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„Laut schreien – ‚Hau ab‘ oder irgendetwas in eurer eigenen Sprache“, empfiehlt Conni Dinges, die mit einer Kleingruppe „Wendo“-Selbstverteidigung übt. Es geht hier auch richtig zur Sache: Die Sozialpädagogin verteilt dicke Pratzen, damit man auch wirklich mal üben kann, fest zuzuschlagen und im Ernstfall keine Hemmungen hat.
Der Selbstverteidigungsworkshop ist nur ein Teil einer spannenden Woche mit internationaler Beteiligung: Hier findet zum dritten Mal die von Erasmus plus unterstützte Wiesbadener Mädchenbegegnung statt. Im Georg-Buch-Haus ist die „Zentrale“, aber Workshops und Aktivitäten finden noch an vielen anderen Orten statt: So gestaltet eine andere Gruppe in einem Nebenraum gerade mit LED-Leuchtschnur Schilder, im nahe gelegenen Kinderzentrum Wellritzhof gibt es einen Zirkusworkshop und im „TagWerk“ am Bismarckring werden Betonschmuck und Blumenkränze aus Draht gestaltet.
Sport und Bewegung sowie Kreativität sind das Eine, es geht aber natürlich auch um politische Bildung, berichtet Betreuerin Katharina Steiner. „Hier begegnen sich gleichaltrige Mädchen aus unterschiedlichen Kulturen, um sich kennenzulernen, Vorurteile abzubauen und sich darüber bewusst zu werden, wie unterschiedlich weit fortgeschritten die Gleichberechtigung in den einzelnen Ländern ist.“
Beteiligt sind Gruppen aus Nilüfer/Bursa in der türkischen Partnerregion des Landes Hessen, aus der Wiesbadener Partnerstadt Wroclaw in Polen und dem muslimischen Viertel in der Altstadt von Jerusalem sowie natürlich auch Mädchen aus Wiesbaden. Die teilnehmenden Wiesbadener Mädchen haben über die unterschiedlichen Jugendzentren der Stadt von der Begegnung erfahren.
Insgesamt neun Tage lang waren 22 Mädchen aus den vier Ländern im Alter zwischen 13 und 17 Jahren gemeinsam aktiv und unterwegs. Übernachtet wird, der Gruppendynamik wegen, zusammen in der Wiesbadener Jugendherberge, die Kommunikation läuft in englischer Sprache.
„Da gab es anfangs noch Hemmungen, weil jede dachte, die anderen sprechen besser Englisch als ich“, sagt Katharina Steiner. Doch bald fanden alle heraus, dass es darauf überhaupt nicht ankommt: Nach dem ersten Tag funktionierten die Gespräche wunderbar – zur Not mit Händen und Füßen.
„Uns gefällt diese Begegnung sehr gut“, sagen die drei jungen Türkinnen Pelin, Asli und Nida. „Es ist eine tolle Chance, Mädchen aus anderen Ländern kennenzulernen, die englische Sprache zu verbessern und vor allem macht sich das auch gut als internationale Erfahrung im Lebenslauf.“ Und: „Es geht um Mädchen-Power!“, sagt Asli. „Gleiche Rechte für Männer und Frauen, das ist noch lange nicht überall selbstverständlich.“
Der Austausch über die Verhältnisse in den einzelnen Ländern sei besonders interessant. Auch innerhalb der Türkei gebe es ganz unterschiedliche Ansichten zur Gleichberechtigung, erzählen die Mädchen. „Wir glauben, dass alle die gleichen Rechte haben sollen!“ Die drei möchten später gerne studieren. „Aber wir wissen, dass es noch ein langer Weg ist, bis alle diese Möglichkeiten haben.“
Marie Modellatore Pedicini, die im Jugendzentrum Georg-Buch-Haus für die Mädchenarbeit zuständig ist, sensibilisierte die Teilnehmerinnen für das Thema „Mädchenrechte“ und Gleichberechtigung von Männern und Frauen, mittels einer interaktiven Mitmachaustellung.
Auffallend war, dass alle Teilnehmerinnen, unabhängig von ihren Herkunftsländern, Erfahrungen von (Alltags-)Sexismus erlebt haben und dies klar benennen konnten. Besonders inspirierend empfanden die Mädchen die Kurzbiographien von Frauen und Mädchen, die großes in der Welt bewirkt oder ihre Träume verwirklicht haben. Dies verdeutlicht, wie ermutigend positive Vorbilder sind.
„Der Internationale Mädchentag bietet einen Anlass, das Thema Mädchenrechte lokal und global aufzugreifen, solidarisch auf die Situation von Mädchen weltweit zu schauen und Veränderungen einzufordern.“Genau darum ging es auch bei dem „walk of girls“ in Frankfurt am Internationalen Mädchentag am 11. Oktober, der den Höhepunkt der Reise darstellte. Dafür haben die Mädchen Transparente gemalt: „Strong alone, unstoppable together“, war hier zum Beispiel zu lesen.
Insgesamt ein sehr abwechslungsreiches Programm, das auch noch Zeit für touristische Erkundungen der hessischen Landeshauptstadt lässt. Die Gruppe wurde auch von Sozialdezernent Christoph Manjura im Rathaus offiziell empfangen. Der Dezernent freute sich über die Chancen, die dieses Programm eröffnet: „Das Vorhaben ist Teil des Prozesses „Wiesbaden International“ des Amtes für Soziale Arbeit Wiesbaden, dessen Ziel es ist, Kindern und Jugendlichen unabhängig persönlicher Voraussetzungen die Teilnahme an internationalen Mobilitätsangeboten zu ermöglichen.“
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Fotos: Amt für Soziale Arbeit