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Nichts ging mehr: Zumindest bei den städtischen Busbetrieben ESWE Verkehr und WiBus. Die Mitarbeiter haben um kurz nach 3:00 Uhr am Mittwochmorgen ein Bus in die Einfahrt des Betriebshofes gestellt und ihren Streifenposten bezogen. Den ganzen Mittwoch über blieben die Busse in ihrem Depot stehen. Von den 36 städtischen Kindergärten hatten gerade mal sechs ihren Betrieb komplett eingestellt. Die meisten Erzieherinnen und Erzieher nahmen, wenn Eltern ihren Sprössling nicht anderweitig unterbringen konnten, trotzdem auf und betreuten diese wie gewohnt. Andere Kinder wurden in der nächsten Kita untergebracht. Die meisten Eltern hatten Verständnis für den Streik.
Die meisten Bushaltestellen waren menschenleer. Durch die rechtzeitige Ankündigung von der Gewerkschaft Verdi, haben sich die meisten Pendler auf eine alternative Fortbewegung zur Arbeit oder zur Schule eingestellt. Die meisten sind auf das Auto umgestiegen. Bereits um kurz nach sieben am Mittwochmorgen waren deutlich mehr Pkws unterwegs als sonst, berichtet Florian Strobel, der normal mit dem Bus zur Uni fährt, aber wegen des Streiks auf den Pkw umgestiegen ist. Der erste und zweite Ring, rund um den Hauptbahnhof, die Dotzheimer Straße, die Biebricher Allee und die Rheinstraße, die Bierstadter Straße sowie sämtliche Einfallsstraßen in die Stadt waren morgens wie abends auf dem Nachhauseweg ziemlich dicht. Es war Geduld gefragt.
Die Abiturienten die am Mittwoch ihre Prüfung ablegen mussten, hatten sich gut organisiert. Entweder mit "Taxi-Mama" oder mit Freunden haben sie es alle pünktlich zu ihrer Klausur geschafft, so das Hessische Kultusministerium.
Am Hauptbahnhof schrillte zum Hupkonzert gegen 9:00 Uhr die erste Trillerpfeife. Hier versammelten sich knapp 1.000 Streikende von den verschieden städtischen Unternehmen und zogen circa eine Stunde lang durch die Innenstadt. Die Teilnehmer des Demonstrationszuges hielten Banner hoch auf denen zu lesen war "Wir sind es wert“. Michaela Götz sagt gegenüber Wiesbadenaktuell "Wir wollen eine gerechtere Bezahlung für unsere geleistete Arbeit, deshalb stehe ich heute hier."
Gegen 10:30 Uhr kehrte der pfeifende Tross zum Hauptbahnhof zurück wo eine Kundgebung statt fand. In dieser wurden die Forderungen von 100 Euro Entgelt plus zusätzlich 3,5 Prozent Lohnerhöhung pro Monat noch mal klar unterstrichen. Außerdem soll die Ausbildungsvergütung um 100 Euro monatlich steigen sowie die unbefristete Übernahme der Auszubildenden. Für den Nahverkehr soll es darüber hinaus eine Zulage von 70 Euro monatlich geben, in den Krankenhäusern will man die Nachtzuschläge von 15 Prozent auf das Niveau der Nachtzuschläge im TVöD (20 Prozent) angleichen.
Darüber hinaus spricht verdi mit den Arbeitgebern über einen einheitlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen für alle Beschäftigten sowie über den Ausschluss von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen, um jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu geben. Das Ergebnis soll zudem zeit- und inhaltsgleich auf die Beamtinnen und Beamten des Bundes übertragen werden.
Der Verdi Bezirksvorsitzende von Wiesbaden Bernd Meffert hat ganz klar in seiner Rede verdeutlicht: Wenn unsere Forderungen nicht angenommen werden, dann ist das nur der Anfang. Diese Warnstreiks sieht die Gewerkschaft als ein starkes Zeichen vor der zweiten Tarifverhandlungsrunde am Donnerstag und Freitag in Potsdam.
Das ganz große Chaos blieb also aus und am Donnerstag wird alles wieder seinen gewohnten Gang nehmen. Nach derzeitigen Informationen endet der aktuelle Warnstreik bei ESWE und WiBus wie geplant am frühen Donnerstagmorgen gegen 2:00 Uhr teilt ein Unternehmenssprecher mit. Der gewohnte Linienbetrieb beginnt somit mit der ersten regulären Fahrt um etwa 4:00 Uhr am Donnerstagmorgen. Auch die umliegenden Verkehrsunternehmen gehen davon aus, dass in den nächsten Tagen nicht mit weiteren Streikmaßnahmen zu rechnen ist.
Obwohl das Chaos ausblieb hat das Muskelspielen von der Gewerkschaft Verdi Wirkung gezeigt. Bei solch einer Aktion, sieht man mal wieder, wie sensibel und anfällig eine Gesellschaft ist, wenn zwei oder drei wichtige Rädchen nicht funktionieren. Man hat sich zu sehr an den Alltag und die Rolle, die man jeden Tag einnimmt gewöhnt. Eine Gesellschaft funktioniert nur dann gut, wenn die Arbeit und die Leistung eines jeden angemessen honoriert wird. Man lebt miteinander, die Menschlichkeit sollte nicht vergessen werden.
