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Das Interesse war groß am Montagnachmittag, um 16:00 Uhr, als Oberbürgermeister Sven Gerich und sein Kollege Arno Goßmann zur Besichtigung der neuen Flüchtlingsunterkunft in die Berliner Straße in Wiesbaden-Erbenheim eingeladen hatten. Knapp 30 Nachbarn und Anlieger waren gekommen, um einen Blick in das umgebaute Gebäude des ehemaligen Fotolabors von Besier zu werfen. Thomas Groß, Bauträger und Eigentümer des Areals, hatte ursprünglich vor das Gebäude abzureißen und neu zu bebauen, als die Anfrage der Stadt nach Anmietung und einem möglichen Umbau in Flüchtlingsunterkünfte kam.
Im Januar 2017 wird es soweit sein, dann sind die ersten Räume bezugsfertig. In Stufe eins werden zunächst circa 75 Personen einziehen. Aktuell bekommt Wiesbaden weniger als 80 Personen im Monat zugewiesen. Dabei weiß niemand, welche Menschen kommen. Die meisten Zimmer sind daher für vier Personen ausgelegt. Alle sind standartmäßig möbliert mit Betten, Schränken, Tisch und Stühlen. Es gibt mehrere Gemeinschaftsküchen sowie sanitäre Einrichtungen mit Toiletten - und Duschräumen. Ein Teil der Räume ist Behindertengerecht eingerichtet. Luxus sucht man vergeblich.
Bürgermeister Goßmann zeigte sich erleichtert, dass mit der Fertigstellung der Unterkunft erneut ein großer Schritt in Sachen Unterbringung getan werden konnte. Zusammen mit Oberbürgermeister Sven Gerich bekräftigte er, dass man hoffe, die maximale Belegungszahl von 400 Menschen nicht ausschöpfen zu müssen. „Nach einem Jahr, in dem wir viele Erfahrungen mit der Unterbringung von Asylsuchenden machen konnten, wissen wir, dass die Unterbringung in kleineren Wohneinheiten von 30 bis 40 Personen ideal ist. In der Realität stehen uns solche Unterkünfte aber aktuell nicht zur Verfügung“, sagte Goßmann.
Im Anschluss an den Rundgang durch das rund 7.000 Quadratmeter große Gebäude, versammelten sich die Teilnehmer in einem der bereits fast fertigen Sozialräume. Ein bunter Teppich mit fröhlichen Schmetterlingen zeigt, dass hier ein Raum für Kinder entsteht. Der Teppich lässt den sonst völlig schmucklosen Raum mit unverputzten Wänden freundlicher erscheinen. In kurzen Ansprachen appellierten Gerich und Goßmann an die Anwesenden, ihren Teil zur Integration beizutragen. „In den 40 städtischen Unterkünften läuft es vor allem deshalb gut, weil sich Menschen aktiv in den Integrationsprozess einbringen“, sagte Gerich und forderte die Anwesenden konkret auf sich zu beteiligen.
Malte Neutzler, Direktionsleiter des Polizeipräsidiums Westhessen und sein Kollege Volker Graw, Leiter des 4. Reviers in Bierstadt bestätigten, dass es durch die steigende Zahl der Flüchtlinge in Wiesbaden nicht zu einem signifikanten Anstieg von Straftaten gekommen sei. Fakt sei aber auch, dass es innerhalb der Unterkünfte zu Vorfällen kommt. Dies erklärt sich vor allem durch das enge Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Kulturen.
Wie schon im Vorfeld der Entscheidung, beklagte sich ein Anwohner über die Vorgehensweise der Stadt bei der Entscheidung für den Standort. Zwei Gesprächsrunden mit Anwohnern und dem Ortsbeirat hatten stattgefunden, nach Ansicht des Nachbarn jedoch zu spät. Eine solche Kommunikationspolitik treibe Bürger regelrecht in die Arme der AfD. Mit vor Wut bebender Stimme machte er seiner Einstellung zur Unterkunft Luft. Fragen formulierte er keine, vielmehr verlor er sich in Andeutungen über Baumängel und Gefahren für die Anwohner durch mögliche Anschläge.
Wolfgang Werner, Leiter des städtischen Amts für Grundsicherung und Flüchtlinge, erläuterte daraufhin den Begriff „Bürgerbeteiligung“. Er freue sich über den Austausch und Anregungen aus der Bürgerschaft, das heiße jedoch nicht, dass alles was aus der Bevölkerung an ihn herangetragen wird, von ihm eins zu eins umgesetzt werde. Seine Weisungen bekommt er nach wie vor von seinen vorgesetzten Behörden, denen er verpflichtet sei. Oberbürgermeister Gerich pflichtete ihm bei und bat um die Nennung von Ross und Reiter, damit er Vorwürfen konkret nachgehen könne.
Ein wichtiges Thema ist die Regelung der Fluchtwege, hier will die Stadt in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr sicherstellen, dass es mehr als nur einen Rettungsweg gibt. Gerich und Werner dankten für den Hinweis.
Im Hinblick auf die vielfältigen Ängste der Anwohner betonte Werner, dass es vor Ort eine Betreuung durch Sozialarbeiter geben werde. Sprachkurse und Spielangebote für Kinder seien selbstverständlich. Auch die Betreuung durch einen Hausmeister sei gewährleistet. Für die Erbenheimer heißt es jetzt Ruhe bewahren und abwarten, wie sich das Zusammenleben mit den neuen Nachbarn in den kommenden fünf Jahren entwickelt. Vielleicht sogar positiv, denn laut des wütenden Anwohners hat man bislang nicht viel Kontakt miteinander gehabt.
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Fotos: Petra Schumann