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Sind die Buskapazitäten in Wiesbaden wirklich ausgeschöpft? Mit dieser Frage haben sich die Mitglieder der Initiative „Mitbestimmung CityBahn“ auseinander gesetzt. Basierend auf denselben Veröffentlichungen, die auch ESWE Verkehr und das Wiesbadener Verkehrsdezernat heranziehen, kommen die Mitglieder zu dem Ergebnis, dass eine Debatte über die Kapazitäten sowie den Komfort in Bussen vollkommen überflüssig ist.
Die Bürgerinitiative „Mitbestimmung CityBahn“ verfolgt seit der Wiederaufnahme des Themas „Einführung eines schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs die Forderung nach einem Bürgerentscheid zur geplanten CityBahn in Wiesbaden. Um diesen Bürgerentscheid auf eine solide Informationsbasis zu stellen, übernehmen die Mitglieder die Aufgabe, die Gegenargumente aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen, da dies von Seiten ESWE-Verkehr und dem Verkehrsdezernat Wiesbaden Stand heute nicht erfolgt ist.
Die Ablehnung des Projektes begründet die Bürgerinitiative „Mitbestimmung CityBahn“ mit der fehlenden Notwendigkeit bei gleichzeitig nachteiligen Folgen.
Eines der Hauptargumente der CityBahn Befürworter ist das Erreichen der Kapazitätsgrenzen des Wiesbadener Bussystems, dass nur durch den Kapazitätsvorteil einer Stadtbahn ausgeglichen werden könne. An diesem Argument zweifeln die Gegner und haben daraufhin den bisherigen Genehmigungsablauf durch die Stadtverordnetenversammlung aufgrund der vorgelegten Statistiken und deren Interpretation durch ESWE-Verkehr und Verkehrsdezernent Kowol einer genauen Betrachtung unterzogen.
Am 16. Februar 2017 hat die Stadtverordnetenversammlung zur Kenntnis genommen, dass die Fahrgastentwicklung in Wiesbaden seit Jahren deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt und der öffentliche Verkehr nicht mehr alleine mit Bussen zu bewältigen ist. Es folgte ein Beschluss, der den Magistrat ermächtigte, die Vor- und Entwurfsplanung für eine CityBahn sowie den ersten Streckenabschnitt von der Theodor-Heuss-Brücke bis zur Hochschule RheinMain Wiesbaden freizugeben. Am 21. Dezember 2017 folgte der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, die zwischenzeitlich gegründete CityBahn GmbH zu ermächtigen, mit der Entwurfs- und Genehmigungsplanung einer CityBahn zu beginnen.
Nach Überzeugung der Initiative „Mitbestimmung CityBahn“ ist die Stadtverordnetenversammlung am 16. Februar nicht von ausreichenden Fakten, sondern von höchst fragwürdigen Annahmen ausgegangen. Mit Blick auf die Zahlen liegt die Fahrgastentwicklung entgegen der Aussage von ESWE Verkehr keineswegs deutlich über dem Bundesdurchschnitt und die Busse sind nicht an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen, wie dies von einigen schon seit Ende der 90er Jahre immer wieder behauptet wird.
Die von ESWE Verkehr veröffentlichten „jährlichen Fahrgastzahlen“ wurden von der BI kritisch untersucht und dabei die folgenden Feststellungen getroffen.
In den FAQ von ESWE Verkehr ist nachzulesen, dass die veröffentlichten Zahlen nicht durch eine echte Zählung, sondern durch „sachgerechte Schätzungen“ anhand erzielter Fahrkartenumsätze ermittelt. So wird eine Wochenkarte mit 17 Fahrten und eine Monatskarte mit 81 Fahrten berücksichtigt. Bei den von ESWE Verkehr gelieferten Zahlen handelt es sich demnach nicht um Fahrgäste, sondern um Fahrten.
Bei der Betrachtung der Zahlen fällt auf, dass sich die Entwicklung der Fahrtzahlen bei ESWE Verkehr nicht kontinuierlich nach oben entwickelten. Vielmehr waren die Zahlen - gemäß Bestandsanalyse zum Verkehrsentwicklungsplan 2030 und der dortigen Abbildung 2-6 - von 2001 bis 2005 stark rückläufig. Erst über 10 Jahre später, in 2013 und 2014, wurde wieder annähernd das Zahlenniveau der Jahrtausendwende erreicht.
ESWE Verkehr gibt für das Jahr 2016 die jährlichen „Fahrgastzahlen“ mit 55,3 Mio. und für 2017 mit 55,6 Mio. an. Die BI hat weiter recherchiert (Klaus Kopp, 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe, Herausgeber und Verleger: Stadtwerke Wiesbaden AG, 2000) und ist auf andere interessante Zahlen gestoßen. Bereits 1979 sollen demnach die Busse von ESWE Verkehr rekordverdächtige 57 Mio. „Fahrgäste“ befördert haben und zwar mit weniger Buslinien und einem kleineren Streckennetz als heute.
Laut ESWE Verkehr wurde die statistische Berechnungsmethode für die jährlichen „Fahrgastzahlen“ im Jahr 1981 verbessert und daraufhin auch wieder 52 Mio. Fahrgäste für die damals bestehenden 26 Buslinien und das Netz von 324 km ermittelt. Gegenwärtig gibt es 41 Buslinien mit einem Streckennetz von circa 612 km.
