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Die Wurzeln des Kostümfestes kommen aus einer Zeit, in der man noch an Geister und deren Einfluss auf Mensch und Natur glaubte. Ausgestattet mit Rasseln, Gruselmasken und viel Lärm versuchte man, die bösen Geister und den Winter zu vertreiben, um den Frühling anzulocken. Zwar hat Fasching, Fastnacht oder Karneval diese Bedeutung eigentlich ja noch immer, aber definiert sich die närrische Zeit doch für den einzelnen inzwischen eher individuell.
Geht es dem einen um die Ausgelassenheit und den Spaß, sich zu verkleiden, um mal in eine andere Rolle zu schlüpfen, lassen andere den Alkohol im Übermaß fließen und feiern, bis die letzte Polonaise durch ist. Erstaunlich, welch eine Mutation und Metamorphose einige da durchmachen.
Während Kinder als Cowboys, Prinzessinnen, Indianer und Feuerwehrmänner andere Identitäten ausprobieren, die Teil der Entwicklung sind, kann man sich bei manch angetrunkenem Superman oder Nixe kaum noch in Erinnerung rufen, dass es sich ja um eine Zeit der Lebensfreude und Ausgelassenheit handeln soll.
Allzu hemmungslos und übermütig wird da schnell über das Ziel hinausgeschossen und die Faschingszeit zelebriert. Diese darf dann nämlich gerne etwas derb, anstößig und frech - muss am Aschermittwoch aber vorbei sein.
Politiker bieten das ganze Jahr über Zündstoff für ein gelungenes Wagen-Panorama auf den Fastnachtsumzügen und sind willkommene Zielscheiben von Büttenreden und Pappmache-Maskeraden. Schließlich ist Fasching ein willkommener Anlass für das „normale Volk“, einmal im Jahr ungestraft die Stimme zu erheben!
Wenn die Lust am Rollenspiel so stark ist, dass man das ganze Jahr über in eine andere Rolle schlüpfen will, kann man dies in vielen mittelalterlichen Vereinen tun - beispielsweise als Mitglied im Westernclub oder Ritterverein.
Auch wenn ich absolut nichts gegen Cowboys, Ritter und Prinzen habe, so finde ich das dann außerhalb von Fasching wenig reizvoll. Diesen Lifestyle bewusst in der Freizeit leben?
Zwar wartet die ein oder andere Frau auf den heißersehnten Ritter mit weißem Gaul, aber den Kerl dann erst aus der Blechrüstung befreien? Da mag das Kettenhemd der einzige „eye catcher“ sein. Ein Mann muss heutzutage nicht unbedingt mit einem Lasso umgehen und ein Wildpferd besänftigen können, aber der richtige Spirit im richtigen Ambiente macht es eben für den ein oder anderen!
Aber weder wallende Gewänder noch kalte Zelte und das Kochen an offener Feuerstelle könnten mich reizen, auf all die angenehmen Errungenschaften (und meine wundervollen Schuhe!) zugunsten eines solchen Freizeit-Rollenspiels zu verzichten.
Zumal Frauen in solch einem Cowboy-Alltag nicht gerade gut weg kommen oder gar angenehm leben. Spontan fallen mir da nur griesgrämig ausgezehrte und vom Verzicht gezeichnete Pioniersfrauen ein, die ein hartes und entbehrungsreiches Leben führten. Das wäre in meiner wertvollen Freizeit dann sowieso nichts für mich. Aber das entscheidet ja wie immer jeder für sich.
Feiern sie die nächsten Tage ausgelassen und heiter und genießen sie das Leben in vollen (Um-) Zügen! Auch ich stürze mich ins Getümmel, denn ich trage als gebürtige Mainzerin das Faschingsgen sozusagen im Blut. Helau!