dieser Stelle setzt die Kritik der Aktionsgemeinschaft „Hände weg von Os / Ka“ an, die sich eine Nutzung in der zurzeit favorisierten Art nicht vorstellen mag.
„Natürlich haben wir Wohnungsbedarf in Wiesbaden, in Rhein-Main und in ganz Deutschland. Wir haben aber auch alle das Recht auf akzeptable Lebensbedingungen. Und um das unter einen Hut zu bekommen, braucht es den entsprechenden Willen der Verantwortlichen, Fantasie und kreative Gestaltungskraft – und deren Bereitschaft, sich mit den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere vor Ort, zu verständigen, deren Auffassungen ernst zu nehmen!“ erklärt Dr. Gottfried Schmidt von der Aktionsgemeinschaft „Hände weg von Os/Ka“, der ehemalige Ortsvorsteher von Kastel setzt sich intensiv mit dem Thema auseinander.
Die Mitglieder der Aktionsgemeinschaft betrachten das Vorgehen der Stadt nüchtern und wundern sich nicht, dass sich die Projektleitung Ostfeld für die Realisierung des Vorhabens rund um das Fort Biehler auf über 65 ha Ackerfläche einen neuen Stadtteil zu bauen ausspricht. Wer beißt schon die Hand, die einen füttert? „Aber wie geschieht das“, fragt Schmidt, „wie gehen die politisch Verantwortlichen dabei vor? Immer mehr Fakten zum Projekt kommen auf den Tisch. Nach außen wird der Eindruck erweckt, die Projektidee Ostfeld/Kalkofen sei innerhalb der zuständigen Gremien vollständig geprüft und für gut befunden worden!“ Und das alles, bevor die Gutachten den politischen Entscheidungsgremien oder den Betroffenen vorgelegt worden seien.
Von den ursprünglich drei Varianten ist – vor der abschließenden Prüfung – nur noch eine gültig. Die Schlussfolgerung der HGON (Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz): Wenn schon vor der Prüfung der Sachlage und der Würdigung der Gutachten die beiden anderen Szenarien grundsätzlich nicht in Betracht kämen, bleibe das ausgewählte Szenario als einziges übrig, zu dem es keine wirkliche Alternative gebe. Man müsse sich fragen: Waren das nur Scheinalternativen, behördliches Spielmaterial? Eine solche Vorgehensweise erinnert an die Vergabe der RMCC Catering-Konzession, bei der das Anforderungsprofil ebenfalls so lange angepasst wurde, bis nur noch Kufler als Betreiber in Frage kam.
„Auch uns liegt die Stellungnahme der HGON vor. Das ist alles andere als eine stur umweltschützende Kampfschrift. Sehr dezidiert und klug wird die Situation, insbesondere der Wohnungsbedarf und konkrete Wohnbauvorhaben in Wiesbaden, beleuchtet: Es sind laut HGON mindestens 7.962 Wohneinheiten in Planung/Realisierung. Ohne das Ostfeld, wo rund 4.700 Wohneinheiten entstehen sollen.“
Es stellt sich die Frage, wohin Wiesbaden noch wachsen soll?
Das Projekt Ostfeld beinhalte eine Masse an schwerwiegenden und kontroversen Entscheidungspunkten wie Klima, Landwirtschaft, Naturschutz, Verkehr sowie Zu- und Abwasser. „Wenn die Verantwortlichen im Rathaus sich stattdessen auf Konversionsflächen wie AFEX und Kastel Housing fokussieren würden, könnte das Ostfeld weiter das leisten, was es heute leistet: Kaltluft entstehen lassen und für die Bauern Arbeit und die Region Nahrung produzieren“, erklärt Schmidt abschließend.
Sind Sie auf Facebook? Dann werden Sie Fan von Wiesbadenaktuell.de