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Wer in den letzten Tagen aufmerksam durch Wiesbaden gelaufen ist, hat sie vielleicht schon bemerkt. In regelmäßigen Abständen tauchen sie immer wieder auf dem Boden auf: Bunte Graffitis in Pink, Weiß, Blau, Schwarz aber vor allem in Rot. Wer sich die Zeit nimmt, kurz zu verweilen, um die Schrift zu entziffern, kann Sprüche lesen wie: "Wiesbaden: Sozial-Ökologisch-Vielfältig" oder "AFD WEG WÄHLEN! AM 14. MÄRZ: DIE LINKE".
Aber ist das erlaubt? Bodenbilder? „Ja, es ist erlaubt, weil ausschließlich Kreide benutzt wird, die spätestens beim nächsten stärkeren Regenschauer wieder weg ist. Wir wollen aber weg vom langweiligen Wahlkampf, wie ihn die meisten Parteien machen: Agentur macht Kampagne, 10.000 Plakate werden auf- und nach sechs Wochen abgehängt. Wir machen unser Zeug fast komplett selbst und wollen eine unmittelbare Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern,“ erklärt Adrian Gabriel, Vorsitzender der Linken Wiesbaden und Kandidat fürs Rathaus, mit einem Zwinkern.
Die Aktion sei ursprünglich von 'Solid' ausgedacht worden. 'Solid' ist die Jugendorganisation der Linken, in der sich junge Erwachsene zwischen 16 und 35 politisch engagieren. „Das war zunächst nur als Hinweise zu Aktionen gedacht. Aber es macht so viel Spaß und kommt auch bei den Leuten gut an, dass wir gedacht haben: Wahlkampf anders machen. Wir haben Schablonen gefertigt und die Sache damit professioneller aufgezogen. Schon beim Sprühen schauen viele Leute zu und finden es spannend, gerade auch Kinder und Jugendliche, die sich sonst wenig für Politik interessieren.
Nina Schild ist ebenfalls im Linken-Vorstand und ist Jugendkandidatin der Linken. Sie ergänzt: „Wiesbadenerinnen und Wiesbadener - vor allem die Jüngeren - sollen aufmerksam werden, auf die wichtige Wahl diesen Sonntag und bestenfalls auch auf unsere Partei. Wiesbaden ist eine schöne Stadt aber an der Politik der Regierungsparteien gibt es einiges zu verbessern, insbesondere aus Sicht der Jugend – dafür treten wir an. Die AfD stellt dagegen keine Alternative dar, insbesondere nicht in Wiesbaden, wo uns ihre Rechtsaußenpolitiker im Stadtparlament schon jetzt zu viel kosten aber vergleichsweiße wenig leisten – schaut man sich z.B. ganz konkret ihre Anträge an. Die AfD tritt – als viertgrößte Partei in Hessen – in keinem einzigen der 26 Ortsbeiräte an. Man sieht: Konkrete Politik können und wollen die gar nicht machen.“
Die Linke sieht Schild hingegen als eine Alternative: „Nehmen wir doch die Corona-Pandemie: Als Linke haben wir jahrelang für eine bessere Finanzierung bei Gesundheit, Pflege und Bildung gekämpft. Es wäre so wichtig, hier endlich mehr zu machen, auf allen politischen Ebenen. Aber nicht mal in der Pandemie hat sich etwas geändert: Magere Einmalzahlungen in der Pflege. Nicht mal ein Prozent aller "Corona-Hilfen" sind in der Bildung gelandet. Lufthansa und TUI sind den regierenden zweistellige Milliardensummen wert. Es ist diese Ungerechtigkeit die mich wütend macht und politisch aktiviert. Wir können doch als Stadt und Land so viel mehr machen! Mit dem neoliberalen Credo: 'Der Markt wird schon regeln' lässt sich die Krise nicht bewältigen. Millionen Menschen brauchen unsere Solidarität. Und das ist ein Ur-Linker Begriff, der damit neu in Mode kommt.“
Aber versteht man das, wenn man auf die Graffitis schaut? "Solidarisch aus der Krise – DIE LINKE" steht da geschrieben. Die Linke sei die einzige Partei, die den heutigen Raubtier-Kapitalismus in Frage stelle, so Schild. „Unendliches Wirtschaftswachstum und immer mehr Menschen auf einem endlichen Planeten – das wird nicht gehen. Wenn die Politik, bis hin zu den Grünen, weiter nach diesem Irrglauben handelt, sind unsere Zukunft, die Umwelt und der soziale Frieden ernsthaft bedroht – auch in Wiesbaden! Beispiele gibt es viele, um nur 3 zu nennen: Der Niedergang der Horst-Schmidt-Kliniken, welcher gerade erst Schlagzeilen gemacht hat weil Kinderärzte verzweifelt kündigen. Der Bau des neuen Wohngebiets 'Ostfeld', welches nicht nur umweltpolitisch eine Katastrophe für Wiesbaden ist. Zudem die Kinderarmut, von der in manchen Stadtteilen heute schon unglaubliche 50 % aller Kinder betroffen sind. Tendenz steigend!“
Außerdem müsse die Wiesbadener Politik sich auch von innen heraus erneuern. „Lobbyismus und Intransparenz, Korruption und Vetternwirtschaft… Auch in Wiesbaden haben wir diese Probleme und damit immer wieder für bundesweite Schlagzeilen gesorgt. Das ist doch nur noch peinlich. Die Linke nimmt keine Großspenden von Unternehmen, ist für ein Lobbyregister und möglichst weitgehende Transparenz und Teilhabe. Allein dafür lohnt es sich in Wiesbaden zu kämpfen“, so Schild.
Adrian Gabriel ist bewusst, dass die Graffiti-Aktion auf Manche „vielleicht etwas provokant“ wirkt. Doch da er selber schon einige Male sprühen war, weiß er um die vielen netten Reaktionen. „Es ist egal ob man 500 Plakate aufhängt oder 1.000 – die Leute achten nicht mehr darauf und sind eher genervt vom ganzen Schilderwald. Wir finden: in Wiesbaden ist der Schilderwald tatsächlich fast absurd! Die Sprühkreide ist anders. Sie kommuniziert dezent. Sie ist außergewöhnlich. Sie ist gerade im urbanen Raum eher an Kunst angelehnt. Der Slogan ist kurz und hinterlässt Fragen. Das macht einfach Spaß“.
Dennoch sei die Polizei mehrmals aufmerksam geworden, so Gabriel. Doch alles bleib entspannt, da Kreide auf der Straße im öffentlichen Raum nicht verboten sei und nach dem nächsten Regen einfach wieder verschwinden wird. „Ganz im Gegensatz zu uns und der Linken Wiesbaden. Wir haben vor zu bleiben und zu wachsen und hoffen auf ein gutes Ergebnis am 14. März, damit wir in Wiesbaden endlich eine Politik im Interesse der großen Mehrheit bekommen und nicht nur im Interesse einiger Weniger.“
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Foto: Johannes Lay