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Wiesbadenerinnen und Wiesbadener haben die Frage, ob in Zukunft eine CityBahn die Städte Bad Schwalbach, Taunusstein, Wiesbaden und Mainz verbindet, am Sonntag, 1. November, mehrheitlich mit Nein beantwortet. Die Stadtpolitik aber auch Vereine und Verbände reagieren unterschiedlich auf die Absage, fordern Lösungen und Konsequenzen.
Das Ergebnis des Bürgerentscheids zur CityBahn ist nicht das, was sich die Befürworter der Straßenbahn erhofft haben. „Die Mobilität unserer Landeshauptstadt bleibt nun in den Kinderschuhen stecken, die CityBahn ist und bleibt für uns die beste Lösung, damit Wiesbaden nicht weiter Staustadt Nummer drei in ganz Deutschland bleibt“, erklärt Hermann Zemlin, Geschäftsführer bei ESWE Verkehrsgesellschaft mbH und der CityBahn GmbH. Auch Uwe Hiltmann, Geschäftsführer der CityBahn GmbH, zeigt sich enttäuscht: „Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt haben die Jahrhundertchance nicht erkannt oder erkennen wollen.“
Vor allem für den Rheingau-Taunus-Kreis sei diese Niederlage bitter, erklärt Günther F. Döring, Verkehrsdezernent des Rheingau-Taunus-Kreises: „Das Projekt CityBahn hat dieses Ergebnis nicht verdient. Schade, dass sich viele Wiesbadenerinnen und Wiesbadener von falschen Behauptungen haben leiten lassen und sich auch gegen ihren guten Nachbarn den Rheingau-Taunus-Kreis entschieden haben.“ Man wolle aber weiter für einen schienengebundenen Nahverkehr kämpfen.
Die CityBahn GmbH betont, dass auch ohne die CityBahn der öffentliche Verkehr in Wiesbaden ausgebaut werden müsse. Ein Ausbau des Bussystems sei jedoch schwierig, da es in der Innenstadt eigentlich keine Kapazitäten für zusätzliche Busse gebe. Eine Lösung könnte ein System aus übergroßen Bussen sein (BRT – Bus Rapid Transit). Dieses beanspruche allerdings viel Platz auf der Straße und erfordere den Bau großer Betonspuren. In jedem Fall müsse die Stadt Wiesbaden in der nächsten Zeit mehr E-Busse bestellen, um den ÖPNV emmissionsfrei zu machen. Derzeit kommt es dabei allerdings zu Lieferverzögerungen.
„Wir begrüßen, dass es ein so eindeutiges Ergebnis beim Bürgerentscheid und damit eine klare Dokumentation des Bürgerwillens gegeben hat, was nun für alle rechtlich verbindlich ist“, erklärt Dr. Bernd Wittkowski, Vorsitzender der CDU Rathausfraktion, und fügt hinzu: „Die CDU Rathausfraktion hat sich seit langem dafür ausgesprochen, dass die Wiesbadener Bürgerinnen und Bürgern bei einer so wichtigen Sache wie dem Bau der Citybahn beteiligt werden müssen. Das deutliche Abstimmungsergebnis und die hohe Wahlbeteiligung zeigen, dass das Dringen auf die Durchführung eines Bürgerentscheids die richtige Entscheidung war und die Bürgerinnen und Bürger die Chance der Mitwirkung wahrgenommen haben“.
„Für die weiterhin bestehenden Verkehrsprobleme müssen wir ganz unvoreingenommen andere Lösungen – jenseits der CityBahn – finden, um den Verkehrsfluss wiederherzustellen und den Anforderungen der erforderlichen Verkehrsbewältigung ausgewogen gerecht zu werden . Wir erwarten, dass der Verkehrsdezernent seinen Alternativplan schnellstens offenbart und hoffen sehr, dass er auch auf diesen Ausgang des Bürgerentscheids vorbereitet gewesen ist“, so Wittkowski weiter.
„Gestern war ein guter Tag für unsere Stadt, die Wiesbadener Pendler und unsere Stadtfinanzen. Der Oberbürgermeister und seine Kooperationspartner von SPD, CDU und Grünen stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer verfehlten Verkehrspolitik der letzten Jahre. Ein Umdenken ist nun dringend notwendig. Die Bürger haben gestern überdeutlich für eine Politik votiert, die Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander ausspielt. Heute muss die Arbeit an einer das Klima schützenden, finanziell verantwortungsvollen und ideologiefreien Verkehrspolitik in Wiesbaden beginnen. Das bedeutet auch, dass der Verkehrsdezernent seine ständigen Attacken gegen den Autoverkehr einstellt“, erklärt der Kreis- und Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten, Christian Diers. Nun dürfe nicht mehr weitergeplant werden. Ein entsprechender Antrag werde in der nächsten Sitzung des Verkehrsausschusses gestellt. Vorantreiben will die FDP hingegen die Aufarbeitung der Skandale, die sich in den letzten Jahren bei ESWE Verkehr angehäuft hätten.
„Wenn Stadtrat Kowol nicht bereit ist, von nun an konstruktiv, transparent und ohne Mauscheleien an der Wiesbadener Verkehrszukunft zu arbeiten, sollte er sich überlegen, ob er nicht besser seinen Platz räumt“, so Diers.
