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Das war schwere Kost, was das Team Wallraff über Deutschlands Krankenhäuser zu berichten hatte. Neben einer schier unerträglichen Arbeitsbelastung des Personals mit Überstunden und Zusatzaufgaben, wie die Reinigung von Material und Betten, die nicht in das Arbeitsgebiet von Pflegepersonal fallen, empörte die Zuschauer vor allem die unsäglichen hygienischen Zustände und das mangelhafte Material. Die Kombination dieser Faktoren führen zu Zuständen, die für Patienten lebensgefährlich sein können. Die ehemalige Wiesbadener Vorzeigeklinik wurde seit dem Verkauf 2014 von 49 Prozent der Anteile an die Helios GmbH, in typischer Shareholder-Value-Manier „Prozessoptimiert“.
Die Reaktion in den Sozialen Medien ließ nicht lange auf sich warten. Zahlreicher Patienten bestätigten, dass das gezeigte oft noch hinter den persönlichen Erfahrungen der Betroffenen hinterherhinkte. In hunderten Posts diskutierten die Wiesbadener im Netz und forderten das umgehende Einschreiten der Stadt als Mehrheits-Anteilsinhaber.
Reaktionen
Oberbürgermeister Sven Gerich findet, dass der Bericht Anlass zur Besorgnis gibt. Erst recht nicht, wenn die Stadt Mehrheitseigener sei. Gesundheitsdezernent Axel Imholz hat das Gesundheitsamt deshalb bereits beauftragt, sich mit der Klinikgeschäftsführung in Verbindung zu setzen, um die Hygieneaspekte aus dem Bericht aufzuklären. „Im Vordergrund steht dabei, dass vergleichbare Probleme jetzt und in Zukunft vermieden werden“, sagt Imholz. Das freut zukünftige Patienten sicher, kann aber durch eine Kontrolle sicher nicht in den Griff bekommen werden, da die Problme in erster Linie durch die starken Personalkürzungen hervorgerufen wurden. Unglücklicherweise ist die Stadt nicht für das Thema Personal zuständig und muss sich daher auf die Aussagen der Helios GmbH verlassen. So heißt es in der Pressemitteilung: Mit der Ankündigung des Personalabbaus in mehreren Bereichen der Helios HSK habe die Geschäftsführung erklärt, dass weiterhin eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau sichergestellt werde. „Daran muss sich die Geschäftsführung auch messen lassen“, sagt Oberbürgermeister Gerich. Leider steht der Stadt anscheinend aktuell keine „Personal-Messlatte“ zur Verfügung. Aber das geänderte Verhalten der Patienten die Notaufnahmen aufgrund der Verfügbarkeit, statt eines niedergelassenen Arztes aufzusuchen, führe jede noch so gut aufgestellte Abteilung an ihre Grenzen. Diese Information wird die im Film gezeigte Schlaganfallpatientin, für die nur mit größtem Aufwand die Aufnahme geregelt werden konnte, sicher trösten. Tatsache ist, das viele der niedergelassenen Ärzte nicht bereit sind Patienten über das für sie gedeckelte Budget zu behandeln, da sie in diesem Fall noch Geld mitbringen müssen. Zusätzliche Öffnungszeiten stehen daher in der Regel nur privat Versicherten oder selbstzahlenden Patienten zur Verfügung.
Das Thema des seit 2011 fehlenden Augenärztlicher Notdienst, soll hier nur am Rand erwähnt werden.
Die Krisen-PR-Stäbe der Parteien brauchen zum Teil bis zum Nachmittag, um auf die akute Situation zu reagieren. So äußert sich die SPD Stadtverordnetenfraktion in dem sie darauf verweist, dass derartige Zustände in der deutschen Krankenhauslandschaft nicht einmalig sind, sondern im Gegenteil eine Folge der aktuellen Gesundheitspolitik. „Mit der Einführung des pauschalen Vergütungssystems in Krankenhäusern ab dem Jahr 2003 wurde ein leistungs- und damit profitzentriertes System geschaffen, dass das patientenorientierte System ersetzt habe. Krankenhäuser bekämen nur noch Pauschalen, die ihre Kosten oftmals nicht ganz decken, so dass die Kliniken unter starken Einspardruck gerieten. Und darunter litten am Ende Patient und Klinikpersonal“, führt Simon Rottloff, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Stadtverordnetenfraktion aus. Übersetzt heißt das – die SPD in Wiesbaden kann gar nichts dafür.
