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Mit Spannung war sie im Vorfeld erwartet worden - die neue „amtliche“ Einwohnerzahl für die Landeshauptstadt. Das Großprojekt "Zensus 2011" wurde vor zwei Jahren von der Europäischen Union angeordnet. Ziel war unter anderem, die bislang auf Basis der Volkszählung 1987 fortgeschriebenen Bevölkerungszahlen zu überprüfen und zu korrigieren.
Am Freitag nun haben die statistischen Ämter des Bundes und der Länder die neuen Einwohnerzahlen veröffentlicht. Diese sind von Bedeutung für zahlreiche politische und gesellschaftliche Bereiche, denn nach ihnen werden beispielsweise die Wahlkreise eingeteilt und die Zahlungen im Länderfinanzausgleich und in den kommunalen Finanzausgleichssystemen vorgenommen.
Überall in Deutschland mussten die Bevölkerungszahlen nach unten korrigiert werden. Im Bundesgebiet gibt es 80.219.65 Einwohner (Minus 1.509.460) und in Hessen sind es 5.971.816 Einwohner (Minus 98.588), das entspricht einem „Schwund“ um 1,8 beziehungsweise 1,6 Prozent gegenüber der bisherigen Fortschreibung.
Großstädte waren dabei stärker betroffen als Landkreise. In den kreisfreien Städten Hessens lag der Rückgang zwischen 2,2 Prozent (Darmstadt) und 6,4 Prozent (Offenbach). In der Landeshauptstadt in Wiesbaden betrug der Korrekturbedarf 2,9 Prozent. Zum Erhebungsstichtag am 9. Mai 2011 wurden 269.121 Einwohner festgestellt.
Die neuen Einwohnerzahlen wurden nicht einfach den kommunalen Melderegistern entnommen, sondern auf Basis einer umfangreichen Stichprobe und eines komplexen Hochrechnungsverfahrens ermittelt. Damit sollten Über- und Untererfassungen in den Registern statistisch korrigiert werden. Dem Ergebnis nach gab es überall – und auch in Wiesbaden – mehr „Karteileichen“ als „Fehlbestände“, also mehr Personen, die zwar gemeldet waren, tatsächlich aber nicht oder nicht mehr an der Meldeanschrift wohnten. Derartige „Fehler“ im Melderegister lassen sich kaum vermeiden.
Über die bloße Einwohnerzahl hinaus liefert der Zensus auch Daten zu demographischen und sozioökonomischen Strukturen. Besonders interessant sind dabei jene Bereiche, über die bislang nur wenige oder keine kommunalen Informationen vorliegen, so etwa zur Erwerbstätigkeit, zum Beruf oder zum Bildungsstand der Bevölkerung.
Von den Wiesbadenern waren zum Stichtag des Zensus 132.550 erwerbstätig, darunter 82,3 Prozent im Dienstleistungsbereich. Die meisten verdienten ihr Geld als Angestellte oder Arbeiter/innen (108.050), darüber hinaus arbeiteten 8.190 Beamtinnen und Beamte sowie 20.300 Selbständige.
Neue Zahlen gibt es auch zu den Pendlerströmen: 80.860 Erwerbstätige pendelten innerhalb der Stadtgrenzen zu ihrer Arbeit, und 81.480 Einpendlern aus anderen Gemeinden stehen 43.580 Auspendlern gegenüber, die in Wiesbaden wohnten, aber außerhalb der Stadt arbeiteten.
Die im Rahmen des Zensus stichprobenweise durchgeführte Haushaltebefragung liefert Angaben zum Bildungsstand der Wiesbadenerinnen und Wiesbadener. 92.490 verfügten über ein Abitur oder die Fachhochschulreife, weitere 55.480 über einen mittleren Schulabschluss. Nur 21.090 hatten keinen Abschluss.
Auch zum Gebäude- und Wohnungsbestand bringt der Zensus neue Zahlen. Im Mai 2011 wurden in Wiesbaden 40.180 Gebäude mit Wohnraum registriert, davon 24.940 mit ein und zwei Wohnungen und 15.240 mit drei und mehr Wohnungen. Die Gesamtzahl der Wohnungen in Wiesbaden belief sich auf 142.536, davon standen 4.432 leer.
Der Anteil des selbst genutzten Wohneigentums lag in Wiesbaden bei 27,9 Prozent, dies war weniger als in Darmstadt (32,2 Prozent), aber mehr als in Frankfurt und Offenbach (19,8 Prozent beziehungsweise 22,4 Prozent). Die durchschnittliche Fläche pro Wohnung in der Landeshauptstadt Wiesbaden wurde mit 81,1 Quadratmetern beziffert.
Dass seit dem Stichtag der Erhebung bis zur Veröffentlichung erster Ergebnisse gut zwei Jahre ins Land gegangen sind, liegt an der Komplexität des Verfahrens.
In Deutschland wurde erstmals ein „registergestützter Zensus“ durchgeführt, bei dem im Unterschied zu traditionellen Volkszählungen auch Daten vorhandener Verwaltungsregister genutzt und mit verschiedenen Primärerhebungen, teilweise auf Stichprobenbasis, verknüpft wurden. Weitere Kontroll-Erhebungen und Plausibilitätsprüfungen dienten dazu, die Qualität der Ergebnisse abzusichern.
Die Stadt Wiesbaden mit einer eigenen Erhebungsstelle, die beim Amt für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik angesiedelt war, hatte großen Anteil an der Zensuserhebung. So waren in Wiesbaden rund 120 Erhebungsbeauftragte im Einsatz, die in den per Stichprobe ausgewählten Haushalten und an Sonderanschriften um die 11.000 Interviews führten. Darüber hinaus mussten im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung rund 4.000 ungeklärte Fälle übernommen werden.
Detaillierte Ergebnisse haben die statistischen Ämter in einer bundesweiten Auswertungsdatenbank bereitgestellt, die ab sofort über das Internetportal www.zensus2011.de frei zugänglich ist. Wer allerdings an detaillierten Daten für die Wiesbadener Stadtteile interessiert ist, muss sich noch gedulden. Dieses Zahlenmaterial liefern Bund und Länder erst Anfang 2014.
Symbolfoto