„Die Bürgerinnen und Bürger haben entschieden: die Citybahn kommt nicht, aber die Verkehrsprobleme bleiben.“ erklärte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rathaus Christiane Hinninger. „Wir hätten uns natürlich ein Votum für dieses zukunftsträchtige Verkehrsmittel gewünscht, jetzt müssen wir die anstehenden Aufgaben unter den neuen Bedingungen angehen.“ Es gelte nach wie vor, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen ein Dieselfahrverbot langfristig abgewendet, der Verkehrsfluss in der Stadt verbessert und die Lebensqualität an den Hauptverkehrsachsen gesteigert werden kann. „Das Mobilitätsleitbild und der Luftreinhalteplan bieten hierzu Anknüpfungspunkte, welche nun evaluiert werden müssen“, so Hinninger weiter.
Dr. Uta Brehm, die Vorsitzende des Kreisverbandes der Grünen in Wiesbaden stellt klar: „Wir bedauern, dass die vielen guten Argumente pro CityBahn die Mehrheit der Wiesbadenerinnen und Wiesbadener nicht überzeugt haben. Es bleibt die Aufgabe des grünen Verkehrsdezernenten, in den nächsten Wochen Lösungsalternativen mit der Stadtgesellschaft zu erarbeiten.“
Die Freien Wähler akzeptieren das ablehnende Votum der Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Bürgerentscheids. Der Fokus aller politischen Beteiligten solle nun dabei auf eine schnelle Überprüfung von Alternativen gerichtet sein.
Das "Jahrhundertprojekt" der Kooperation und damit auch die Kooperation selbst sei in Gänze krachend gescheitert. Die Zusammenarbeit aus SPD, CDU und Grünen habe nun von den Wiesbadenern die Quittung bekommen für intransparente Verfahren sowie die Spaltung in Teilen der Stadtgesellschaft. „Ein deutliches Zeichen dafür, dass dieser Zusammenschluss trotz Mehrheit im Stadtparlament schon lange nicht mehr den Bürgerwillen abbildet“, so Christian Bachmann, Fraktionsvorsitzender der Rathausfraktion. Auch personelle Konsequenzen fordern die Freien Wähler. "Kowol hat die Citybahn nicht auf dem Gleis halten können und trägt für das Desaster die politische Verantwortung", so Bachmann.
Besonders bedauerlich sei die Entscheidung gegen die Citybahn für die Nachbarkommunen aus dem Untertaunus. Darum müssten schnell Alternativen geprüft und gefunden werden – etwa die Aartalbahn oder die seit langer Zeit von den Freien Wählern geforderten P+R-Parkplätze an den Stadträndern sowie eine besser getaktete Busanbindung nach Wiesbaden.
„Die Stadt von Staus und zunehmender Umweltbelastung, vor allem durch Stickoxide und Feinstaub zu entlasten, bleibt das Ziel einer Verkehrswende. Das heißt nach wie vor mehr Platz für Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer. Aber auch für den zunehmenden Pendlerverkehr müssen Lösungen gefunden werden“, erklärt der Fraktionsvorsitzende Hartmut Bohrer. Die LINKE&PIRATEN Rathausfraktion hatte das Projekt einer CityBahn unterstützt
Nun setzt die Fraktion L&P auf einen zügigen Ausbau der Aartalbahn, um die Innenstadt zu entlasten. Die Kapazitäten des ÖPNV in Wiesbaden zu erhöhen, sei nun zwar schwierig, aber möglich durch eine weitere Differenzierung des Bussystems.
Die AfD-Fraktion kritisiert, dass die Rathauskooperation sich dagegen gesträubt habe, die Macht über die CityBahn aus ihren in die Hände der Bürgerinnen und Bürger zu geben. „Dass Verkehrsdezernent Andreas Kowol nun betont, der Bürgerentscheid sei ihm wichtig gewesen, mutet angesichts all der Bemühungen, den Entscheid durch die kryptische Fragestellung und den Einbau von Hintertürchen in seinem Kerngehalt zu hintertreiben, geradezu grotesk an", heißt es in einer Pressemitteilung der AFD.
Die AFD-Rathausfraktion sieht die Entscheidung durchaus auch als eine Abstimmung nicht nur über die Citybahn, sondern über die Verkehrspolitik des Dezernenten insgesamt. „Es stellt sich die Frage, ob ein derart abgestrafter Verkehrsdezernent noch der Richtige für diesen Job ist“, meint der verkehrspolitische Sprecher der AfD, Denis Seldenreich.
Nachdem die Wiesbadener Bürger sich mehrheitlich gegen die Citybahn entschieden haben, fordert die Bürgerliste Wiesbaden einen runden Tisch. Gegner und Befürworter der Bahn müssten sich zusammensetzten, um gemeinsam nach Lösungen für die Verkehrsprobleme der Stadt zu finden. „Vor allem die Gegner sind jetzt in der Pflicht, Alternativen vorzuschlagen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bürgerliste – auch um ein Dieselfahrverbot für die Stadt abzuwenden. „Wiesbaden braucht eine zukunftsfähige Mobilität. So weiter zu machen wie bisher, geht nicht.“ meint die Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bürgerliste Wiesbaden Monika Becht.
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Verein zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs in Rheinhessen (ÖPNV-Verein) und der Fahrgastverband PRO BAHN bedauern die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger Wiesbadens und bezeichnen diese als „rückwärtsgewandt“.
Vorhandene Schienenverbindungen um Wiesbaden müssten nach dem Aus für die CityBahn umso mehr ausgebaut werden, um die Ziele einer Mobilitätswende zu erreichen. So etwa die Reaktivierung der Aartalbahn auf ihrer gesamten Strecke, die Elektrifizierung der Ländchesbahn und die Reaktivierung der Verbindungskurve nach Wiesbaden Ost. Außerdem müssten die bisherigen Bahnstationen im Wiesbadener Stadtgebiet umfassend ausgebaut, modernisiert und barrierefrei werden. Der Neubau einer S-Bahnstation in Kostheim sei zwingend vorzunehmen.
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