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„Das macht man nicht“, ist ein sehr beliebter Satz in der Kindererziehung. Auf die Gegenfrage der Sprösslinge „warum?“, antworten die Eltern oft pädagogisch unsensibel mit „darum“. Irgendwann, nach zahllosen Wiederholungen, akzeptiert das Kind (wenn man Glück hat), dass man nicht rülpst, mit dem Finger in der Nase bohrt oder sich an Supermarktkassen auf dem Boden wälzt, weil man keinen Kaugummi gekauft bekommt. Andere machen diese Dinge trotzdem, scham- und schmerzbefreit bis zur Volljährigkeit und darüber hinaus und finden, dass das die anderen so hinnehmen müssen.
Vielleicht hatte Christoph Manjura genau so ein Elterngefühl, als er vom neusten Streich des ehemaligen Koalitionspartners hörte.
„Es gibt im Wettbewerb der Parteien um richtige und weniger richtige Lösungen in unserem demokratischen Gemeinwesen immer ein bestimmtes Maß an Spielregeln, die von allen einzuhalten sind“, betont der Fraktionsvorsitzende der SPD in der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung. „Zu diesen demokratischen Grundregeln gehört, dass nicht derjenige das Amt des Stadtverordnetenvorstehers übernimmt, der es um jeden Preis haben will, sondern wer von der Partei vorgeschlagen wird, die als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen ist.“
Der wichtigste Grund für diese Tradition ist wohl seither, dass Stadtverordnetenvorsteher und –Vorsteherinnen gerade eine vermittelnde Aufgabe haben und deshalb nicht durch politisches Taktieren mit Mehrheiten erkämpft werden sollen. „Die sogenannte Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU, Freien Wählern und Bürgerliste ändert nichts daran, dass das Vorschlagsrecht für das Amt des Stadtverordnetenvorstehers bei der SPD liegt.“, sagt der Vorsitzende der Wiesbadener SPD-Stadtverordnetenfraktion, Christoph Manjura. Entscheidend dafür sei nämlich, wer als stärkste Partei aus der Kommunalwahl hervorgehe. „Wenn man Spielregeln ändern möchte, sollte man dies frühzeitig kommunizieren. Es gab aber seitens der CDU über sechs Wochen keinerlei Initiative dazu. Und deshalb haben wir auch mit Christa Gabriel guten Gewissens eine geeignete Kandidatin nominiert.“
Von besonderer Bitterkeit sei das plötzliche Vorgehen der Union, da es öffentlich den Eindruck vermittele, dass Teile der Stadtpolitik aus dem Wahlergebnis nichts gelernt hätten. Hierfür sei jedoch einzig und allein die CDU verantwortlich, die obendrein billigend in Kauf nehme das überparteiliche Amt des Stadtverordnetenvorstehers nachhaltig zu beschädigen.
„Die SPD-Fraktion hat gestern in geheimer Abstimmung einstimmig Christa Gabriel für das Amt der Stadtverordnetenvorsteherin nominiert. Wir halten an unserem Vorschlagsrecht fest. Das Angebot von Christa Gabriel sich den anderen Fraktionen im Haus vorzustellen bleibt selbstverständlich bestehen“, äußert sich Manjura abschließend.
Nach der Veröffentlichung der CDU Pressemitteilung, zeigten sich die Menschen in den sozialen Netzwerken sichtlich geschockt. In einer Zeit, in der CDU und SPD vor den Trümmern ihrer Wiesbadener Politik der vergangenen fünf Jahre stehen, scheint die Einsicht, zumindest bei der CDU, nur sehr gering zu sein. Nicht anders lässt sich ihre Vorgehensweise in Sachen Stadtverordnetenvorsitz erklären.
Die Wähler, die ihre Stimme für die beiden Wählergemeinschaften abgaben, wurden heute in der politischen Realität empfangen. Mal sehen, ob sie sich das fünf Jahre merken werden?
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Foto: SPD