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Nach dem die Deutsche Bundesbahn im Jahr 1983 den Schienenverkehr zwischen Wiesbaden und Bad Schwalbach eingestellt hatte, übernahm der Verein Nassauische Touristikbahn (NTB) einige Jahre später die Strecke in den Taunus und das Aartal. Mit historischen Dampfloks ging es regelmäßig bis nach Hohenstein, kleine und große Fahrgäste hatten ihre helle Freude daran.
Eine Brücke im Wiesbadener Stadtgebiet, die mittlerweile fast jeder kennt, beschert dem Verein eine Unterbrechung ihres Angebots. Die Überführung in der Dotzheimer Flachstraße hat nur eine Durchfahrtshöhe von 3,60 Meter und so kommt es vor, das Lastkraftwagen daran hängen bleiben. Am 20. September 2009 war es wieder mal soweit. Ein Lkw rammt die Stahlkonstruktion und ein Querträger wird stark beschädigt. Seitdem kann die Strecke nicht mehr befahren werden, denn die historischen Dampfloks dürfen aus Sicherheitsgründen nicht mehr über die Brücke fahren. Auch in den vergangenen Jahren kamen es immer wieder zu Unfällen, bei denen Lastwagen an der niedrigen Brücke hängen blieben. Der letzte Vorfall datiert vom 24. November 2012 (siehe verlinkter Artikel).
Seit dem Vorfall aus 2009 versucht der Verein zusammen mit dem Pächter der ESWE-Verkehrs GmbH und der Stadt einen Neubau der Brücke mit einer erhöhten Durchfahrtshöhe von 4,50 Metern zu erreichen, um wieder Museumsfahrten anbieten zu können. Anfangs scheiterte der Neubau an den hohen Kosten. Die ESWE-Verkehr wollte den kompletten Abschnitt sicherer machen, so dass neben den Brückenkosten von rund 400.000 Euro weitere gut 4 Millionen Euro für den Rest der Strecke veranschlagt wurden. Die hohe Summe schreckte den Verein vor einer Umsetzung bis jetzt ab.
Die NTB hatte daraufhin beschlossen die Sanierung gemeinsam mit der Deutschen Museumeisenbahn GmbH in Eigenregie zu übernehmen. Oberbürgermeister Dr. Helmut Müller hatte im April 2012 dem Verein die Zusage gegeben eine Million Euro für die Reparatur von Brücke und Strecke zu finanzieren, sofern ein tragfähiges Konzept vorgelegt wird. Anfang August hatte die NTB den Gremien der Landeshauptstadt Wiesbaden die gewünschten Unterlagen vorgelegt, obwohl die nötigen Dokumente über Bauwerksprüfungen, Gleismessprotokolle, Kostenschätzungen sowie die Brückenbücher, die für die Ausarbeitung nötig gewesen wären, nicht zur Verfügung gestellt wurden. Erst nach mehrmaligen Nachfragen und Hacken hat der Magistrat die Unterlagen ausgehändigt, erklärt Marcus Giebeler Vorsitzender der NTB. In dem Konzept steht ganz klar drin, dass die Wiederinbetriebnahme der Aartalbahn mit Investitionen von 1 Million Euro möglich ist.
Etwa drei Monate nach der Einreichung des Infrastrukturkonzeptes, bestätigte der Magistrat den Eingang der Unterlagen. Im gleichen Atemzug hieße es das noch weitere Fragen zu klären sind, wie zum Beispiel die Vorlage eines erfolgversprechenden Betriebskonzeptes.
Da der NTB nicht ersichtlich ist, was genau unter der Anforderung eines "erfolgversprechenden Betriebskonzeptes" zu verstehen ist, bat der Verein beim Magistrat Mitte November um ein Gesprächstermin. Da dieser nicht zu Stande kam, übersendet die NTB dem Rathaus das Betriebskonzept "Bahnfahren im Stil der 50er Jahre" sowie einen aktuellen Wirtschaftsplan mit der Bitte um einen Gesprächstermin, damit der aktuelle Stand des Projektes erörtert werden kann.
Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten, am 10. Dezember teilt der Magistrat der NTB schriftlich mit, dass das "Betriebskonzept Bahnfahren im Stil der 50er Jahre" nicht aussagekräftig genug sei: "Es ist insbesondere nicht erkennbar, wie die wirtschaftliche Tragfähigkeit ihres Betriebskonzeptes für den oben genannten Streckenabschnitt aussehen soll." Weiter hieße es: Sobald alle notwendigen Unterlagen vorgelegt seien, stünde der Magistrat für ein Gespräch zur Verfügung. Am 22. Januar legte die NTB eine überarbeitetes und detailliertes Betriebskonzept vor und bittet erneut um einen Termin.
Aus Sicht der Stadt fehlt weiterhin ein belastbares und realistisches Betriebskonzept mit einer tragfähigen Wirtschaftsplanung. Dies gab Oberbürgermeister Dr. Müller in einer Pressemitteilung am 19. Februar bekannt.
„Der Magistrat ist nach wie vor willens, eine Million Investitionsmittel für das Projekt bereitzustellen, aber damit ist es nicht getan. Wenn wir so viel Geld in die Hand nehmen, muss auch ein realistisches Betriebskonzept vorliegen, da es außerdem um zusätzliche jährliche Aufwendungen – die im sechsstelligen Bereich liegen - geht. Wir sind seit Monaten in Verhandlungen mit dem Vorstand der Nassauischen Touristikbahn und warten seit dem letzten Sommer auf ein tragfähiges Betriebskonzept“, so OB Müller.
Da die Strecke ins Aartal seit September 2009 nicht befahren werden kann, bietet der Verein in den vergangenen Jahren vereinzelt Sonderfahrten auf anderen Strecken an. Durch die dauerhaft fehlenden Einnahmen droht der NTB die Insolvenz. Gegenüber der Frankfurter Rundschau berichtete der Vereinsvorsitzende Marcus Giebler, dass das Geld schon vor anderthalb Jahren ausgegangen ist und das der Verein zurzeit mit Spenden über Wasser gehalten wird. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt und der Verein zusammen kommen, sich an einen Tisch setzen und die letzten offen Punkte und Fragen klären und dann die versprochenen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der Vorstand will auf jeden Fall weiter dafür kämpfen.
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