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Die meisten A bis Z Promis haben die Erfahrung schon gemacht. Gehypt, geliebt und in den Himmel gehoben reicht manchmal ein einziger vermeintlich falscher Post, um von den Followern in bodenlose Tiefe gestürzt zu werden.
Letzte Woche hat eine solcher Post das Wiesbadener Winzerpaar Julia und Jürgen Höhn getroffen, nachdem eine Gast ihres Weinstandes seine Beobachtung in einer Wiesbadener Facebook-Gruppe geschildert hatte. Was war passiert? Der Gast berichtete, dass er am Sonntag, 11. August, gesehen habe, dass einem - aus seiner Sicht obdachlosen - Mann bei der Rückgabe von Flaschen und Gläsern das Geld vom Standbetreiber nicht ausgezahlt wurde. In seinem Post nannte er den vollen Namen des Weingutes und fragte die Community, was sie von der Reaktion des Winzers halten.
Der Aufforderung folgten zahlreiche Gruppenmitglieder und zeigten sich mit dem Mann solidarisch, dem das Pfand auf so schnöde Art und Weise vorenthalten wurde. Auch auf der Facebookseite des Weinguts schrieben viele Menschen ihren Unmut über das Vorgefallene und kündigten an, dort nicht mehr zu Gast sein zu wollen. Es dauerte nicht lange und die Diskussion eskalierte vollständig und gipfelte in Androhungen von Gewalt bis hin zum Tod gegen die Winzerfamilie.
„Als die ersten Kommentare eintrudelten war ich völlig überrascht“, erzählt Julia Höhn. „Ich hatte nichts von der Sache mitbekommen und ich verstand gar nicht, was da plötzlich über uns hereinbrach. In meiner Panik habe ich die ersten Posts einfach gelöscht. Als sich kurz danach verschiedene Pressevertreter per Telefon meldeten wurde mir klar, was dieser Post ausgelöst hatte. Nach Rücksprache mit meinem Mann haben wir uns mit dem Schreiber, der den Post online gestellt hatte, in Verbindung gesetzt und uns entschuldigt. Er war selbst betroffen, welche Reaktionen seine Veröffentlichung ausgelöst hatte und nahm den Text aus dem Netz. Da war die Maschinerie aber schon nicht mehr aufzuhalten,“ sagt Julia Höhn.
Ihr Mann ergänzt: „Natürlich tut es mir im Nachhinein leid. Vor dem Hintergrund, dass auf der Weinwoche das Pfandsammeln verboten ist und sich unsere Gäste oft beschweren, dass ihnen ihre Gläser und Flaschen abhanden kommen, habe ich in diesem Moment leider nicht richtig reagiert, das tut mir leid! Was dann daraus wurde hat uns vollständig überrannt. Hätte mich der Spender des Pfands oder der Beobachter direkt auf meinen Fehler aufmerksam gemacht, hätte ich Gelegenheit gehabt meine Reaktion zu korrigieren und das Pfand selbstverständlich ausgezahlt“, sagt Höhn. „Die Weinwoche verlangt uns am Stand alles ab, in den zehn Tagen geht die Arbeit zu Hause natürlich weiter und wir arbeiten in dieser Zeit mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Limit“, ergänzt er seine Ausführungen.
„Gefreut haben wir uns, dass - neben den vielen und zum Teil völlig ungezügelten Kommentaren - Gäste und Kunden für uns in die Bresche gesprungen sind. Wer uns kennt weiß, dass wir uns vielfältig sozial engagieren. Leider machen wir trotzdem Fehler und das tut uns leid“, sagt Julia Höhl. „Deshalb habe ich mich an die private Obdachlosenhilfe in Wiesbaden gewandt, die Kommentare von Holger Rothleitner, dem Mitinitiator der Gruppe, hatten mir Mut gemacht und wir werden in Zukunft seine Initiative unterstützen.
Das Beispiel der Familie Höhn zeigt die hässliche Seite von Social Media Plattformen. In der Deckung des WorldWideWebs verlieren manche Menschen Maß und Ziel. Gewaltandrohungen bis hin zum Mord gegen einen Menschen und seine Familie, der einen Fehler gemacht hat, sind leider nicht die Ausnahme, sondern oft die Regel. An ihrer Tastatur werden Laien zu Richtern. Oft ohne Hintergründe zu kennen oder zu reflektieren, dass sie selbst auch nicht völlig fehlerlos durch ihr Leben schreiten. Nicht jeder Betroffene ist auf einen Shitstorm vorbereitet und reagiert souverän.
Die Zeiten der Schandgeigen und der öffentlichen Prügelgassen auf dem Marktplatz schienen wir hinter uns gelassen zu haben. Jetzt nutzen manche die Möglichkeit der virtuellen Bestrafung, die sich für die Betroffenen jedoch sehr real anfühlt.
Andererseits macht die hundertfache erklärte Solidarität mit den Obdachlosen auch hoffnungsfroh und auch im Netz gibt es Beispiele, wie statt Hass und Häme Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit zum Vorschein kommen. Nicole Fath, die sich wie Rothleitner in der privaten Obdachlosenhilfe engagiert und dort seit Jahren jeden Sonntag auf dem Luisenplatz für eine bedarfsgerechte Versorgung der Obdachlosen mit Mahlzeiten, Kleidung und anderen Dingen sorgt, suchte schon lange dringend Fahrer (m/w), die ab und an mal an den Wochenenden Waren vom Supermarkt abholen und zur Verarbeitungsstelle bringen oder sonntags das Fahrzeug zum Ort der Verteilung fahren. Erst als der Admin einer Wiesbadener Facebookgruppe den Aufruf unterstützte, meldeten sich Menschen, die helfen wollen, zumal der Admin mit gutem Beispiel voranschreitet.
Das Beispiel zeigt, wieviel sinnvoller, erfolgreicher und effektiver der positive Umgang mit sensiblen Themen ist. Mit mehr Liebe ist mehr getan als mit mehr Hass. Solidarisieren Sie sich doch einfach mit positiven Dingen. Wieviel ein Ehrenamt zurückgibt weiß man erst, wenn man sich engagiert. Infos zum Ehrenamt finden Sie übrigens ausführlich auf der Webseite des Freiwilligenzentrums Wiesbaden.
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Symbolfoto