Die Meinungen zu dem Warnstreik gehen bei den E-Mails und Facebook-Beitragen an Wiesbadenaktuell teilweise stark auseinander. Lesen Sie selbst was die Leser darüber denken und geschrieben haben in unserer InfoBox.
Wie hat Sie der Streik getroffen? - Ihr Beitrag:
Wolfgang Becker: Der Streik hat mich wieder einmal daran erinnert, wie wichtig private Mobilität ist. Ohne Auto wäre ich leichtes Opfer von Organisationen.
Thorsten Zöllner: Mit unseren dreijährigen Sohn können wir heute einen Arzttermin nicht wahrnehmen.
Tanja Sauerborn: Ich finde es eine riesen Schweinerei, denkt auch mal jemand an unsere Schulkinder? Meine Tochter hätte heute ein Referat halten müssen und konnte nicht hin wegen dem Scheiß Streik! Wozu kauft man sich Fahrkarten wenn man eh kaum kontrolliert wird... entweder ganz oder gar nicht.
Iris Hanel: Wir müssten mal alle mal Laufen nur ein oder 2 Tage da wird sich ESWE mal umgucken.
Michelle Gohl: Als nicht Autofahrer/in und Erzieherin bin ich ziemlich davon betroffen zum einen Zweck wie komm ich auf die Arbeit zum anderen weiß ich selbst wie "wenig" wir verdienen...aber der liebe Wettermacher hats gut mit mir gemeint und mein Drahtesel darf heute die erste Runde des Jahres drehen XD Ich hoffe nur dass die Busfahrer/innen und Erzieher/innen und alles rund um die Pflege endlich auch mal was von ihren Streiks haben!
Tobias Stahmer: Ist doch super, endlich mal wieder mehr Laufen mit Ausrede. Heute Morgen bestimmt 4 Kilometer. Da ich jeden Morgen von Wiesbaden nach Mainz zur Schule muss, war das für mich ein sehr großes Problem, dass heute Warnstreiks in Wiesbaden stattfanden. Als ich in der Schule anrief und fragte, wie ich vorgehen soll, wurde nur gesagt, dass ich irgendwie schauen muss, dass ich anders in die Schule komme. Wie soll man mal eben von Wiesbaden nach Mainz kommen, wenn man kein Auto hat und der Bahnhof viel zu weit weg ist, um mit der S-Bahn zu fahren?!
Nina Ochs: Ich habe Verständnis dafür, wenn man streikt, um für mehr Gehalt zu kämpfen, allerdings sollte man gerade die Zeiten in der früh, in der alle Schüler zur Schule müssen, außen vorlassen und erst später anfangen, z.B. ab 8/9 Uhr.
Manuela Beudt: Klar sollen die Busfahrer und Erzieher mehr verdienen. Sie haben ja auch einen sehr verantwortungsvollen Beruf. Aber es ist schon ärgerlich, wenn man ca. 200 Euro im Monat für 3 Abo's bezahlt und sich dann umorganisieren muss. Die ESWE will ja auch ihr Geld von uns und wie oft haben wir in den letzten 2 Wochen schon an der Bushaltestelle gestanden und der Bus kam nicht wegen Krankheitsausfällen. Also bitte eine schnelle Einigung, damit man seine Termine und den Arbeits- und Schulbeginn wieder pünktlich beginnen kann.
Carmen Hinz: Hallo, ich habe schon am Wochenende davon erfahren und daraufhin am Montag und Dienstag je 11 Stunden am Tag gearbeitet damit ich am heutigen Tag daheim bleiben konnte, denn ohne Auto keine Chance zur Arbeit zu kommen. Verständnis habe ich nur zum Teil, da die WiBus-Fahrer deutlich weniger bezahlt bekommen wie die ESWE-Fahrer, aber es streiken ja alle Fahrer und es ist ja ständig was mit den Bussen, entweder zu spät, öfters Ausfälle und wenn es mal schneit, dann geht ja auch nie ein Bus. Mein Sohn musste 45 Minuten zur Schule laufen, denn heute sollte ein Diktat geschrieben werden, aber was war........leider zu wenig Schüler (Chillen zu Hause) und mein Sohn ist den weiten Weg umsonst gelaufen und musste denselben langen Heimweg wieder zurück laufen. Fazit: Hoffen wir, das sich alle einigen und in nächster Zeit nicht noch mal gestreikt wird!
Nicolas Päsler: Bin Autofahrer. Habe heute wegen dem extremen Verkehrsaufkommen knapp 60 Minuten für eine 20 Minuten-Strecke gebraucht. Das war schon extrem stressig. Die gesamte Stadt befand sich in einem Ausnahmezustand. Alle Straßen waren völlig verstopft. Echt bitter! Kann den Hintergrund verstehen, dennoch hoffe ich, dass sowas so schnell nicht wieder passiert... ;)
Schoko Schokorina: Ihr müsst auch an die Busfahrer denken verdammt! Ich fands richtig so!! Gott was ein Aufstand
Cornelia Kol: mhm.. aber für neue Busse ist das Geld dann schon da..
Ein kleiner Auszug an den Kommentaren zu dem Warnstreik in Wiesbaden am Mittwoch. Die Redaktion hat sich Kürzungen vorbehalten.
Fotos: Tom Klein