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Der Verein zur Förderung der bildenden Kunst in Wiesbaden e.V. restituierte
Ende Mai 2020 das Gemälde „Prozession im Gebirge“ von Adolf Hölzel an die
Erben der Frankfurter Familie Flersheim. Das Gemälde kam 1987 aus dem
Nachlass von Hanna Bekker vom Rath (1893–1983) an das Museum Wiesbaden und ist seitdem als Dauerleihgabe im Bestand des Hessischen Landesmuseums. Bis
zu seiner Überführung zu den Erben in die USA wird das Gemälde von Dienstag, 30. Juni, bis Sonntag, bis 30. August 2020 in der Gemäldegalerie des Museums präsentiert.
Seit 1987 befand sich das Hölzel-Gemälde als Dauerleihgabe des Vereins zur
Förderung der bildenden Kunst in Wiesbaden e.V. im Museum Wiesbaden. Es
gehörte zu dem Konvolut von 30 Werken aus dem Nachlass der Frankfurter
Sammlerin Hanna Bekker vom Rath. Durch die 2005 eingestellte Suchmeldung der
Erben der Familie Flersheim auf der vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste
betriebenen Datenbank „Lost Art“ wurde die Zentrale Stelle für
Provenienzforschung in Hessen auf das Gemälde aufmerksam.
Gemeinsam mit dem Museum wurde dann geprüft, ob es sich bei dem in den Beständen des Museums befindlichen Hölzel-Bildes um das aus der Sammlung Flersheim handelte. Die Ergebnisse führten im Abgleich mit den Quellen der Erbenseite Ende Mai 2020 zur offiziellen Restitution des Bildes an die Erben von Ernst und Gertrud Flersheim.
„Der Verein zur Förderung der bildenden Kunst in Wiesbaden e.V. bekennt sich
damit zu den Washingtoner Prinzipien von 1998, wonach unrechtmäßig während
des Nationalsozialismus erworbenes Kulturgut identifiziert und mit den Erben
eine gerechte und faire Lösung gefunden werden soll“, so Günter Högner,
Vorstandsvorsitzender der Nassauischen Sparkasse sowie des Vereins zur
Förderung der bildenden Kunst in Wiesbaden e.V.
„Das Museum Wiesbaden“, erläutert Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums,
„ist seit vielen Jahren sehr darum bemüht, sukzessive alle fraglichen
Provenienzen – sowohl die des eigenen Bestandes als auch die von
Dauerleihgaben – zu überprüfen, um nachweislich unrechtmäßig erworbene Werke
an die Eigentümer zurückgeben zu können. Das Gemälde Adolf Hölzels an die
Erben der Familie Flersheim zu restituieren, war für uns nicht nur eine
selbstverständliche Pflicht, sondern auch ein aufrichtiges Bedürfnis, denn damit wird ein kleines Stück Gerechtigkeit wieder hergestellt.“
Die Familie Flersheim war in Frankfurt am Main bis in die NS-Zeit über
mehrere Generationen hinweg ansässig. Ernst Flersheim (1862–1944)
absolvierte seine Kaufmannslehre im Geschäft seines Vaters in der
Frankfurter Töngesgasse. 1892 ging die Firma an die beiden Brüder Ernst und
Martin Flersheim (1856–1935) über. Nach ihrer Heirat im Jahr 1892 lebten
Ernst und Gertrud Flersheim (geb. von Mayer, 1872–1944) mit ihren drei
Kindern Hans (1893–1933), Edith (1895–1992) und Margarete (1904–1940) im
Frankfurter Westend (Myliusstraße 32), wo sie eine bedeutende Bildersammlung
vorwiegend deutscher Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts aufbauten.
Die sich spätestens mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Jahr
1933 stetig verstärkenden antisemitischen Repressionen zwangen die Familie
1936/37 zur Flucht aus Frankfurt in das vermeintlich sichere Ausland. Die
beiden Töchter Edith und Margarete konnten 1936 nach London und Brüssel
flüchten. Ernst und Gertrud Flersheim emigrierten 1937 nach Amsterdam. Nach
dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Niederlande im Mai 1940 wurden
die beiden inhaftiert und später in das Konzentrationslager Bergen-Belsen
deportiert, wo sie 1944 umkamen.
Im Zuge ihrer Emigration nach Amsterdam ließen sie im Mai 1937 wesentliche
Teile ihrer Kunstsammlung bei dem Frankfurter Auktionshaus Hugo Helbing
versteigern. Unter der Einlieferer-Nr. 3 („Nr. 3 = Fl.“ = Flersheim) sind im
Auktionskatalog insgesamt 39 Gemälde aufgeführt, darunter mit der
Katalog-Nr. 32 auch das Gemälde „Prozession im Gebirge“ von Adolf Hölzel.
Auf dieser Auktion ersteigerte Hanna Bekker vom Rath das Werk für 105 Reichsmark.
Die Tochter Edith bemühte sich nach 1945 um Rückerstattung der Objekte aus
der Kunstsammlung ihrer Eltern. Einige Gemälde in Privatsammlungen und
öffentlichen Museen konnten ausfindig gemacht werden und es kam zu gütlichen
Einigungen und Restitutionen. Der Verbleib des Hölzel-Gemäldes war dagegen
lange unbekannt.
Hanna Bekker stammt aus einer großbürgerlichen Frankfurter Familie. Die
Sammlerin, Malerin, Mäzenin und Kunsthändlerin beschreibt selbst den Beginn
ihrer Sammeltätigkeit mit dem Erwerb einer Christus-Figur aus Holz im Jahr
1910. Im Oktober 1916 war sie Privatschülerin bei der Malerin Ida Kerkovius
(1879–1970) in Stuttgart. Kerkovius vermittelte ihr die Kunst Adolf Hölzels,
der zu dieser Zeit Professor an der Stuttgarter Kunstakademie gewesen ist.
Das Konvolut an Werken der Klassischen Moderne, das aus ihrem Besitz an den
Verein zur Förderung der bildenden Kunst in Wiesbaden e.V. überging und sich
seit 1987 als Dauerleihgabe im Museum Wiesbaden befindet, stellt einen
wesentlichen und international beachteten Kernbestand des Museums dar.
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Was: Ausstellung
Wann: Dienstag, 30. Juni, bis Sonntag, bis 30. August
Wo: Museum Wiesbaden
Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert