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Der Beitrag des Team Wallraffs treibt einem die Tränen in die Augen. Im ehemaligen Wiesbadener Vorzeigekrankenhaus herrscht Personalmangel, Schmutz und Chaos. In Stoßzeiten ist die ordnungsgemäße Besetzung der Notaufnahme nicht gewährleistet. Die Arbeitszeitplanung ist, aufgrund des systematischen Personalabbaus von rund 500 Stellen in knapp zwei Jahren, nur mit geplanten Überstunden möglich. Dabei kommen jeden Monat mindestens 700 Stunden zusammen. Das Personal wird bei Engpässen aus der Freizeit geholt. Während der Arbeitszeit bleibt weder Zeit zum Essen oder Trinken und schon gar nicht für dringend notwendige Hygienemaßnahmen. Dramatisch die belegt hohe Zahl von 70 Prozent verwechselter Blutproben in der Wiesbadener Notaufnahme.
„Wir laufen auf einen Kollaps zu“, sagt eine Krankenschwester im TV-Interview. Im Bericht werden verschmutzte Betten und Krankenräume gezeigt. Liegen werden nach dem Einsatz aus Zeitmangel nicht desinfiziert, wenn sie nicht offensichtlich verschmutzt sind. Pflegepersonal muss zu der erhöhten Arbeitsbelastung auch Reinigungsarbeiten übernehmen. Helios arbeitet wie eine Effizienzmaschine, bei dem der Gewinn Vorrang vor dem Patientenwohl hat.
Billiges Material bei Schutzhandschuhen, Venenkanülen und technischer Ausstattung erschweren den Arbeitsalltag zusätzlich. Frust wird von oben nach unten weiter gegeben und am Ende am Patienten ausgelebt. Empathie und Menschlichkeit bleiben auf der Strecke. In einem Land, in dem in naher Zukunft die Mehrheit der Bevölkerung alt und ohne Familie sein wird, macht der Gedanke Angst, dass man diesem System auf Gedeih und Verderben ausgeliefert sein könnte.
618 Überlastungsanzeigen gingen allein im letzten Jahr bei der Klinikleitung ein. 618 Mal hatte das Personal Angst, aufgrund der Situation eine Gefahr für die Patienten zu sein. In diesem Zusammenhang sprach eine Angestellte von „akuter Sterbehilfe“.
Schaut man ins Ausland wird schnell klar, wie ein funktionierendes Gesundheitssystem aussehen muss/kann. Immer mehr Ärzte und Pflegepersonal geht in die Schweiz. Dort gibt es nicht nur mehr Geld, auch die Arbeitsbedingungen sind deutlich besser.
So wird in Deutschland seit Jahren die Apparatemedizin gefördert. MRT, CT, Röntgen, Ultraschall, Szinthigraphie - keine Krankheit gegen die nicht ein Gerät gewachsen wäre und die Diagnostik mit diesen Maschinen wird von den Krankenkassen klaglos übernommen. Dagegen werden die Budgets der niedergelassenen Ärzte gedeckelt. Ab dem zweiten Praxisbesuch im Quartal je Patient legt der Arzt drauf. Zuhören kann er sich quasi nicht leisten. Diagnostik braucht Zeit, Zeit die Ärzte heute oft nicht mehr haben. In Folge dessen öffnen niedergelassene Ärzte ihre Praxen nach Vorschrift. Kassenpatienten an Sonn- und Feiertagen zu behandeln heißt für sie - privates Geld zuschießen. So landen viele Patienten statt in einer Praxis in einer Notaufnahme und verschärfen die ohnehin angespannte Situation zusätzlich.
Schaut man nach Holland sieht man, wie man das Problem der MRE (Multiresistente Erreger) in den Griff bekommen kann. Weniger Patienten pro Pflegpersonal, feststehende Hygieneprozesse, regelmäßige Schulungen zeigen dort schon seit den 80ger Jahren nachhaltige Erfolge. Da in Deutschland immer noch Patient beweisen muss, dass er sich in der Klinik angesteckt hat, sieht man hier keine echte Notwendigkeit zu handeln. Es ist weiter billiger die wenigen Prozesse zu führen, als die Standards zu ändern.
Das Gesundheitssystem ist ein wunderbares Netz mit doppeltem Boden für dienende und ausgediente Politiker, in dem sie sich nach ihrem aktiven Dienst wohl und geborgen aufhalten können, um ihre sowieso schon üppigen Renten- und Pensionsansprüche bequem auszubauen. Städte, Gemeinden und Kommunen stehen darüber hinaus unter einem enormen Sparzwang, sodass es verständlich ist, dass man versucht die teuren Kliniken irgendwie loszuwerden.
Übrigens, die Helios Kliniken haben auf ihrer Webseite eine kurze Stellungnahme zum Wallraff-Bericht veröffentlicht – wer Antworten erwartet sollte hier nicht klicken.
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