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Die ersten Auszählungsergebnisse lagen bereits wenige Minuten nach 18:00 Uhr vor. Der Grund ist für eine Demokratie beschämend. Wiesbadens Wähler quittierten den engagierten Wahlkampf der beiden Kandidaten für die Stichwahl zum Oberbürgermeister mit der üblichen niedrigen Wahlbeteiligung. Nur 32,1 Prozent der Wahlberechtigten gaben am Sonntag, 16. Juni, ihre Stimme ab. Das sind 2 Prozent weniger als bei der letzten Stichwahl 2013.
Von Anfang an lag Gert-Uwe Mende mit über 66 Prozent an der Spitze. Sein Gegenkandidat Eberhard Seidensticker konnte zu diesem frühen Zeitpunkt entsprechend nur gut die Hälfte, nämlich 34 Prozent der Stimmen, für sich verzeichnen. Im Großen Saal des Wiesbadener Rathauses lösten die ersten Ergebnisse keinen Jubel aus. Ruhig verfolgten die Anwesenden die Entwicklung der Auszählungsergebnisse.
Von Wahlpartystimmung konnte deshalb nicht die Rede sein, bereits um 19:15 Uhr war der Saal wie leergefegt.
Umso begeisterter wurde er in den Räumen der SPD gefeiert. Dennis Volk-Borowski gestand, dass er nach diesen langen Wochen in diesem Moment des Sieges den Tränen nahe sei und auch Mendes Tochter vergoss bei der Gratulation ein paar davon. Und so strömte zum Schluss nur noch der Sekt stärker als die Tränen.
Der frühere Bürgermeister Arno Gossmann zeigte sich ehrlich erfreut, dass sich sein Einsatz und der aller anderen Wahlhelfer in den letzten Wochen gelohnt hat.
Christoph Manjura ist total erleichtert und froh, dass Gert-Uwe Mende es geschafft hat. Vor allem dass er die Menschen von sich überzeugen konnte. "Er hat einfach einen sehr guten Wahlkampf geführt und auch schon dabei viel Zuspruch bekommen." Manjura betonte, dass die SPD mit Sven Gerich sechs gute Jahre an der Spitze des Rathauses hatte: "Und auch wenn Fehler passiert sind, ist die Bilanz insgesamt positiv und deshalb denke ich heute auch an ihn", fasst Manjura den Wahlkampf zusammen.
Auch Simon Rottloff freut sich natürlich über den Wahlausgang. "Das waren 14 Wochen großer Herausforderung. Geklappt hat es, weil GUM eine offene und authentische Art hat, die bei den Bürgern extrem gut ankam. Wir waren uns erst nicht sicher ob wir das schaffen. aber nach der erfolgreichen Stichwahl wussten wir, dass wir mit Gert-Uwe einen Top-Kandidaten hatten, der das möglich gemacht hat."
Zu den ersten Gratulanten gehörte Eberhard Seidensticker, der bereits um 18:40 Uhr seine Niederlage eingestand und Mende in den Räumen der SPD besuchte.
Keinen Grund zum Feiern gab es in den Räumen der CDU. Mit einem so klaren Ergebnis hatte man dort nicht gerechnet. Nur in Sonnenberg und Heßloch holte Eberhard Seidensticker eine knappe Mehrheit, in allen anderen Wahlbezirken unterlag er deutlich.
Bürgermeister Dr. Oliver Franz dankte Seidensticker für seinen engagierten Wahlkampf und allen Wahlhelfern für ihre Arbeit in den vergangenen Wochen und Monaten. Gleichzeitig kündigte er eine gründliche Analyse des Ergebnisses ab morgen an. Seidensticker selbst bedankte sich bei seiner Frau und seinen Kindern für die liebevolle Unterstützung und ebenfalls allen, die an seiner Seite gekämpft hatten.
Nach der erfreulich hohen Wahlbeteiligung beim ersten Wahlgang, der vor drei Wochen, am 26. Mai zusammen mit der Europawahl durchgeführt wurde, gelang es den beiden Kandidaten nicht, das Demokratieverständnis der Bürger auch für die Stichwahl zu mobilisieren. So gingen zum Beispiel im Rathaus-Wahllokal nur 165 von 1.165 Stimmberechtigten zur Urne. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei 32,1 Prozent.
Zwei dieser Wähler, die ihre Stimme im Wahllokal im Wiesbadener Rathaus abgaben, begründeten ihre Wahl wie folgt:
Jonathan Koth: Ich habe mich sehr genau über die beiden Kandidaten informiert, dabei hatte ich von Anfang an eine Tendenz. Bei der Wahlveranstaltung im „Wohnzimmer“ bei der sich beide den Fragen zu Wiesbadens Zukunft stellten, habe ich mich dann endgültig festgelegt. Ich finde wählen enorm wichtig, wer nicht abstimmt, sollte später auch keine Kritik üben.
Der Kandidat, dem Gaby T. ihre Stimme gab, verdankt den Urnengang der kostenlosen Live-Übertragung von Puccinis „Madame Butterfly“ auf dem Warmen Damm. „Eigentlich wollte ich gar nicht wählen gehen, aber da das Wahllokal auf meinem Weg zur heutigen Aufführung liegt, bin ich doch 10 Minuten früher losgegangen und habe noch gewählt. Die Oberbürgermeisterwahl ist für mich nicht so wichtig“, sagt sie und verschwindet in Richtung Kulturgenuss.
Und auch bei der SPD wurde mit DJ gefeiert. Passanten blickten erstaunt nach oben zu den Rathausfenstern, aus denen Musik schallte. Die Info, dass dort die Party für den neuen OB liefe, quittierten sie mit Erstaunen, sie hatten keine Ahnung, dass heute gewählt wurde...
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Fotos: Joshua Ziß und Daniel Becker