ANZEIGE
Der Hessische Rundfunk berichtete vor kurzem das die Verwaltung für den Besucherdienst des hessischen Landtags eine Altersgrenze beschlossen hat. Danach dürfen Gästeführer, die das 70. Lebensjahr überschritten haben, keine Führungen mehr anbieten. Dieses Vorgehen kritisiert der Seniorenbeirat. Mit dieser Entscheidung schiebt die Landtagsverwaltung einen Großteil der nicht mehr im Erwerbsleben stehenden Bevölkerung ins Abseits und verzichtet zugleich auf den reichen Erfahrungsschatz der älteren Bürgerinnen und Bürger. Der Seniorenbeirat sieht darin einen schweren Affront gegenüber allen Seniorinnen und Senioren und einen eklatanten Fall von Altersdiskriminierung.
Einerseits appellieren Politiker unter dem Zeichen des demographischen Wandels an die ältere Generation, sich am gesellschaftlichen Leben aktiv zu beteiligen, Aufgaben und Verpflichtungen zu übernehmen sowie sich engagiert in Ehrenämter einzubringen. Seniorinnen und Senioren werden für ihr Engagement bei feierlichen Veranstaltungen gebührend gewürdigt. Andererseits tritt eine befremdlich wirkende Regelung zur Altersbegrenzung der Gästeführer in Kraft. Hier zeigt sich, dass die Verwaltungspraxis weit davon entfernt ist, die offiziellen Ankündigungen und verheißungsvollen Absichtserklärungen zu beherzigen. Damit stehen die Reden mit den Taten in auffälligem Widerspruch. Zudem handelt es sich um einen krassen Anachronismus.
Vorsitzender des Senoirenbeirats Gert Dr. Brauer gibt zu Bedenken, dass niemand auf den verwegenen Gedanken käme, die verantwortliche Wahrnehmung des hohen Amtes des Bundespräsidenten durch Joachim Gauck – 72 Jahre alt – in Zweifel zu ziehen, wird für Gästeführer eine Altersbeschränkung durch die hessische Landtagsverwaltung eingeführt! "Eine groteske, ja unwürdige Vorgehensweise! Es sei daran erinnert, dass vor 63 Jahren Konrad Adenauer im Alter von 73 Jahren zum Bundeskanzler, Gustav Heinemann 1969 im Alter von 70 Jahren zum Bundespräsidenten gewählt wurde", fügte Dr. Brauer an.
Wegen des fortgeschrittenen Alters gab es seinerzeit keinerlei Bedenken. Und heute? Dem Zeitgeist nach werden Vorstellungen von starren Altersgrenzen nicht gelten gelassen. Über den freiwilligen Einsatz des Einzelnen im Interesse des Gemeinwohls dürfte nur ein Maßstab angelegt werden: Nicht ein bestimmtes Lebensjahr entscheidet über die Ausübung politischer und gesellschaftlicher Tätigkeiten, sondern einzig und allein das individuell unterschiedliche Leistungsvermögen eines Menschen, gemessen an der mentalen und physischen Konstitution.
"Worte und Taten der für das Gemeinwesen Verantwortlichen sollten miteinander in Einklang stehen. Deswegen muss die abwegige Verfahrensweise umgehend in der Versenkung verschwinden. Nicht zuletzt liegt hier ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Politik", merkte Dr. Brauer an.
Symbolbild