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Ein Dutzend zumindest teilweise autofreie Straßen in drei Quartieren und über 100 Angebote in zehn Stunden: So sah der erste autofreie Superblock-Sonntag in Wiesbaden aus, der auf Initiative des Jugendparlaments durch das Umweltamt und die beteiligten Ortsbeiräte organisiert wurde.
Eine erste Bilanz zieht das Umweltamt auf Grundlage von Feedback-Gesprächen mit dem Jugendparlament, den Ortsbeiräten, Akteuren und Rückmeldungen von Besuchern.
Und diese Bilanz fällt nach Angaben des Umweltamtes überaus positiv aus, „denn rund 10.000 Menschen haben mit viel Interesse und Engagement den Superblock-Sonntag zu einem ganz besonderen Tag der Nachbarschaft und des Miteinanders werden lassen. Dabei standen Fragen nach einem lebenswerten Quartier und nach neuen Verkehrslösungen im Mittelpunkt“.
In Wiesbaden wurde 2019 der Klimanotstand ausgerufen. Für das Jugendparlament bedeutete dies damals, mit Menschen über Zukunfts- und Klimafragen ins Gespräch kommen zu wollen und Möglichkeiten zu schaffen, nachhaltiges Handeln auszuprobieren.
Denn praktisches Handeln und Tun sei immer ein Gewinn. Es vermittele persönliche Eindrücke und Erfahrungen, aus denen sich neue Erkenntnisse ziehen ließen. So könne aus anfänglicher Skepsis auch ein positiver AHA-Effekt werden.
Genau das war auch das Ziel des Superblock-Sonntags: Über die klimaschädlichen Auswirkungen des innerstädtischen Verkehrs ins Gespräch kommen und erleben, was sich verändert, wenn der öffentliche Raum als attraktive Begegnungsfläche genutzt wird.
Hierfür wurden die Bewohnerinnen und Bewohner aus Wiesbaden-Mitte, dem Rheingau- und dem Dichterviertel schon im Vorfeld über das geplante Experiment informiert, bei dem einzelne Straßen und Straßenabschnitte für den fahrenden und parkenden Kfz-Verkehr gesperrt werden sollten.
Den Anwohnern der gesperrten Straßen wurden kostenfreie Ersatzparkplätze zur Verfügung gestellt und alle wurden eingeladen, den Straßenraum zur nachbarschaftlichen Begegnung, für Spiel und Sport, Flohmarkstände, Diskussionsrunden, Platzkonzerte oder kleine Theatervorstellungen zu nutzen.
Am Ende fanden über 100 nichtkommerzielle Programmpunkte statt, die von Privatleuten genauso wie von Initiativen, Organisationen und den Kirchen veranstaltet wurden. Bei gutem Wetter genossen laut Umweltamt die Menschen „die gelöste und entspannte Atmosphäre“ dabei staunten viele über den großzügigen Freiraum auf den autofreien Straßen.
Wie dieser öffentliche Raum zum Wohle aller genutzt werden kann, wurde beim Talk mit Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende, Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol, der Bestseller-Autorin Katja Diehl, der Vorsitzenden des Jugendparlamentes Marie Kristionat sowie mit rund 300 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern diskutiert.
„Wir haben fast nur positive Feedbacks zum Superblock-Sonntag erhalten. Das ist außergewöhnlich“, sagt Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol. Auch die Ortsbeiräte und das Jugendparlament berichten von einer Fülle begeisterter Rückmeldungen: Viele wünschen sich mehr Superblock-Sonntage in Wiesbaden.
Sie berichten von starken Bildern, die die komplett autofreien Straßen mit den grünen Vorgärten und der Gründerzeitarchitektur im Kopf hinterlassen haben. Sie staunen, wie schnell man mit Menschen auf der Straße ins Gespräch kommt, wenn der Raum dafür da ist. Sie empfinden den verkehrsarmen Raum als Steigerung der urbanen Lebensqualität und würdigen, dass die Politik den Mut hatte, dieses Experiment auszuprobieren.
Doch, was bleibt? „Die Erfahrungen aus dem Superblock-Sonntag unterstreichen die Bedeutung und Notwendigkeit einer nachhaltige Stadtentwicklung, und sie werden in die weiteren Planungen einfließen. Denn die Menschen erkennen, dass die soziale und nachhaltige Stadt von morgen mehr Grünflächen und mehr Freiraum braucht“, betont Kowol.
Dafür will der Verkehrsdezernent unter anderem Carsharing-Angebote, den ÖPNV und den Radverkehr weiter fördern. Auch weitere Fahrradstraßen oder die Umwandlung von Straßen in Fußgängerzonen, wie für die Gerichtsstraße im Ortsbezirk Mitte geplant, seien geeignet, um eine höhere Aufenthalts- und Lebensqualität zu erzielen.
Auch die Studierenden der Hochschule RheinMain vom Fachbereich Mobilitätsmanagement und Radverkehr beschäftigen sich mit dem Superblock-Sonntag. Sie haben die Aufgabe, einen Entwurf für eine autofreie Straße in jedem der drei beteiligten Quartiere zu entwickeln.
Dabei haben sie bereits im Vorfeld Recherchen zur Verkehrsführung, der Auslastung des Parkraums und möglichen Konflikten durchgeführt. Professorin Martina Lohmeier betreut die praxisnahe Arbeit der Studierenden und rechnet im September 2022 mit ersten Ergebnissen.
Die Akteurinnen und Akteure des Superblock-Sonntag hinterlassen aber nicht nur Spuren bei der Verkehrsplanung, sondern wollen auch für mehr Natur in der Stadt und für mehr nachhaltige Sharing-Angebote sorgen. So verteilte eine nachbarschaftliche Initiative unter dem Motto „Blühendes Dichterviertel“ Saatgut aus eigenen Gärten.
Das Interesse daran war groß. Deshalb entstand die Idee, im kommenden Frühjahr eine Beratung für blühende Vorgärten anzubieten. „Es wäre schön, wenn wir die Leute dafür sensibilisieren könnten, dass sie ihre Vorgärten nicht zu Parkplätzen machen und nicht nur Rasen anlegen, sondern insektenfreundliche Gärten schaffen“, erläutert Beate Weber-Schreyer ihre Motivation.
Judith Allgäuer und ihr Team von der Initiative „container-gift“ wünschen sich – wie viele andere Menschen auch - die Aufstellung eines öffentlichen Kleiderschrankes. Die Initiative will damit einen unkomplizierten Kleidertausch ermöglichen.
„Gut vorstellbar, dass am Ende vor dem Schrank nicht nur Kleidung, sondern auch Gedanken oder Geschichten ausgetauscht werden. All das trägt zu einer lebendigen und sozialen Nachbarschaft bei“, so der Dezernent abschließend.
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Foto: Peter Wolf / wiesbaden.de