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Zum zweiten Mal feierte ein Suchsland-Film am vergangenen Donnerstagabend Premiere. Nach “Von Caligari zu Hitler” (2014) hält nun “Hitlers Hollywood” (2016) Einzug in die Kinos und untersucht die deutsche Filmlandschaft im Zeitalter der Propaganda 1933-1945.
Über 1.000 Spielfilme wurden in den Jahren 1933-1945 in Deutschland hergestellt. Bei den wenigsten handelt es sich um offene Propaganda. Aber noch weniger, der im Nationalsozialismus produzierten Filme sind harmlose Unterhaltung. Das nationalsozialistische Kino war staatlich gelenkt. Goebbels hatte es sich untertan gemacht und es für seine Zwecke genutzt. Zugleich wollte das NS-Kino „großes Kino" sein: eine deutsche Traumfabrik.
Hitlers Hollywood erzählt von einem Abschnitt der Filmgeschichte, die wohl zu den dramatischsten gehört. Während die Regierung Verbrechen beging, die schlimmer kaum hätten sein können, malten die Kinofilme Bilder idyllischer Traumwelten. Die NS-Filme waren nicht nur technisch perfekt gemacht, sie waren emotional, weckten Sehnsüchte, ließen träumen, boten Zuflucht. Das Kino war industriell vorgefertigt und manipulativ.
Die Intentionen hinter den Filmen scheinen heute, mit unserem Wissen und aus unserer Perspektive offensichtlich und durchschaubar. So stellten die Filmemacher das Soldatenkollektiv als innstiftende Einheit, Opferbereitschaft als Motivation und einen heroischen Untergang als erstrebenswert und ehrenvoll dar. Der Tod wurde glanzvoll inszeniert und verkitscht, als gäbe es keine größere Ehre, als für das Vaterland und den Führer zu sterben.
Vielleicht waren die Gefühle, die diese Filme weckten, oft ein Selbstbetrug. Aber es waren eben Gefühle. Nur so ist die Wirkungskraft des NS-Kinos zu erklären. Die gute Laune und die allgemeine Heiterkeit, die in den Filmen herrschte schufen eine heile Welt, die die Deutschen von einem Idyll träumen ließen, dass sie im Alltag so nicht finden konnten.
Millionen gingen seinerzeit ins Kino. Welche Träume träumten die Deutschen in ihrer ureigenen germanischen Traumfabrik? Wovon sollten sie träumen, wenn es nach den Machthabern ging? Wie funktioniert Propaganda? Was weiß das Kino, was wir nicht wissen?
Um diese Fragen beantworten zu können, untersuchte Regisseur Rüdiger Suchsland unzählige Spielfilme, die zwischen 1933 und 1945 entstanden. Angefangen bei “Hitlerjunge Quex” (1933), der Werbung für die klaren Strukturen und die gelebte Disziplin in der Hitlerjugend macht, über “Der Mann der Sherlock Holmes war” (1937), in dem Heinz Rühmann als Dr. Watson mit seiner gewohnten Heiterkeit vermittelt, dass alles gar nicht so schlimm sei, bis hin zu “Jud Süß” (1940), der den Antisemitismus bewerben und legitimieren soll.
„Wie sollten, und wie können wir damit umgehen, dass es Kinofilme gibt, die moralisch-politisch abstoßend und unentschuldbar sind, deren künstlerischer Wert und technisches Können sich zugleich aber nicht von der Hand weisen lassen?“ fragt sich Regisseur und Kritiker Rüdiger Suchsland („Von Caligari Zu Hitler“) und legt damit den Nährboden für seinen neuen Kinodokumentarfilm “Hitlers Hollywood”.
Dass das NS-Kino ein von rigider politischer und kultureller Zensur unterworfenes Kino war, ist bekannt, doch was verrät uns das nationalsozialistische Kino über das Dritte Reich und seine Menschen? Mit seiner neuen Regiearbeit “Hitlers Hollywood” widmet sich Rüdiger Suchsland dem Deutschen Kino im Zeitalter der Propaganda 1933-1945, hinterfragt, wie diese Filme, ihre Mythen und Erzählungen wirken, ihre offenen Lügen und ihre versteckten Wahrheiten… und erzählt dabei von Anpassern, Fanatikern, Karrieristen, Opportunisten, Rebellen, Widerständlern, Überläufern, von Feiglingen und Mutigen, von Tätern und Opfern.
Nach etwas mehr als eineinhalb Stunden Dokumentarfilm, stand der Regisseur Rüdiger Suchsland für Fragen zur Verfügung. "Warum haben Sie sich für dieses Format entschieden, einen Montagefilm mit altem Material, ohne Kommentare verschiedener Historiker?", wollte Sebastian Schnurr vom Murnau Filmtheater von ihm wissen. Der Filmemacher begründete seine Entscheidung mit dem Wunsch, sein Publikum in einen Bann zu ziehen, sie Teil des Films werden lassen zu wollen. Die klugen Kommentare zwischendurch hätten die Zuschauer ständig zurück in die Gegenwart gezogen. Und dass es ein Montagefilm geworden sei, läge daran, dass die nachgedrehten Passagen, die es tatsächlich gebe, einfach nicht in den Film gepasst hätten.
Um 22:15 Uhr war der Abend schließlich offiziell beendet, die Premiere vorüber. Mit "Hitlers Hollywood" hat Suchsland eine bedeutende Lücke auf dem Gebiet der Dokumentarfilme über die NS-Film-Forschung geschlossen, von deren Schluss in Zukunft unzählige Schüler, Studenten und Interessierte profitieren werden.
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