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Die diesjährige Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus fand am Freitag im Hessischen Landtag in Wiesbaden statt. Die Gedenkrede hielt Otto R. Romberg, Mitbegründer und Redakteur der Zeitschrift Tribüne. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung von dem Frankfurter Saxophonisten Emil Mangelsdorff, Träger der Wilhelm-Leuschner-Medaille.
Landtagspräsident Norbert Kartmann begrüßte die zahlreichen Gäste, die zu der Veranstaltung in den Hessischen Landtag gekommen waren. „Wir begehen diesen Tag gemeinsam, um uns zu erinnern, zu erinnern an die unfassbaren, die unmenschlichen, eigentlich unbegreiflichen Ereignisse unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. An diesem 27. Januar trauern wir über das Schicksal, das Leid und die Ermordung aller Opfer des Nationalsozialismus. Ihnen allen gilt unser Gedenken“, betonte Kartmann. Das Leid der Opfer sei unvorstellbar und unbeschreiblich, so der Landtagspräsident weiter.
„Wir stehen in der Verantwortung, den millionenfachen Mord an den Juden Europas, an Sinti und Roma, an Christen, an Behinderten, an politisch Andersdenkenden nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen. Es bleibt zur Wahrnehmung dieser Verantwortung der Auftrag, aus diesem Verbrechen die notwendigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.“ sagte er. „Was wir konkret tun und was wir angesichts neuer Erkenntnisse konkret tun müssen, sei es bezüglich unserer Erinnerungskultur, im Bildungswesen oder durch staatliches Handeln, steht im Zentrum dieser Verantwortung“.
Für die Landesregierung mahnte der stellvertretende Ministerpräsident und Minister der Justiz, für Integration und Europa, Jörg-Uwe Hahn, Erinnerungen von Zeitzeugen lebendig zu halten. „Gedenktage wie der heutige sind von zentraler Bedeutung und damit Ehre und Pflicht zugleich. Gedenktage verhindern das Vergessen und die Verklärung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen“, sagte Hahn. Mit Blick auf die neonazistische Mordserie sagte er, Freiheit und Demokratie seien keine Selbstverständlichkeit, sondern müssten stets aufs Neue von aktiven Demokraten mutig verteidigt werden. „Extremismus und Terrorismus dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben“, forderte Hahn.
In seiner Gedenkrede ließ Otto R. Romberg als Zeitzeuge die Zuhörer teilhaben an seinen erschütternden Erlebnissen als Kind und Jugendlicher während des Naziterrors. Stigmatisierung, Erniedrigung, Angst, zerstörte Hoffnung, Ausbeutung, Hunger, Mord – bewegt schilderte der Journalist seine Erinnerungen. „Es ist die Geschichte meiner geraubten Kindheit, die mich für mein künftiges Leben stark geprägt hat. Wir wurden Zeuge der grausamen Erschießung meines Onkels vor seiner Apotheke“. Vor einer ersten Deportation -„wir wurden dann wie Tiere in Viehwaggons getrieben. Das Wachpersonal sparte nicht mit erniedrigenden Beschimpfungen“ – rettete ihn Raoul Wallenberg, ein schwedischer Diplomat.
Was folgt ist jedoch ein Gewaltmarsch ins Budapester Ghetto. Romberg: „Die Schwächeren, die nicht mithalten konnten, wurden von den uns bewachenden Gendarmen und Pfeilkreuzlern kurzerhand erschossen.“ Seinen Vater, der 1944 in Bergen-Belsen ermordet wurde, sieht er dort zum letzten Mal. Dem bangen Hoffen auf eine Befreiung durch die Rote Armee folgt die Ernüchterung: „Die Rote Armee hat unser Leben gerettet, um uns dann den stalinistischen Terror erleben zu lassen“. Am 1. Juli 1959 kommt er als Korrespondent nach Deutschland. Mit Erschütterung stellt er fest, dass „trotz akribischer Aufarbeitung der Geschichte Antisemitismus, Hass auf und Ausgrenzung von Minderheiten verbreitet“ seien. „Aber ich bin doch geblieben und versuche seitdem, mit der Kraft des Wortes Vorurteile abzubauen“.
Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung eröffnete Landtagspräsident Kartmann die Ausstellung „Ein Leben auf neu“ – Das Robinson Album. Jüdische „Displaced Persons“ auf deutschem Boden 1945 – 1948 des Fritz Bauer Instituts. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fanden jüdische Überlebende der NS-Terrorherrschaft im Nachkriegsdeutschland Zuflucht in sogenannten Displaced Persons Camps. Die Fotoausstellung des Fotografen Ephraim Robinson porträtiert das tägliche Leben in dem Lager für jüdische Displaced Persons in Frankfurt-Zeisheim.
Die Gedenkveranstaltung geht zurück auf eine Empfehlung des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog, der 1996 angeregt hatte, am 27. Januar eines Jahres in besonderen Veranstaltungen der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Der Hessische Landtag führt seitdem gemeinsam mit der Landesregierung eine jährliche Gedenkstunde in Kooperation mit den Kommunalen Spitzenverbänden und dem Landeswohlfahrtsverband Hessen durch.
Symbolfoto