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Der neue Bürgermeister in Wiesbaden ist ein alter Hase in der Politik. Dabei startete die Karriere des heute 45-jährigen Juristen zunächst ohne politische Ambitionen, als er mit 27 Jahren zum jüngsten Richter in Hessen berufen wurde. Doch anstatt eine steile Karriere bei Gericht zu verfolgen, wechselte er als Jurist in das Justizministerium und von dort in die hessische Staatskanzlei. 2013 wurde er Dezernent für Ordnung, Bürgerservice und Grünflächen mit den Zuständigkeitsbereichen Kassen- und Steueramt, Ordnungsamt, Bürgeramt, Grünflächenamt und ELW.
Dort trafen ihn die offenen Arbeiten seiner Vorgängerin mit unerwarteter Heftigkeit und Franz musste sofort offensiv zeigen, dass er es versteht auch weniger populäre Projekte, wie die Abholzung und Neubepflanzung der Lesselallee, zu stemmen.
Eine undankbare Aufgabe, denn die Tatsache, dass bereits seine Amtsvorgängerin Birgit Zeimetz, dieses Projekt notwendiger Weise angestoßen hatte, geriet unter dem neuen Amtsinhaber völlig in Vergessenheit. Sachliche Argumente von Experten, wichen postfaktischen Diskussionen, die - sehr zur Verwunderung von Franz - in persönliche Beleidigungen und Verunglimpfungen abglitten. „Für Argumente bin ich stets offen, das ist für mich als Jurist eine Selbstverständlichkeit. Wenn aber Menschen, die sich für das Leben von Bäumen einsetzen, anderen Menschen etwas Schlechtes wünschen, fehlt mir jedes Verständnis“, sagt Franz betroffen.
Eine weitere Aufgabe war die Neugestaltung des Kasteler Rathenauplatzes,
der durch die Mitarbeiter des Grünflächenamtes von einer zugewachsenen „Naturtoilette“ zu einer sauberen Spiel- und Freizeitfläche verwandelt wurde, welche jetzt von Jung und Alt im Quartier gleichermaßen genutzt wird, trieb Franz zielstrebig und erfolgreich voran.
Wenn man Dr. Oliver Franz bei offiziellen Anlässen begegnet wirkt er in der Regel gelöst, offen und freundlich, bei dem Thema Lesselallee ist für ihn aber bis heute nicht nachvollziehbar, warum die Diskussion damals so entglitten ist. Aber er blickt nach vorne, das Thema Lesselallee ist Geschichte und nach jetzt zwei Jahren wachsen und gedeihen die neuen Bäume und erfreuen die Spaziergänger in Kostheim.
In der Regel ist die Arbeit als Dezernent mit viel Schreibtisch- und Facharbeit verbunden. Durch die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche aber auch sehr abwechslungsreich. „An den genannten Projekten bin ich gewachsen und musste dabei nicht zum ersten Mal in meinen Leben feststellen, dass man es nicht jedem recht machen kann“, sagt Dr. Franz mit einem Lachen.
Mit dieser Erkenntnis machte er sich in seiner Amtszeit an die Umsetzung der weniger spektakulären Aufgaben, wie der Umorganisation des Kassen- und Steueramts, das sich heute durch mehr Bürgerfreundlichkeit auszeichnet, der Erweiterung der Stadtpolizei mit der geplanten Stationierung in der Mauritiusgalerie, der Parkraumoptimierung durch die Schaffung von zusätzlich 300 temporären Parkplätzen in der Innenstadt.
Und es gab noch mehr zu tun, ob die Verlängerung der Öffnungszeiten im Bürgerbüro, die parallele Ausweitung des Onlineangebotes sowie die Angebotserweiterung besonderer Trauorte wie der Nerobergbahn oder ganz neu, der Casinogesellschaft.
