ANZEIGE
Im Rahmen der Themenreihe "Bildung schafft Zukunft" hatte das städtische Bildungsbüro für Donnerstag, 9. Dezember, eingeladen, um sich mit der Bildung von und mit Jungen auseinander zu setzen. Mit Interesse verfolgten die insgesamt knapp 40 Teilnehmenden über die Videoplattform Zoom die beiden Impulsvorträge.
Zum Einstieg stellte Theresa Nagy vom Bildungsbüro auf Grundlage des städtischen Bildungsmonitorings die Wiesbadener Situation dar: Demnach schneiden Mädchen und Jungen an Wiesbadener Schulen unterschiedlich gut ab, was sich insbesondere an den Zahlen zu den Schulentlassenen 2020 zeigt. Tendenziell verlassen mehr Jungen ohne oder mit einem niedrigen Bildungsabschluss die Schule. Die Schulentlassenen, die die Sekundarstufe I ohne Abschluss verlassen, sind zu 75 Prozent männlich und auch bei denjenigen mit Haupt- und Förderschulabschluss besteht die Mehrheit aus Jungen. Im Gegensatz dazu erreichen mehr Mädchen das Abitur. Mit diesen und weiteren Daten stützte sie die These von Jungen als "problematische Gruppe" in pädagogischen Institutionen, allen voran in Schulen.
Derart aufs Thema eingestimmt zeichnete Professor Dr. Jürgen Budde von der Europa-Universität Flensburg facettenreich mögliche Ursachen für die bestehenden Geschlechterungleichheiten nach. Beginnend mit einem Exkurs in die Geschlechtertheorie, kam er auf die pädagogische Perspektive zu sprechen und betonte die kulturelle Bedeutung der Kategorie "Geschlecht", die eben kein bloßes biologisches Kriterium sei, sondern auch eine soziale Konstruktion und damit gesellschaftlichen Deutungen und Normierungen unterworfen sei.
Für die Schule sei das Geschlecht – zum Beispiel neben dem sonderpädagogischem Förderbedarf – nur eines von mehreren Differenzierungskriterien. Dass Jungen als eigene Gruppe sehr wohl besondere Ansprache benötigen, um ihr kognitives und kreatives Potential auszuschöpfen, beweise ein Blick in die Ergebnisse der PISA-Studie: Jungen dominieren hier gleichzeitig in der Spitzen- und in den Risikogruppen, während sich die Mädchen tendenziell in der Mitte wiederfinden.
Allerdings sei seit 2006 eine Angleichung der Ergebnisse für die beiden Geschlechter zu beobachten. Überlagert werde diese Nivellierung nun aber von der Entwicklung, dass sich die "Milieuschere" weiter öffne, das heißt es ist ein tendenziell schlechteres Abscheiden aufgrund der sozialen Herkunft zu beobachten. Allerdings seien hier Jungen wiederum stärker betroffen als Mädchen mit den entsprechenden Merkmalen.
Zusammenfassend konnte Budde nun festhalten, dass die Diskussion über Jungen im Bildungssystem mit stark defizitorientiertem Blick geführt werde und Jungen in eine passive Rolle dränge. Die in Medien und im Alltag häufig vorzufindende Beschreibung als "Bildungsverlierer" ließe Jungen schließlich nicht kalt und könne sich negativ auf deren Selbstbild und Motivation auswirken. Beides wiederum stelle einen wichtigen Faktor für den schulischen Erfolg dar. Denn für gelingende Bildungsbiographien von Jungen wäre es wichtig, eine Kultur der Anerkennung der (geschlechter-)spezifischen Bedürfnisse beim Lernen sowie in der sozialen Interaktion an Schulen zu schaffen.
Die Themenreihe "Bildung schafft Zukunft" ist als Plattform für Fragestellungen aus dem Bildungsbereich zu verstehen und richtet sich an die Akteur:innen der Wiesbadener Bildungslandschaft sowie an alle an Bildung Interessierten. Die Vorträge sind kostenfrei. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.wiesbaden.de/bildung-schafft-zukunft
P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie Fan von Wiesbadenaktuell.de und folgen Sie uns auch auf Instagram!
Symbolfoto: NeiFo / Pixabay