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Wenn der Job zum Leben nicht reicht: In Wiesbaden sind aktuell 4.963 Menschen auf Sozialleistungen angewiesen – obwohl sie eine Arbeit haben. Damit ist jeder vierte erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher in der Stadt ein "Aufstocker" (24 Prozent). Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit mit.
NGG-Regionalchef Peter-Martin Cox spricht von „alarmierenden Zahlen“. Es könne nicht sein, dass so viele Menschen trotz Arbeit zum Jobcenter gehen müssten. „Besorgniserregend ist vor allem der hohe Anteil von Kindern, die unter Armutsbedingungen aufwachsen“, so der Geschäftsführer der NGG-Region Rhein-Main.
Laut Arbeitsagentur leben bei 2.491 Hartz-IV-Aufstocker:innen in Wiesbaden Kinder im Haushalt. 788 dieser Haushalte werden von Alleinerziehenden geführt – 88 Prozent von ihnen sind Frauen.
Nach Beobachtung des Gewerkschafters sind niedrige Löhne eine Hauptursache des Problems: „Wer an der Bäckertheke oder in der Gaststätte arbeitet und dabei nur einen Mini- oder Teilzeitjob hat, für den wird es am Monatsende extrem eng. Nur wenn die Einkommen deutlich steigen, kann die Arbeit wieder zum Leben reichen.“ Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, wie sie die Bundesregierung plant, sei dabei ein wichtiger erster Schritt.
In Branchen wie dem Bäcker- und dem Fleischerhandwerk werde bislang oft deutlich zu wenig gezahlt. Die NGG hat die Arbeitgeber im Fleischerhandwerk bereits diesen Monat zu Tarifverhandlungen aufgefordert.
Die Gewerkschaft fordert für alle Beschäftigten der Branche armutsfeste Stundenlöhne von mehr als 12 Euro. Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten bundesweit drei von vier Aufstocker:innen im Niedriglohnsektor.
„Besonders wichtig ist es, die Lage von Kindern in Hartz-IV-Haushalten zu verbessern. Armut darf nicht vererbt werden“, unterstreicht Cox. Die von der Ampel-Koalition angekündigte Kindergrundsicherung sei ein „richtiger Schritt“.
Mit der Reform sollen bisherige Leistungen für Kinder gebündelt und ein höheres Existenzminimum festgelegt werden. „Hier ist entscheidend, das Armutsrisiko für Kinder zu minimieren – indem die Bedarfssätze für Heranwachsende deutlich steigen“, so Cox.
Das von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) versprochene Gesetz dazu müsse nun rasch auf den Weg gebracht werden. Nach Angaben des IAB steigt die Armutsgefahr von Hartz-IV-Empfängern durch Kinder stark an. Insbesondere für Alleinerziehende: Ihr Risiko, das Einkommen beim Amt aufstocken zu müssen, liegt mit 40 Prozent am höchsten.
Wichtig sei zugleich, dass Hartz-IV-System zu reformieren, damit auch Menschen, die derzeit keine Chance auf Arbeit hätten, in Würde leben könnten. „Der aktuelle Regelsatz für Alleinerziehende von 449 Euro im Monat ist viel zu niedrig“, erklärt Cox.
„Für Lebensmittel sind gerade einmal 155 Euro vorgesehen – bei stark steigenden Preisen. Zu Jahresbeginn sind die Sätze nur minimal erhöht worden. So gibt es für Kinder bis 13 Jahren in einer Bedarfsgemeinschaft gerade einmal zwei Euro mehr. Da Hartz IV der Inflation schon lange hinterherhinke, komme die aktuelle Erhöhung von 0,76 Prozent einer Kürzung gleich. Mit einem menschenwürdigen Existenzminimum habe das nichts zu tun.“
Cox begrüßt die Pläne der Bundesregierung, Hartz IV durch ein sogenanntes Bürgergeld zu ersetzen. Hier dürfe es nicht nur um eine Namensänderung gehen, sondern es brauche eine echte Reform. Das Bürgergeld müsse höher sein als die bisherigen Leistungen aus der Grundsicherung – und für Betroffene leichter zu beantragen. Die bisherigen, oft sehr harten Sanktionen gehörten grundsätzlich auf den Prüfstand. Dies habe im Übrigen das Bundesverfassungsgericht entschieden.
„Beim Thema Aufstocker gilt aber auch: Die Unternehmen stehen ebenso in der Verantwortung. Sie müssen armutsfeste, tariflich abgesicherte Jobs bieten, damit niemand überhaupt erst aufstocken muss“, so der NGG-Regionalchef weiter. Faire Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen seien zugleich der beste Schutz vor dem Fachkräftemangel in vielen Branchen.
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Foto: NGG