ANZEIGE
Dass im „Ländche“ die Uhren häufig anders gehen, wissen viele schon lange. Trotzdem war die Verwunderung groß, wie der Main-Taunus-Kreis auf den Bescheid, 1000 Flüchtlinge aufzunehmen reagierte. Statt im nahegelegenen Wiesbaden nachzufragen, wie es dort seit vier Wochen läuft, hat man lieber das Rad neu erfunden. Schade und für viele unverständlich, da ein solches Vorgehen nicht nur die sowieso schon gigantischen Kosten noch mehr in die Höhe treibt, sondern auch Chancen vergibt von der Zusammenarbeit zu lernen, wertvolle Informationen weiterzugeben und damit die eine oder andere unliebsame Erfahrung bereits im Vorfeld zu vermeiden. In Wiesbaden zeigten sich Helfer der beauftragten Organisationen verwundert, dass aus dem Main-Taunus-Kreis keine Anfragen nach Erfahrungsaustausch kamen. Auch für den Ausruf des Katastrophenfalls hat man kein Verständnis.
Bereits im Vorfeld entschied der Kreis, bei der Organisation der „Katastrophe“ auf ehrenamtliche Helfer zu verzichten und die Aufgabe ausschließlich mit beauftragten Helfern durchzuführen. Im Gegensatz zu Wiesbaden, wo die Verantwortlichen von Anfang an die Bürger mit ins Boot nahmen und für Verständnis und ehrenamtliche Hilfe warben, schottete man in Wallau die Ländcheshalle gleich zu Beginn ab. Bis heute verhindert ein Bauzaun mit Planen die Sicht auf das Gelände und die darauf lebenden Menschen. Die Reaktion der Bevölkerung ließ nicht auf sich warten und so waren die Fragen, anlässlich der Bürgerversammlung in Hofheim, von deutlich mehr Ablehnung und Ängsten geprägt, als bei vergleichbaren Veranstaltungen in Wiesbaden.
Ausgestattet mit der Macht des Katastrophenfalls, donnerten die Einsatzwagen während der Vorbereitungsarbeiten durch die 30er Zone vor der Taunusblick-Schule und die Mitarbeiter der beauftragten Hilfsdienste kommentierten das verständliche Interesse der Wallauer nicht immer freundlich. Eine eher negative Grundstimmung der Wallauer, die sich auch in den sozialen Medien wiederspiegelte, war die Folge.
Zeitgleich waren in Wallau einige Bürger nicht bereit, sich von dem Thema vor ihrer Haustür ausschließen zu lassen und organisierten sich in Windeseile selbst. Dank der bereits erwähnten sozialen Medien, genügten wenige Stunden, um eine Kleiderspendenannahme in den Räumen der örtlichen Feuerwehr einzurichten. Denn die vom Kreis eingerichtete, zentrale Kleiderspendenannahme in Kelkheim, ist nur mit Aufwand zu erreichen. Vom ersten Abend an, war das Spendenaufkommen überwältigend und der Strom der Hilfe ist bis heute nicht abgerissen.
Bis heute haben die Helfer unglaubliches auf die Beine gestellt. Vor so viel „Power“ knickte auch der Kreis ein und gestattet den Helfern, ihre Hilfe direkt in die Notunterkunft Ländcheshalle zu bringen. Unter der Leitung von Nicole Schneider gibt es jetzt in Wallau zwei Ausgabezelte für Sachspenden der Bevölkerung. Getrennt nach Frauen und Männern, können sich die Bewohner der Halle selbst umsehen und für sich Passendes aussuchen. Das ist nicht nur eine organisatorischen Entlastung, sondern auch ein kleines Stück Menschenwürde. Schnell und unbürokratische ist diese Hilfe und sie verbindet nicht nur die Helfer, sondern zeigt, dass Flüchtlinge Menschen sind. In den Kommentaren der sozialen Netzwerke kann man lesen, dass nicht alle auf diese Tatsache vorbereitet sind. Plötzlich bekommen die Flüchtlinge einen Namen, ein Gesicht und eine Geschichte. Das ist für die Helfer nicht immer leicht und umso mehr zu würdigen.
Der Kreis scheint aus den Erfahrungen in Wallau zu lernen, denn für die neue Aufnahmestelle in der Bad Sodener Hasselgrundhalle werden zunächst auch ehrenamtliche Helfer eingesetzt.
Gemeinsam, Hand in Hand und mit allen gebündelten Fähigkeiten, hat eine Gemeinde wie Wallau eine große Chance diese Ausnahmesituation zu bewältigen. Die Gruppe "Flüchtlingshilfe Hofheim-Wallau" macht es vor und zwar ganz im Sinne des diesjährigen Preisträgers des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels Navid Kermani, dessen bewegende Rede eine ideale Wissengrundlage für die Situation in Syrien ist.
Sind Sie auf Facebook? Dann werden Sie Fan von Wiesbadenaktuell.de
Sie möchten in Wallau helfen?
Nächste Kleiderspendenabgabe:
Donnerstag, 22. Oktober 18:00 – 20:00 Uhr
Aktuelle Infos unter rudynet oder bei Facebook.
Dolmetscher für Arabisch, Farsi und Dari und andere Sprachen senden eine E-Mail an: notunterkunftehrenamt(at)mtk.org
Fotos Rudy Görgen