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Mit einem Überraschungsergebnis ist am Sonntagabend die Stichwahl zwischen dem amtierenden Oberbürgermeister Dr. Helmut Müller (CDU) und dem Herausforderer Sven Gerich (SPD) ausgegangen. Mit 50,8 Prozent der Stimmen konnte Gerich den Wahl-Krimi für sich entscheiden.
Wiesbadenaktuell.de hat beide Kandidaten nach der Wahl gesprochen. Wahlsieger und Herausforderer Sven Gerich (SPD):
Wiesbadenaktuell: Bis vor 14 Tagen waren sie so gut wie ein unbeschriebenes Blatt bei der SPD und jetzt Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt. Wie geht es ihnen persönlich heute Abend?
Gerich: Ich bin unglaublich glücklich. Ich freue mich für mich, ich freue mich für meine Partei, ich freue mich für die Menschen in dieser Stadt, weil ich glaube, dass sich da etwas verändern wird. Ich habe gesagt, ich möchte eine menschlichere Stadt und dass werde ich in den nächsten 6 Jahren umsetzen.
WA: Was war ihr erster Gedanke als Sie das Ergebnis gesehen haben?
Gerich: Unglaublich!
WA: Nur unglaublich oder war da noch mehr?
Gerich: Der erste Gedanke war unglaublich, der zweite war eine riesen Nummer und dann kam dieses Gefühl des Stolzes dazu, der Stolz auf mich, der Stolz auf meine Partei aber vor allem auf die Menschen dieser Stadt, die verstanden haben, dass es mir um die Menschen in dieser Stadt geht. Und sie es im Ergebnis auch ausgedrückt haben.
WA: Was hat Herr Müller zu Ihnen gesagt als Sie sich oben begegneten?
Gerich: Er hat mir sehr freundlich zum Erfolg gratuliert und nahegelegt auch weiterhin das Beste für die Stadt zu wollen, was aber sowieso nicht zur Frage steht.
WA: Welche Glückwünsche haben Sie erhalten?
Gerich: Neben vielen Freunden, Bekannten und Unterstützern, haben mir die Ministerpräsidentin aus NRW Hannelore Kraft und Parteivorsitzender Sigmar Gabriel telefonisch zu meinem Erfolg gratuliert.
WA: Wie wird es heute Abend weitergehen?
Gerich: Heute Abend werde ich ein bisschen feiern. Am Montag gilt es natürlich die Übergabe vorzubereiten. Es gibt massig Interviewanfragen.
WA: Haben Sie schon einen Plan was sie als erstes für die Stadt machen werden?
Gerich: Nein, dies werden wir in aller Ruhe besprechen und erarbeiten.
Der knapp unterlegene Oberbürger Dr. Helmut Müller (CDU):
WA: Herr Dr. Müller, wie nehmen Sie das auf heute? Hatten Sie gedacht es ist so knapp, das wird gelingen?
Müller: Also ich habe gedacht, dass es knapp werden wird, allerdings habe ich gehofft, dass es eine andere Richtung gehen wird. Ich habe Sven Gerich sofort gratuliert, nach dem er als Sieger feststand. Wir haben einen fairen Wahlkampf geführt. Das Haus, was ich Übergebe ist ganz gut bestellt. Ich für meinen Teil bedanke mich bei allen die mich unterstützt haben und die mich gewählt haben. Das war in den letzten 14 Tagen schon eine furiose Unterstützung. Es war ein gutes Gefühl, allerdings war der Abend heute weniger gut.
WA: Es gab ja schon mal eine Mahnung von Petra Roth (ehemalige Oberbürgermeisterin aus Frankfurt) vor einiger Zeit. Ihr müsst aufpassen, dass ihr die Großstädte noch halten könnt. Vielleicht wirkt die Partei noch etwas zu unmodern? Sind sie dieser Meinung, war das ein ausschlaggebender Punkt?
Müller: Zur Frage der Großstadtpartei CDU: Ich habe die Wahl heute Abend verloren, da gibt es nichts dran zu deuteln. Man kann jetzt nicht sagen, das Welten zwischen den Parteien liegen, sondern ich glaube, dass der Kurs den wir als Union gefahren sind im Prinzip schon richtig war. Man muss schauen, wo die zwei bis drei Prozent gelegen haben, weshalb das schiefgegangen ist. Wie gesagt, am Ergebnis keine Zweifel, aber den Kurs glaube ich kann man nicht interpretieren das die Union sozusagen in Großstädten gnadenlos verloren wäre, das geben die Zahlen glaube ich nicht her.
WA: Sind es die jungen Wähler die ihnen abhandengekommen sind oder andere?
Müller: Wenn man sich die Strukturen vom letzten Mal anschaut, die neuen Wählerströme kenne ich nicht, kann man schon klare Strukturen erkennen wer wen wählt. Aber das tröstliche daran ist, dass auch junge Wähler älter werden.
