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Zu den bekanntesten Erzählungen des renommierten Autors Hans-Ulrich Treichel gehört „Der Verlorene“. Sie wurde im letzten Jahr erfolgreich verfilmt. Die Novelle „Tagesanbruch“ knüpft thematisch daran an. Am Donnerstag, 23. Juni, um 19:30 Uhr stellt Hans-Ulrich Treichel im Gespräch mit Sandra Kegel, FAZ, seine Novelle "Tagesanbruch" in der Villa Clementine vor.
Die unbewältigten Traumata des Zweiten Weltkrieges sind zentral im Werk von Hans-Ulrich Treichel. In der Erzählung "Der Verlorene" schildert er das Leben im Nachkriegsdeutschland durch die Augen eines Sohnes. Es entsteht das Bilder einer Zeit, in der die Tabuisierung der Kriegsgeschehnisse und ein starker Aufbruchswille allgegenwärtig spürbar sind. "Tagesanbruch" greift die Themen Verlust und Verdrängung auf; erzählt wird nun aber aus der Sicht einer Mutter. In einem langen Monolog erinnert sich diese an die Jahre nach dem Krieg, an den Aufbau des Textilgeschäfts, die Ehe mit ihrem kriegsversehrten Mann und das stets angespannte Verhältnis zu ihrem Sohn. Sie erzählt von den Entbehrungen – unter anderem dem Verzicht auf ein Studium – und der täglichen harten Arbeit.
.. unser liebster Monat. Du wurdest im August geboren, du warst ein Sommerkind, ein Herzkind. Im August fühltest du dich am wohlsten. Wenn ich es recht bedenke, war der Sommer die einzige Zeit, in der du nicht gefröstelt hast ..."
Es ist eine Geschichte, die exemplarisch für eine Generation ist, die den Krieg überstanden hat und noch nicht die nötige Distanz hat, um die Erlebnisse aufzuarbeiten. Doch nun sind viele Jahre vergangen und die Frau traut sich, auch einen Blick in die finsteren Ecken ihrer Vergangenheit zu werfen. In Gedanken kehrt sie zurück zu der Flucht aus dem Osten und der gewaltsamen Begegnung mit russischen Soldaten. Sie erzählt in den langen Stunden vor Tagesanbruch ihre Geschichte. Und sie erzählt sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihrem Sohn. Doch dieser ist bereits seit einigen Stunden tot, gestorben in ihren Armen.
In einem lakonischen Ton ist Hans-Ulrich Treichel ein ergreifendes Erinnerungsbuch gelungen, in dem er die späte Befreiung einer Frau von ihrem Kriegstrauma schildert. Der Blick auf die Generation seiner Eltern ist dabei stets einfühlsam und nie schuldzuweisend.
Hans-Ulrich Treichel, 1952 in Versmold/Westfalen geboren, lebt in Berlin und Leipzig. Er studierte Germanistik an der Freien Universität Berlin und war Lektor für deutsche Sprache an der Universität Salerno und an der Scuola Normale Superiore Pisa. Seit 1995 ist Hans-Ulrich Treichel Professor am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Zu seinen Werken gehören „Der Verlorene“, „Menschenflug“, „Anatolin“ oder „Grunewaldsee“. Er wurde vielfach ausgezeichnet.
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Was: Buchvorstellung "Tagesanbruch"
Wann: Donnerstag, 23. Juni
Uhrzeit: 19:30 Uhr
Wo: Literaturhaus, Villa Clementine, Frankfurter Straße 1, Wiesbaden
Eintritt: 8,00 Euro, ermäßigt 7,00 Euro
Reservierungen sind unter Telefon 0611 3415837 oder per E-Mail an literaturhaus-kartenreservierung(at)freenet.de erbeten.
Foto: Amazon / Volker Watschounek