Franz richtete zudem eine neue Friedhofsabteilung im Grünflächenamt ein. Durch Bündelung der Zuständigkeiten gibt es dort praktischerweise nur noch einen Ansprechpartner. Die Liste der erledigten Aufgaben in den letzten vier Jahren ist lang.
Richtig bekannt bei den Einwohnerinnen und Einwohnern Wiesbadens wurde Dr. Franz jedoch, als er sich um das Thema Stadtreinigung kümmerte. Mit großem Erfolg führte er die App „Sauberes Wiesbaden“ für Smartphones ein. Bürger können Verunreinigungen direkt melden. Einfach illegale Müllablagerung abfotografieren und mit Standort direkt an die ELW senden.
Wesentlich umstrittener ist da schon die Neuordnung der Straßenreinigungssatzung. Während die Einführung des Pariser Modells von den Bürgern mitgetragen wird, stieß das von den ELW 2016 vorgestellte neue Konzept, nicht auf ungeteilte Zustimmung bei den betroffenen Hausbesitzern. Zwar wurden zahlreiche von ihnen durch die Reform entlastet, ein Teil der Anlieger muss jetzt jedoch einen deutlich höheren Beitrag für die Reinigung seiner Straße und des Bürgersteiges zahlen. Dazu befragt bleibt Franz gelassen: „Die bisherige Wiesbadener Straßenreinigungssatzung ist ein bundesweit einmaliger Sonderweg. Mit der neuen Regelung passen wir uns endlich an vergleichbare Städte in Deutschland an.“
Dem Vorschlag der GiB sieht er ebenfalls gelassen entgegen. „Das Konzept der GiB, welches im Moment in den Ortsbeiräten vorgestellt wird, wird eine neue Sauberkeitsdiskussion nach sich ziehen. Denn wir haben letztendlich keine zeitnahe Handhabe gegen Bürger, die ihrer Kehrpflicht nicht nachkommen. Das bedeutet, dass es wieder häufiger zu verschmutzten Straßen kommen wird. Die Alternative dazu wäre die Kontrolle durch eine „Kehrpolizei“ – ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wiesbadener das wollen. Letztendlich arbeitet mein Dezernat aber nur Vorschläge aus, die Verantwortung liegt bei der Stadtverordnetenversammlung.“
Mit dem Kooperationsvertrag von CDU, SPD und Grünen wurden im Frühjahr 2017 auch einige Veränderungen im Dezernatszuschnitt beschlossen. Franz ist seit April neu für die Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken, das Rechtsamt und das Veterinäramt zuständig. Das Ordnungsamt und die ELW hat er behalten. Vor allem die HSK sind ein Aufgabenbereich, der für seinen Vorgänger Axel Imholz alles andere als ein Quell der Freude war und für den dieser viel Kritik einstecken musste. Oliver Franz freut sich dennoch darauf, denn Herausforderungen haben ihn noch nie abgeschreckt. Jetzt hat er sechs Jahre um zu zeigen, was er aus den neuen Zuständigkeiten macht und welche Spuren er hinterlassen wird.
Die größte Herausforderung im Amt des Bürgermeisters sieht Dr. Oliver Franz in der neuen, integrierenden Aufgabenstellung. „Als Fachdezernent, insbesondere in den Bereichen Ordnung und Sauberkeit, muss man die Aufgaben in seinem Zuständigkeitsbereich sorgfältig abarbeiten. Notfalls auch gegen Widerstände. Als Bürgermeister ist dagegen viel Kompromissfähigkeit gefordert. Mir ist bewusst, dass man mich in der Öffentlichkeit viel mehr als politische Person wahrnehmen wird und wie damals, als ich als Dezernent angefangen habe, möchte ich an diesen Erfahrungen weiter wachsen und mich möglichst verbessern. Aber die Sacharbeit darf nicht darunter leiden, denn da stehe ich den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber in der Pflicht. Ich bin aber optimistisch, dass ich dieses Spannungsfeld beherrschen kann“, sagt Franz abschließend zu diesem Thema.
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Foto: Petra Schumann