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Wer wählt wen? – so lautet die Frage im Titel der jüngsten „Wiesbadener Stadtanalyse“, die das Amt für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik jetzt vorgelegt hat. Dahinter verbirgt sich eine umfassende Untersuchung des Wahlverhaltens in Wiesbaden: Wahlbeteiligung und Stimmabgabe von Männern und Frauen, von Jung und Alt, werden für die Zeit von 1977 bis heute verfolgt und auf Auffälligkeiten hin analysiert.
Die Betrachtung stützt sich auf die Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik, die bei fast jeder Wahl durchgeführt wurde. Unter anderem konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden:
Die Wahlbeteiligung in Wiesbaden hat – wie überall - in den vergangenen Jahrzehnten fast kontinuierlich abgenommen. Besonders ausgeprägt ist der Abwärtstrend bei Europa- und Kommunalwahlen mit ihrer ohnehin schon niedrigen Wahlbeteiligung. Einerseits gibt es einen generellen Trend zur Wahlenthaltung, der alle Altersgruppen erfasst. Zusätzlich sinkt die Wahlbeteiligung aber auch, weil „wahltreue“ frühere Generationen schrumpfen und neue „wahlmüdere“ Generationen nachwachsen. Diese beiden Effekte wirken in etwa gleichstark.
Frauen beteiligen sich insgesamt weniger häufig an Wahlen als Männer. Das gilt vor allem für junge Frauen und für Seniorinnen, während die Wahlbeteiligung der in der Lebensmitte stehenden Frauen sogar die der Männer im entsprechenden Alter übersteigt.
Stärker noch als die geschlechtsspezifischen Unterschiede ist der Einfluss des Alters auf die Wahlbeteiligung. Das typische, sich fast immer wiederholende Muster: Die Wahlbeteiligung steigt mit zunehmendem Alter – mit zwei Ausnahmen: Die zweitjüngste Altersgruppe (21 bis 24 Jahre) weist die geringste Wahlbereitschaft auf, zweitälteste Gruppe (60 bis 69 Jahre) die höchste.
Bei den meisten Wahlgängen wurde die CDU von Frauen eher als von Männern favorisiert. Ihre treuesten Fürsprecher hat die Union unter der älteren Bevölkerung – das Votum der 60-Jährigen und Älteren war in der Vergangenheit nicht nur überdurchschnittlich, sondern auch relativ konstant und unberührt von Sympathieschwankungen anderer Altersgruppen. Über die Zeit hinweg hat sich der Vorsprung der älteren CDU-Wähler gegenüber den jüngeren Altersgruppen sogar vergrößert. Durchgreifende Veränderungen gab es innerhalb der mittleren Jahrgänge (45 bis 59 Jahre), die früher überproportional häufig die CDU wählten, dies aber etwa seit dem Jahr 2000 nur noch in unterdurchschnittlichem Maße tun. Hier wirkt der Generationeneffekt stärker als der Alterseffekt.
Auch die SPD wurde in den letzten 30 Jahren meist von Frauen stärker favorisiert als von Männern. Anders als bei der CDU besitzt die Wählerschaft der Sozialdemokraten aber keinen ausgeprägten Altersschwerpunkt. Für Jungwähler hat die SPD im Laufe der 80er und 90er Jahre an Attraktivität verloren; erst in jüngster Zeit scheinen die Sympathien der jungen Generation im Vergleich zu anderen Altersgruppen wieder etwas gestiegen zu sein.
Die GRÜNEN wurden seit ihrem Auftreten in Wiesbaden zunächst stärker von männlichen als von weiblichen Wählern akzeptiert. Das hat sich im Laufe der Zeit grundlegend geändert: Seit 2001 wurden die GRÜNEN bei jedem Wahlgang stärker von Frauen als von Männern favorisiert. Anfangs hatten die GRÜNEN ein ausgesprochen „jugendlastiges“ Altersprofil, denn bereits ab Mitte 30 sank die Bereitschaft, grün zu wählen, rapide ab. Im Laufe der Zeit hat sich die Altersverteilung der grünen Wählerschaft deutlich gewandelt: Sowohl die Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen (ab Ende der 80er Jahre) als auch die der 45- bis 59-Jährigen (nach 2000) zeigten verstärkte Sympathien für die GRÜNEN. Gerade in der letztgenannten Altersgruppe lassen sich die höchsten Stimmenzuwächse beobachten. Mittlerweile sprechen die GRÜNEN alle Altersgruppen unter 60 an. Ein „Generationeneffekt“ ist offensichtlich: Bis zum Geburtsjahrgang 1940 spielt „Grün“ keine R olle. Die nachfolgenden Generationen zeigen zunehmende Bereitschaft, die GRÜNEN zu wählen, am stärksten die Jahrgänge um 1960. Bei den nach Mitte der 1960er Jahre geborenen Wählern scheint das Interesse für die GRÜNEN dagegen wieder etwas abzuflauen.
Während es Anfang der 80er Jahre noch mehr FDP-Wählerinnen als -wähler gab, sind seitdem die Männer in der Mehrzahl. Bis vor zehn Jahren bildeten die 45- bis 59-Jährigen einen Schwerpunkt unter den FDP-Wählern, in jüngster Zeit tritt die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen verstärkt als Unterstützer der Liberalen in Erscheinung. Insgesamt ist die Altersverteilung der FDP-Wählerschaft aber recht homogen.
Die LINKE einschließlich ihrer Vorgängerparteien besitzt den Charakter einer „Männerpartei“, denn auf drei ihrer männlichen Wähler kommen rechnerisch nur zwei Wählerinnen. Ihre zuverlässigste Klientel bilden die 45- bis 59-Jährigen; bei Erst- und Jungwählern hat sie in letzter Zeit an Rückhalt verloren.