Dabei bewertet auch Rottloff die personelle Situation an deutschen Kliniken als kritisch. Eine Erkenntnis, für die man jetzt nicht unbedingt die SPD gebraucht hätte. In Bezug auf die HSK äußert sich Rottloff abschließend: „Um nochmal auf die HSK selber einzugehen, hoffen wir darauf, dass der Neubau der HSK sowohl den baulichen Hygienemängeln entgegenwirkt, als auch durch die räumliche Umstrukturierung Wegezeiten des Personals deutlich verkürzt und diese so mehr Zeit für die Patientenversorgung haben. In der Zwischenzeit muss allerdings durch das Gesundheitsamt den Vorwürfen und Hinweisen auf Hygienemängel in den HSK nachgegangen werden, auch wenn die Filmschnitte bereits aus dem Monat Mai des letzten Jahres stammen“. Zwar schienen die Wege zumindest in der Notaufnahme nicht wirklich ein Problem für das Personal darzustellen, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Für die die Fraktion Freie Wähler ist es wichtig zu betonen, dass sie die Art des investigativen Journalismus, wie er vom Team Wallraff betrieben wird „verabscheut“ wird. Allerdings „alle lieben den Verrat, niemand liebt den Verräter“, das durften in der jüngsten Vergangenheit auch Julian Assange und Edward Snowden erfahren. Dr.med.Udo R.Bermes - Kommunalwahlkandidat der FREIEN WÄHLER fragt deshalb erzürnt: „Warum gibt es einen Aufsichtsrat? Warum werden die wütenden Stimmen der Mitarbeiter und Patienten seit Jahren nicht gehört?“ Die Frage sollte dabei vielleicht besser heißen „Wofür gibt es einen Aufsichtsrat?“, aber da sollte man nicht so kleinlich sein.
Bermes schlägt die Rekommunalisierung der Klinik vor. "Ein kommunales Krankenhaus muss nicht die schwarze Null liefern.Es muss leistungsorientiert und effizient funktionieren, so dass es für die Bürger im Notfall, wie auch im normalen Behandlungsfall vertrauenswürdig läuft." Damit trifft er durchaus den Bürgerwillen. Man muss dabei jedoch stets bedenken, dass die Sparzwänge dann direkt auf die Stadt umgelegt werden, die keine grundsätzlichen gesundheitspolitischen Entscheidungen treffen kann. Für die Situation des Klinikpersonals zeigt Bermes großes Verständnis. Abschließend meint Bermes: "Private Klinikkonzerne bedienen nur ihre Investoren und sind nicht mehr am Wohle der Patienten interessiert."
In der zweiten Stellungnahme der Helios GmbH, gibt sich das Unternehmen etwas einsichtiger und kündigt weitere Umstrukturierungen und Personal-Einstellungen an. Außerdem relativiert Helios die angebliche Verwechslungsrate bei den Blutproben der Patienten in der Notaufnahme.
Bleibt zu hoffen, dass die Pflegerinnen und Pfleger, die sich kritisch über die Zustände an der HSK geäußert haben ausreichend verfremdet wurden, denn die Pressemitteilung lässt keinen Zweifel daran, dass es für diese Menschen keine berufliche Zukunft an der HSK geben wird. Wie wunderbar die Arbeit in den Helios Kliniken sein kann, zeigen die Videos auf der Helios-Webseite, die durchweg zufriedene Mitarbeiter zeigt.
Am Beispiel von Wiesbaden und zwei weiteren Kliniken wurde wieder einmal deutlich, dass das Thema Krankheit/Gesundheit nicht zum Wohle der Patienten optimiert werden kann. Die Frage ist, ob die Gesellschaft wirklich bereit ist dieses Geld auszugeben. Vor allem, wenn in der nahen Zukunft noch weniger Einzahler die vielen Alten und Kranken finanzieren sollen.
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