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Das Handwerk in Ober,- West- und Mittelhessen hatte nach einem konjunkturellen Langzeithoch aufgrund der Corona-Pandemie einen historischen Einbruch erlitten. Ende des 2. Quartals 2020 hat sich die Stimmung bei den Betriebsinhabern allerdings wieder etwas aufgehellt. Insbesondere die Erwartungen haben sich gemäß der aktuellen Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Wiesbaden gegenüber dem 1. Quartal um 31 Prozentpunkte verbessert.
„Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass viele Betriebsinhaber wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken“, so Kammerpräsident Stefan Füll. Auch die Geschäftslagebeurteilung hat sich um 10 Prozentpunkte verbessert. Aktuell berichten 74 Prozent der Betriebe von einer „guten“ oder zumindest „befriedigenden“ Situation.
Nach wie vor bleibt die Entwicklung im Handwerk gespalten: Bau- und Ausbaugewerbe waren von der Krise weniger betroffen und verzeichnen aktuell schon wieder recht hohe Auslastungsgrade. In allen anderen Gewerbegruppen klagen noch immer viele Betriebe über Umsatzrückgänge und sinkende Auftragseingänge. Handwerke, die besonders herbe Nachfragerückgänge hinnehmen mussten (Gesundheits- und Kfz-Betriebe) oder sogar in der Corona-Situation ganz schließen mussten (Friseure), konnten sich zumindest deutlich erholen. Die Situation am handwerklichen Arbeitsmarkt bleibt kritisch. Zwar hat sich die Prognose des 1. Quartals, als fast 30 Prozent der Betriebe mit einem gesunkenen Mitarbeiterstamm rechneten, nicht erfüllt. Aber vor dem Hintergrund, dass die Corona-Pandemie nicht überstanden ist und Kurzarbeit sowie staatliche Konjunkturprogramme nicht unbegrenzt fortgeführt werden können, bleibt die Lage weiterhin angespannt.
Betroffen von der Krise ist auch der handwerkliche Ausbildungsmarkt. Stefan Füll: „Ohne Berufsorientierung, Praktika, Ausbildungsmessen und Betriebsbesichtigungen fehlen wichtige Gelegenheiten, das Handwerk vorzustellen und zukünftige Lehrlinge kennenzulernen.“
Auch die Bewerbungsprozesse sind Füll zufolge ins Stocken geraten. Es gebe zudem Betriebe, die gar nicht wüssten, ob sie das Jahr wirtschaftlich überleben und entsprechend zurückhaltend bei der Einstellung von Lehrlingen seien. Die duale Ausbildung sei die Grundlage der Fachkräftesicherung. „Gerade deshalb sollten unsere Betriebe die Ausbildung jetzt nicht vernachlässigen.“ Zum 27. Juli konnten 2.125 neuabgeschlossene Lehrverträge eingetragen werden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht dies einem Rückgang von 338 Lehrverträgen bzw. einem Minus von 13,7 Prozent. Da viele Lehrverträge zum 1. September 2020 abgeschlossen werden, rechnet die Handwerkskammer im August mit einer Verbesserung der Eintragungszahlen. In der Lehrstellenbörse der Kammer sind aktuell 1.089 freie Lehrstellen gelistet.
Die Zahl der Handwerksbetriebe hat sich nach Angaben von Hauptgeschäftsführer Bernhard Mundschenk im 1. Halbjahr leicht erhöht. Am 30. Juni waren 26.453 Betriebe bei der Handwerkskammer Wiesbaden eingetragen, was einem Zuwachs von 0,4 Prozent oder +98 Betrieben entspricht. Erfreulich sei insbesondere die durch die Novelle der Handwerksordnung vom Februar 2020 erwartete Entwicklung bei den Gewerken, wo es eine Meisterpflicht bei der Gründung eines Betriebs gibt (Anlage A zur Handwerksordnung).
„Im ersten Halbjahr können wir hier eine Zunahme von 4.593 Betrieben verzeichnen, was einem Plus von knapp 32 Prozent entspricht“, so Mundschenk. Bei den zulassungsfreien Gewerken (Anlage B1) habe es entsprechend einen Rückgang von 4.208 Betrieben (-53,9 Prozent) gegeben. Diese für das Handwerk positive Entwicklung sei eindeutig auf die sogenannte „Rückvermeisterung“ von 12 Handwerksberufen mit der Gesetznovelle zurückzuführen. „Ein handwerkspolitischer Erfolg, der in Zeiten von Corona etwas aus dem Blick geraten ist“, unterstrich der Kammerhauptgeschäftsführer.
Bernhard Mundschenk machte zudem deutlich, dass die Corona-Krise auch Auswirkungen auf die Arbeit der Handwerkskammer Wiesbaden und ihrer drei Berufsbildungs- und Technologiezentren hatte. „Vor allem im Beratungsgeschäft waren wir gefordert, unseren Mitgliedsbetrieben in den ersten Wochen der Pandemie trotz Schließung der Kammer für den direkten Kundenverkehr schnell und unbürokratisch zu helfen. Unsere umgehend eingerichtete Corona-Hotline war sehr erfolgreich. Auch an den Wochenenden standen wir mit zahlreichen Beratern zur Verfügung“, so Mundschenk.
Die täglich aktualisierte Internetseite der Handwerkskammer war stark nachgefragt, so zum Beispiel bei Fragen zur Soforthilfe des Landes für von der Pandemie betroffene Betriebe. Die Bildungszentren in Wiesbaden und Wetzlar mussten mit dem Lock-Down ab dem 16. März bis fast Mitte Mai schließen, alle Lehrgänge und Prüfungen mussten abgesagt werden. Mundschenk: „Seit dem 11. Mai lief der Lehrbetrieb und Beachtung der Schutz- und Hygienevorschriften wieder an. Auch die Sommergesellenprüfungen werden nach Rückmeldungen der Innungen, Kreishandwerkerschaften und anderer Handwerkskammern alle wie vorgesehen bis zum 31. Juli auch in diesem Jahr in Hessen trotz Corona abgeschlossen sein.“ Eine enorme Kraftanstrengung, auch für Prüflinge, die alle vorbildlich mitgezogen hätten. Der Aufwand sei höher als sonst, da auf Grund der räumlichen Gegebenheiten in kleineren Gruppen geprüft werden müsse und dadurch mehr Durchgänge notwendig seien.
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