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Pünktlich um 17:00 Uhr, am Freitag, fuhren die Sonderbusse der ESWE vor das Gemeindehaus der Evangelischen Versöhnungsgemeinde im Wiesbadener Aukamtal. Als sich die Türen mit einem Zischen öffnen, strömen die rund 120 Gäste des Abends fröhlich plaudernd in den schön eingedeckten Festsaal.
Die Band WE aus Bad Homburg empfängt sie mit cooler Musik und jeder sucht sich rasch einen Platz im Kreis seiner Bekannten und Freunde. Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Gästeschar in nichts von anderen Veranstaltungen in Wiesbaden. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass die meisten mit ziemlich viel Gepäck gekommen sind. Große Einkaufstaschen, Schlafsäcke und Rucksäcke haben fast alle dabei und die müssen erst einmal verstaut werden. Das Equipment wird später nämlich dringend benötigt, denn nicht alle, die hier zusammengekommen sind, haben einen festen Wohnsitz und so werden sie sich später einen Schlafplatz suchen, der meist unter freiem Himmel liegt. Bei den aktuellen Temperaturen nur schwer vorstellbar, für die Gäste von Betina Weiler und ihrem Freiwilligen-Team jedoch Alltag.
Organisatorin Betina Weiler begrüßt ihre Gäste kurz und bündig, denn sie weiß, dass sich viele auf das Essen freuen und will keinen unnötig auf die Folter spannen. Genauso macht es Oberbürgermeister Sven Gerich, dem es ein Herzensangelegenheit ist, auch im vierten Jahr dabei zu sein und die Gäste persönlich zu begrüßen. „Sie sind ein Teil der Wiesbadener Gesellschaft“, betont er in seiner kurzen Ansprache.
Und ganz wie bei Einladungen üblich, haben auch hier die Gäste ein kleines Geschenk dabei. Betina Weiler erhält eine große Karte, die in der Wiesbadener Teestube selbst gestaltet wurde, mit allen Unterschriften der Anwesenden sowie zwei selbstgemachte Windlichtlampen, die sicher einen besonderen Platz bei ihr zu Hause bekommen werden.
Aber dann geht es wirklich los, denn die Gäste erwartet ein wunderbares Menü, das Koch Christian Koss frisch zubereitet hat. In dampfenden Schalen wartet es bereits darauf, verspeist zu werden. Als Starter gibt es kleine Tapas-Schälchen mit eingelegtem, gegrilltem und gefülltem Gemüse, es folgt eine cremige Gemüsesuppe und als Hauptgang saftiges Rindergeschnetzeltes mit leckeren Spätzle. Feinkost Dittmann sponsort das Menü und zusätzlich prallgefüllte Tüten, die später von den Gästen mitgenommen werden können. Anders als in den vergangenen Jahren wurden die Speisen diesmal servierfertig geliefert. Tamara Klein von der Feinkost Dittmann Gourmet Factory zeichnete für die reibungslose Anlieferung verantwortlich.
Es ist für alle von allem genug da! Gerne werden auf Wunsch die Suppenteller ein zweites Mal gefüllt. „Bei uns zu Hause gab es immer eine Suppe vorneweg“, erzählt ein Frau. „Ich bin ein richtiger Suppenkasper und die hier hat wirklich gut geschmeckt“, lacht sie zufrieden. Auch an alkoholfreien Getränken herrscht kein Mangel und alle greifen tüchtig zu.
Wer einen Nachschlag von der Hauptspeise möchte, muss ebenfalls nicht lange warten. Das Team der freiwilligen Helfer flitzt gut gelaunt zwischen den Tischreihen hindurch. Die 11-jährige Karla Reichold hat sich ebenfalls eine Schürze umgebunden und läuft unermüdlich zwischen Küche und Saal hin und her. Jedem, dem sie einen Teller serviert, schenkt sie ein Lächeln oder auch ein paar persönliche Worte. Offensichtlich hat sie richtig Spaß an diesem Job.
Zum Dessert gibt es noch eine luftige Schokomousse auf Beerenbett – wer kann dazu schon nein sagen?
Von Anfang an herrscht beste Stimmung im Saal. Es wird getanzt, gelacht und ausgiebige Gespräche geführt. Auch an den Frisörstühlen herrscht reger Andrang. Furkan Karaahmet und Olcay Saltan aus dem Team von Ari Murat Aslan, schneiden im Akkord und machen aus wuscheligen Mähnen flotte Frisuren und bei Bedarf bekommen auch Bärte und Augenbrauen einen Cut. Frisch gestylt schmeckt ein Essen gleich nochmal so gut!
In blauen Jutetaschen warten darüber hinaus noch Hygieneartikel und Dinge des täglichen Bedarfs darauf, ebenfalls mitgenommen zu werden.
Es gibt warme, selbstgestrickte Mützen und liebevoll verpackte selbstgebackene Plätzchen. Fast schon zu viel, denn wenn man seinen gesamten Besitz immer mit sich tragen muss, kann selbst Notwendiges schnell zur Last werden. Auch kommt es oft zu Diebstählen, wenn mal gerade kein Blick auf die Habseligkeiten geworfen werden kann.
Aber auch für diese Fälle gibt es in Wiesbaden bereits eine funktionierende Hilfe. Nicole Fath und Holger Rothleitner, von der (privaten) Obdachlosenhilfe, bieten das ganze Jahr bedarfsgerechte Unterstützung für Obdachlose an. Hier sind Helfer übrigens auch herzlich willkommen.
Derweil neigte sich der Abend dem Ende zu, die ESWE Busse stehen vor der Tür, um alle zurück in die Stadt zu fahren. Die Band spielt, bis der letzte Gast den Saal verlassen hat und die fleißigen Helferinnen und Helfer verteilen die letzten Taschen. Manch einer hat sich auch ein Doggie Bag machen lassen, weil es so lecker geschmeckt hat.
Betina Weiler ist glücklich, alles hat geklappt und viele bedanken sich persönlich mit einer Umarmung bei ihr, bevor sie gehen. „Das ist jetzt mein Lohn“ strahlt sie und gibt jedem mit auf den Weg, dass sie hofft, ihn oder sie im nächsten Jahr wieder zu sehen. „Ich bin überwältigt, wie groß die Hilfsbereitschaft ist. Ganz gleich, ob Sachspenden oder Helfer hier vor Ort, ich kann keinem genug für die Unterstützung danken“, sagt Weiler abschließend.
Auch das Helfer-Team ist immer noch bester Stimmung. Wenn alles aufgeräumt ist, werden auch sie sich nochmal zusammensetzen und die Pläne für 2020 schmieden. Alle wissen, dass die Aktion nur einen kleinen Beitrag für die Obdachlosen in Wiesbaden leistet, aber was wäre, wenn jeder von uns der kann, jeden Tag einen kleinen Beitrag leisten würde? Der Gedanke ist schön und verdient es, geteilt zu werden.
Und so werden im nächsten Jahr Jochen Stines, Jutta Zimmer-Kappes, Andreas Kappes, Dorothea Herrchen, Stefan Herrchen, Annemarie Schaaf, Georg Pfeiffer, Gaby Rotermund, Carolin Scholl, Werner Lambrecht und Ulrich Brünett und viele hier vielleicht ungenannte Mitmenschen wieder mit dabei sein, wenn es gilt, das Neujahrsfest von Betina Weiler zu unterstützen. Danke dafür!
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Fotos: Petra Schumann