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Personen mit Migrationshintergrund stellen rund ein Drittel der Wiesbadener Bevölkerung. Bei den freiwillig Engagierten hatten sie 2009 einen Anteil von 23 Prozent, während es bei den Deutschen in Wiesbaden 38 Prozent waren. Die Engagementbereitschaft und das -potenzial ist bei der Migrantenbevölkerung als ähnlich hoch einzuschätzen wie bei der deutschen Bevölkerung.
Ergänzend zu der vorliegenden repräsentativen Untersuchung zum Bürgerengagement in Wiesbaden aus dem Jahr 2009 hat das städtische Amt für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik deshalb eine qualitativ orientierte und vertiefende Studie zum Bürgerengagement von Migranten durchgeführt. Dabei wurden durch Gruppengespräche mit Migranten und durch ergänzende Expertengespräche insbesondere die Hürden, Hindernisse und Barrieren im Zugang von Migranten zu Engagementaktivitäten im interkulturellen Austausch ermittelt. Ihr Verständnis von Bürgerengagement und „Ehrenamt“, ihre Informationsquellen und Informationsdefizite, die Gründe und Motive ihres Engagements, ihre bisherigen Erfahrungen sowie Einstellungen zum freiwilligen Engagement, die Zusammenhänge zwischen Bürgerengagement und Integrationschancen sowie günstige Rahmenbedingungen und Voraussetzungen waren ebenfalls Gegenstand der Untersuchung.
Bildungs- und Kulturvereins, mit einer Gruppe von Migranten in Biebrich und einer Gruppe der Wiesbadener Integrationsassistentinnen. Mit den Mitarbeitern und Experten der Integrations- und Engagementförderung vom Bauhof und dem Nachbarschaftshaus in Biebrich, von KUBIS im Westend und von XENIA im Bergkirchenviertel wurden ebenfalls ausführliche Erörterungen durchgeführt. Einbezogen waren auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Integrationsabteilung im Amt für Zuwanderung und Integration, des Caritas-Verbands, die Kommunale Frauenbeauftragte und Prof. Dr. Michael May von der Hochschule Rhein-Main, dem Leiter des Forschungsprojekts AMIQUS im Westend und in Biebrich.
In zum Teil überaus spannenden Gruppengesprächen wurden Unterschiede im Verständnis von Ehrenamt und Bürgerengagement ermittelt, wobei erhebliche Unterschiede zwischen Personen der ersten und zweiten oder dritten Migrantengeneration erfasst werden konnten, teilweise auch starke Differenzierungen nach Nationalitäten. Die befragten Migranten berichteten auch ausführlich über ihre Zugänge zum Bürgerengagement, über ihre bisherigen Erfahrungen und ihre Einstellungen zum freiwilligen Engagement. Fast durchgängig positiv gesehen wurden die klaren Zusammenhänge zwischen Engagementaktivitäten und den Integrationschancen.
Bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Aktivitäten sind auch nach den Selbsteinschätzungen der befragten Migranten als geeigneter Indikator zu betrachten, aber auch als Motor der Integration. Wer sich freiwillig engagiert und damit an der Gesellschaft partizipiert, übernimmt in sozialen Zusammenhängen wie Familie, Verwandtschaft und Nachbarschaft wie auch im lokalen Gemeinwesen, in Vereinen und Verbänden sowie in sozialen und kulturellen Projekten in vielfältiger Weise Verantwortung und erhält dadurch zugleich weitere Möglichkeiten der eigenen Persönlichkeitsentwicklung, aber auch zusätzliche Partizipations- und Integrationschancen.
Auf der reichhaltigen Informationsgrundlage der Gruppen- und Expertengespräche haben die Stadtforscher in 180 Einzelpunkten vielfältige Handlungsvorschläge und Empfehlungen für die weitere Engagement- und Integrationsförderung formuliert. Ganz wichtig für Migranten ist der Abbau von Informationsdefiziten und mehr Transparenz über die Engagementmöglichkeiten, aber auch die Erleichterung von Zugängen zum Bürgerengagement. Wichtig ist aus ihrer Sicht auch, durch Engagementaktivitäten Möglichkeiten zu erhalten, sprachliche und soziale Kompetenzen zu verbessern. Von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten erhoffen sie sich zudem auch Wege für verbesserte Erwerbs- und Berufschancen.
Viele Handlungsvorschläge beziehen sich darüber hinaus auf Möglichkeiten, Engagementpotenziale bei Migranten zu aktivieren, aber auch auf die verstärkte Förderung des interkulturellen Austauschs. Zahlreiche Handlungsvorschläge beziehen sich auf die Verbesserungen der Rahmenbedingungen vor Ort und auf die notwendige Unterstützung sowie fachliche Begleitung. Die Förderung und Verbesserung der Anerkennungskultur für freiwilliges Engagement und Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung und Förderung gehören ebenfalls zum umfangreichen Kanon der Handlungsvorschläge.
Zur weiteren Aktivierung von Engagementpotenzialen gehört auch, den Informationsaustausch und die interkulturelle Kommunikation zu verstärken. Die Untersuchungsergebnisse und Empfehlungen sollen daher in einem breiten Rahmen diskutiert werden, um den Zielen der Engagement- und Integrationsförderung eine wirkungsvolle Unterstützung zu verschaffen und die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zu verbessern. Politik und Verwaltung (Magistrat, Fachausschüsse der Stadtverordnetenversammlung, relevante Ämter und Dezernate) sollen dabei ebenso einbezogen werden wie etwa der Ausländerbeirat, der „Runde Tisch Bürgerengagement“ und die zahlreichen Träger der Engagement- und Integrationsarbeit in Wiesbaden.