ANZEIGE
Ein langer Tisch, ein Mittwochmorgen, es duftet nach Waffeln: Acht Frauen – fast alle aus Afghanistan – und ihre Kindern haben sich in der großen Küche zum Frühstücken versammelt. Kaffee und Tee dampft in den Kannen, auf dem Tisch stehen Brötchen und Marmelade neben orientalischem Gebäck.
Integration geht durch den Magen – das weiß auch Koordinatorin Petra Tietjen und Elternbegleiterin Franziska Noltemeier von der Evangelischen Familienbildungsstätte in Wiesbaden. Sie organisieren seit einigen Wochen regelmäßig ein Elterncafé in der Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in Wiesbaden-Delkenheim. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesmodellprogramms „Starke Netzwerke Elternbegleitung für geflüchtete Familien“, vom Bundesfamilienministerium gefördert.
Die Frauen, die in der Küche in Delkenheim zusammensitzen, sind zwischen 20 und 50 Jahre alt, sie alle sind vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen, oft sind sie schon fast zwei Jahre in Deutschland, in Delkenheim. Die meisten haben mehrere Kinder, eine Frau ist schwanger, zwei, drei weitere haben letztes Jahr hier in Wiesbaden ihr Kind bekommen.
Dass die Unterkunft – hier leben rund 80 Menschen – mitten im Gewerbegebiet liegt und weit und breit kein Spielplatz oder Park ist, ist gerade für die Frauen mit kleinen Kindern schwierig, erklärt Petra Tietjen. „Die Männer sind beim Sprachkurs in der Stadt und die Frauen sitzen zum Teil den ganzen Tag hier in der Unterkunft.“ Deswegen hat sie kurzerhand beschlossen, dass sie ein Elterncafé erstmal einfach direkt in der Unterkunft organisiert – und hier trifft sie auch regelmäßig acht bis zehn Mütter mit ihren Kindern an, die sich auf den gemeinsamen Mittwochmorgen freuen und schon früh anfangen, Tische zu decken oder Obst zu schneiden.
Während die Mütter am Tisch beieinander sitzen, wuseln die Kinder auf dem Boden, spielen und toben. Es gibt immer eine gemeinsame Begrüßung und Vorstellungsrunde auf Deutsch und dann wird sich ausgetauscht: Es geht um die Rolle der Frau in Deutschland, um Emanzipation, um kulturelle Unterschiede, deutsche Frühstückstraditionen, aber auch um die Vermittlung von Beratungsangeboten, Ärzten und praktischen Hilfen. „Wir wollen die Frauen unterstützen und mit Rat zur Seite stehen, aber ihnen natürlich auch einfach Abwechslung bieten“ so Tietjen und Noltemeier. „Man kann schon mit ganz wenig viel bewirken.“ Und ganz nebenbei wird auch noch Deutsch geübt.
Unterstützt werden Tietjen und Noltemeier noch von zwei jungen Leuten, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr in der katholischen Kirche absolvieren, und mittwochs abwechselnd dabei sind, und Shahlar Nasrian, einer Sprachmittlerin, die nicht nur dolmetscht, sondern auch in kulturellen Fragen unterstützt und zur Seite steht. Im Anschluss an das zweistündige Beisammensein bietet Petra Tietjen noch Einzelberatung an – auch das wird von den Frauen rege genutzt.
Mittelfristig soll das Elterncafé in andere Räume umziehen, damit die Frauen lernen, sich außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft zu bewegen und Regelangebote zu nutzen. Möglichst nicht zu weit, damit es auch machbar ist, mit Kind und Kegel hinzukommen. Und schön wäre auch, so Petra Tietjen, wenn es wirklich ein interkultureller Treff werden würde, wenn also auch Einheimische oder kürzlich einheimisch gewordene Familien mit ihren Kindern dazu kommen.
Wer Interesse hat, am Elterncafé teilzunehmen, kann einfach mittwochs zwischen 10:00 und 12:00 Uhr in die Gemeinschaftsunterkunft nach Delkenheim kommen. Es wird noch pädagogisches Spielzeug für Kleinkinder und Bücher für unter Dreijährige gesucht.
Kontakt: Petra Tietjen-Berntzen, Koordinatorin Starke Netzwerke, Evangelische Familien-Bildungsstätte, Telefon: 0611 / 5802639, Mobil: 0157 / 83399226.
P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie Fan von Wiesbadenaktuell.de
Hintergrund
Mit dem Modellprogramm „Starke Netzwerke Elternbegleitung für geflüchtete Familien“ fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 2017 bis 2020 die Weiterentwicklung flüchtlingsbezogener Elternbegleitung. Ziel ist es, Netzwerke von Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern verschiedener Träger und Flüchtlingsfamilien zu stärken. Elternbegleitung soll dadurch nachhaltig im Sozialraum verankert werden. An bundesweit 50 Standorten unterstützen modellhaft lokale Elternbegleitungsnetzwerke zugewanderte Familien beim Ankommen und bei der Integration in der Kommune. Institutionen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, in denen Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter tätig sind, bilden im Rahmen des Programms ein Netzwerk mit wichtigen Partnern im Sozialraum und entwickeln in Abstimmung mit dem zuständigen Jugendamt niedrigschwellige Beratungs- und Begleitungsangebote für geflüchtete Familien. Durch die Elternbegleitungsnetzwerke erhalten neu zugewanderte Familien vor Ort wirksame Unterstützung bei der Integration, insbesondere für die Bildungschancen ihrer Kinder.
Die Evangelische Familienbildungsstätte ist einer dieser Standorte zusammen mit der Beratungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen in Wiesbaden, dem internationalen Frauen- und Mädchen-Begegnungs- und Beratungs-Zentrum Wiesbaden und der Fachstelle Elternbildung bei der Stadt Wiesbaden.