WA: Also sie sind noch relativ frohgemut. Was heißt das und wie werden sie weiter machen?
Müller: Ich bin Demokrat, das heißt wenn man glaubt man gewinnt, das man auch verlieren kann. Das ist heute mir zugestoßen, jetzt muss ich mir überlegen was ich mache, ich habe im Moment keine Ahnung.
WA: Wie wird es weitergehen die nächsten Tage?
Müller: Also ich muss erst mal meinen Kopf sortieren, mal alles überlegen und gucken woran es gelegen hat, dass interessiert mich natürlich auch, dass interessiert die Union und dann müssen wir schauen was ich machen werde. Aber das ist alles viel zu frisch, viel zu durcheinander als dass ich jetzt eine feste Meinung hätte.
Wiesbadenaktuell.de hat den ehemaligen Oberbürgermeister, Achim Exner (SPD) zum Wahlerfolg von Sven Gerich befragt.
WA: Herr Exner, was sagen Sie dazu, dass Ihr politischer Ziehsohn Oberbürgermeister geworden ist?
Exner: Ich bin stolz auf Sven und auf die ganze Truppe, die mit ihm den Wahlkampf gemacht hat. Das sind junge Leute mit denen es Spaß macht zusammen zu arbeiten und ich glaube die Stadt wird es auch merken, da wird ein neuer Wind wehen.
WA: Sie waren die letzten Tage ein bisschen unterwegs mit Gerich?
Exner: Ein bisschen ist schon zu wenig gesagt. Wir waren von morgens bis nach Mitternacht wie siamesische Zwillinge.
WA: Das heißt sie haben sich ein wenig gefühlt wie bei Ihrem Wahlkampf damals?
Exner: Also Wahlkampf macht schon Spaß. Wenn man für eine gute Sache arbeitet und der Sven ist eine gute Sache!
WA: Wie geht es weiter?
Exner: Nachdem sich der Sieg nach eins zwei Tage gesetzt hat, geht die Arbeit richtig los.
WA: Bekommt Gerich noch weiter Unterstützung oder Tipps von Ihnen?
Exner: Sven ist erfahren genug! Natürlich gibt es eins zwei organisatorische Dinge, wie man was im Rathaus macht, aber ich glaube er wird sehr erfolgreich seinen eigenen Weg gehen und wenn er doch mal einen Tipp braucht, hat er alle meine Nummern.
CDU Kreisvorsitzender Horst Klee war über den Wahlausgang überrascht. „Ich verhehle nicht, dass wir einen Schlag zu verdauen haben, den wir so nicht erwartet haben. Als gute Demokraten gratulieren wir dem Wahlsieger. In erster Linie formuliere ich, dass Leistung die über Jahre erbracht wird und nicht immer belohnt wird. Wir können uns die Wählerinnen und Wähler nicht aussuchen, sie sind so wie sie sind. Wir müssen feststellen, dass wir nicht wesentlich mehr Wähler mobilisieren konnten als vor zwei Wochen und das es dem sozialdemokratischen Mitbewerber gelungen ist eine große Schippe drauf zu legen. Das muss man anerkennen und akzeptieren.“
Die Koalition im Rathaus mit den Sozialdemokraten wird die CDU weiterhin einhalten, auch nach dem Wechsel des Oberbürgermeisters, erklärt Klee. Nach einer kurzen Verschnaufpause starten auch schon die Vorbereitungen für die Bundestagswahl und die Landtagswahl.
„Ich möchte mich bei allen, die in den letzten Wochen mit großem Engagement und mit viel Kampfkraft sich in dieser Wahl eingesetzt haben und für den Oberbürgermeister eingesetzt haben sehr herzlich bedanken. Ein besonderer Dank gilt Helmut Müller, der in den letzten Jahren mehr als seine Pflicht getan hat. Kein 8-Stunden-Tag, sondern 16 bis 17 Stunden im Rathaus. Müller übergibt seinem Nachfolger ein bestens bestelltes Haus“, sagte Klee abschließend.
„Das ist ein Abend der weh tut! Bitter für Müller und die CDU. Ein Ergebnis, mit dem wir nicht gerechnet haben. Ganz offenkundig ist es uns nicht gelungen genügend Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass Helmut Müller die herausragend gute Wahl war und ich sage auch selbstverständlich Glückwunsch dem Gewinner der Wahl und wünsche ihm für seine Amtsführung alles Gute!“, erklärte Ministerpräsident Volker Bouffier.
Bouffier wies daraufhin, dass sich von dieser Wahl noch nicht so viel ableiten lässt. Bei der Bundestags- und Landtagswahl will die CDU kämpfen. Die Wahlbeteiligung wird dort auch vermutlich höher sein.
Zum knappen Sieg Gerichs vermutet Bouffier, dass der Großteil der Grünenstimmen und andere Lager für den jüngeren Kandidaten gestimmt haben. „Wir werden die Wahl sehr sorgfältig analysieren müssen“, sagte Bouffier.