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Bürgerversammlungen in Wiesbadener Stadtteilen und Vororten zum Thema „Flüchtlingsunterbringung“, finden seit September 2015 regelmäßig statt. Mittlerweile hat Oberbürgermeister Sven Gerich den Staffelstab des Vorsitzes an seinen Kollegen Bürgermeister Goßmann übergeben, da Gerich in erster Linie mit dem Thema Notunterkünfte betraut ist und die Zuständigkeit für die dauerhafte Unterbringung bei Bürgermeister Goßmann liegt. Zusammen mit seinem Expertenstab, unter anderem Roland Stöcklin, Geschäftsführer der SEG und Malte Neutzler, Direktionsleiter der Polizeidirektion Wiesbaden, versuchte er die Fragen der Bürger im prallvollen Raum, der zukünftigen Unterkunft in der Hans-Bredow-Straße, zu beantworten.
Nach der Begrüßung durch den Ortsvorsteher Südost, Ulrich Weimer, ging es direkt in Fragerunde. Am meisten interessierte die Anwohner, die Zusammensetzung der zukünftigen Bewohner hinsichtlich ihrer Herkunft, aber auch ob man eher mit Familien oder allein reisenden Männern rechnen könne. Hier wurde bereits deutlich, dass viele der meist älteren Teilnehmer der Versammlung echte Ängste haben, dass ihr bis dahin ruhiges und gefühlt sehr sicheres Leben in ihrem Quartier, durch die neuen Nachbarn nachhaltig gestört und gefährlicher werden könne. Vor allem die Tatsache, dass durch die Lage des Gebäudes jeder gezwungen ist, auf dem Weg von und nach Hause an dem Gebäude vorbei zu gehen, empfanden die Bürger als bedenklich.
Bürgermeister Goßmann konnte keine konkreten Antworten über die Zusammensetzung der neuen Bürger geben. Auch die Stadt bekommt nur wenige Tage vor dem Einzug genauere Informationen, welche Menschen kommen werden. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass nach Wiesbaden wenig bis keine Zuweisungen von Menschen aus den sogenannten Maghreb Staaten sowie dem Kosovo kommen. Das Haus in der Hans-Bredow-Straße bietet nach Abschluss der Umbauarbeiten Platz für maximal 600 Bewohner. Goßmann betonte jedoch, dass man in Wiesbaden bisher versucht eine Maximalbelegung zu vermeiden, um daraus entstehende Probleme bereits im Vorfeld auszuschließen. Bis Mitte Februar werden die ersten 160 Bewohner erwartet.
Mehrere Bürger signalisierten Hilfsbereitschaft und erkundigten sich nach konkreten Möglichkeiten, wie sie sich vor Ort einbringen können. Hier verwiesen die Verantwortlichen auf die extra eingerichtete Internetseite der Stadt über die Hilfsangebote aller Art zentral koordiniert werden.
Viele Bürger beklagten die späte und von ihnen als unzureichend empfundene Informationspolitik der Stadt. Goßmann erklärte mehrmals, dass die Stadt und er als ausführendes Organ, keinen Einfluss auf die Zuweisungen nehmen könne und dass man bei der Entscheidung, welche Gebäude für eine solche Nutzung in Frage kommen, keine große Auswahl gehabt habe. Er betonte erneut, dass eine frühere Information der Anwohner, aufgrund der daraus entstehenden Gefährdung des Gebäudes, ausgeschlossen gewesen sei.
Auf Nachfrage erklärte SEG Geschäftsführer Ronald Stöcklin, dass die Nutzung des Gebäudes stand heute für 7 Jahre geplant sei. Über den Kaufpreis konnte er keine konkrete Angabe machen, bezifferte sie doch auf den ungefähren Grundstückspreis, da das Gebäude nach dem jahrelangen Leerstand quasi wertlos war.
Malte Neutzler, Direktionsleiter der Polizeidirektion Wiesbaden, verwies auf die in der kommenden Woche erscheinende Kriminalitäts-Statistik für Wiesbaden und versuchte die Bürger zu beruhigen. Aktuell sei keine überbordende Entwicklung der Kriminalität im Umfeld der bereits bestehenden Unterkünfte zu verzeichnen. Er forderte die Bürger auf, sich in konkreten Fällen direkt mit der Polizei in Verbindung zu setzen.
In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, ob und wie die Menschen in der Unterkunft beschäftigt würden. Auch die Frage nach fehlenden Kindergarten- und Schulplätzen wurde in den Raum gestellt. Bürgermeister Goßmann erklärte erneut, dass die konkrete Planung erst beginnen könne wenn feststehe, welcher Personenkreis das Haus beziehen werde. Sprachlernangebote gäbe es jedoch von Anfang an.
Zeitweilig schwappten die Emotionen dann doch über. Ein Teil der Teilnehmer zeigte deutlich Bereitschaft, die Situation anzunehmen und erst einmal abzuwarten. Ein anderer Teil schien sich sicher zu sein, dass mit dem Einzug der Flüchtlinge sich Sodom und Gomorra im Quartier breit machen werde. Mit nur mühsam beherrschter Stimme, forderten zwei Teilnehmerinnen die ultimative Betreuung der Flüchtlinge, bei gleichzeitiger 100% Sicherheit für die Anwohner. Auch das Thema Sauberkeit und Schutz der Kinder vor den Flüchtlingen (in dieser Priorisierung), wurde heiß diskutiert. Besonders groß war die Angst, dass gerade gut ausgebildete und integrationswillige Menschen nur kurz in der Unterkunft bleiben würden. Zurück bliebe dann ein Klientel, das sich in der Hans-Bredow-Straße keiner wünsche.
Erneut verwies Bürgermeister Goßmann darauf, dass man in dieser Runde die grundsätzliche Problematik durch die Flüchtlinge nicht klären könne und dass die Aufnahme und Unterbringung alternativlos sei. Nach knapp zwei Stunden beendete Ulrich Weimer die Versammlung. Viele Bürger diskutierten noch persönlich mit den Verantwortlichen oder untereinander. Der Frust über die Situation stand vielen ins Gesicht geschrieben. Jetzt muss man abwarten, wie sich die Lage nach dem Bezug der Unterkunft, an der Hans-Bredow-Straße entwickelt.
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Fotos Petra Schumann