Auf Grundlage der neuen statistischen Berechnungsmethode vermeldete ESWE Verkehr schon für das Jahr 1991 insgesamt 55 Mio. Fahrgäste, also fast so viele wie in 2016. Demnach wurde nicht erst 2017, sondern bereits 1992 der Rekord der jährlichen „Fahrten/Fahrgästen aufgestellt, indem ESWE Verkehr die Zahl von 56,1 Mio. bekannt gab. Dieser Rekord liegt demnach – Stand heute – 26 Jahre zurück.
Aus Sicht der BI gab es auch innerhalb der bestehenden Rathauskooperation aus CDU, Grünen und SPD zu bedenken, ob die Wiesbadener Busse tatsächlich am Limit sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Antrag – der, mit großer Verspätung – am 12. Juli im Ausschuss für Planung, Bauen und Verkehr dem Magistrat wörtlich aufgeben wurde
„über ESWE Verkehr die jeweilige Auslastung der meistgenutzten Buslinien in Wiesbaden darzustellen, auch im Hinblick auf den Tagesverlauf bzw. unter Angabe der besonders stark und besonders schwach frequentierten Zeitfenster sowie auch im Hinblick auf die jeweils eingesetzten Bustypen (Gelenkbusse etc.).“
Der entsprechende Magistratsbericht (der der Redaktion vorliegt) von Verkehrsdezernent Kowol, vom 30. August, überraschte die BI nicht. Er bestätigt aufgrund der von ESWE Verkehr beschafften Daten und Fakten, dass die meistgenutzten Buslinien in Wiesbaden noch lange nicht „am Limit“ sind. Dies ist in seinem Bericht vom 30. August zu entnehmen, den Kowol weitergegeben und unterschrieben hat.
Der Bericht listet 16 der insgesamt 41 Wiesbadener Buslinien auf, die zu den meistgenutzten zählen sollen. Auf diesen 16 Linien werden sowohl Solobusse (KOM), als auch Gelenkbusse (GOM) eingesetzt. Bei den Personenkapazitäten wurden für Solobusse 70 und für Gelenkbusse 100 Fahrgäste berücksichtigt. Der Erhebungszeitraum der Daten war laut Bericht 1. Januar bis 30. Juni diesen Jahres.
Im Bericht findet sich eine tabellarische Übersicht der meistgenutzten 16 Buslinien sowie deren Haupt-Fahrtrichtung (Endhaltestelle). Daran schließt sich eine Spalte mit dem Zeitfenster der Spitzenauslastung, der maximalen Auslastung in Prozent und dem eingesetzten Fahrzeugtyp an. Über die Auslastung und Zeiten der am geringsten genutzten beziehungsweise der übrigen 25 Buslinien enthält der Bericht keine Angaben.
Die größte Auslastung von 90 Prozent der Personenkapazität hat demnach die Linie 23 in Richtung Schierstein Hafen, im Zeitfenster von 12:00 bis 13:00 Uhr, mit einem Solobus (KOM).
Die geringste Auslastung von lediglich 55,7 Prozent der Personenkapazität wurde bei der Linie 37 in Richtung Wielandstraße, im Zeitfenster von 7:00 bis 8:00 Uhr und ebenfalls mit Solobus (KOM) zugewiesen.
Die höchsten Auslastungen bei Gelenkbussen (GOM) betragen maximal 80 Prozent der Personenkapazität und betreffen die Linien 14 Richtung Biebrich zwischen 7:00 und 8:00 Uhr sowie die Linie 27 Richtung Schelmengraben zwischen 13:00 und 14:00 Uhr.
Diese Zahlen belegen, dass keine der meistgenutzten Buslinien zu irgendeiner Tageszeit eine Auslastung von 100 Prozent (ausgehend von der von ESWE-Verkehr festgelegten Personenkapazität von 70/100 Fahrgästen) erreicht. So bleibt auch in den Spitzenzeiten ein Kapazitätspuffer von 10 Prozent für die meistgenutzten Solobusse der Linie 23 und ein noch größerer Puffer von 19 Prozent für die Gelenkbusse der Linien 14 und 27.
Die BI ist sich bewusst, dass in der Stadt jeder schon einmal gesehen hat, dass ein Bus so voll besetzt war, dass die Türen kaum noch schließen konnten. Hierbei gehen die Mitglieder von kurzfristigen Ausnahmen aus, da sich diese Ereignisse mit den von Verkehrsdezernent Kowol berichteten Zahlen nicht in Einklang zu bringen sind.
Im Magistratsbericht vom 30. August wurden die Maximalkapazitäten der Solobusse mit 70 Personen und diejenigen der Gelenkbusse mit 100 angegeben. Die BI hat mit diesen Zahlen weiter gerechnet: Ein Solobus ist mit einer Kapazität von 70 Personen zur Spitzenstunde mit 90 Prozent ausgelastet. Das bedeutet eine tatsächliche Zahl von 63 Fahrgästen - 7 weitere Fahrgäste hätten theoretisch noch Platz.
Ein Gelenkbus mit einer Kapazität von 100 Personen ist in der Spitzenzeit zu 81 Prozent und damit 81 Fahrgästen besetzt. Weitere 19 Personen könnten noch zusteigen.
Geht man von den am 30. August präsentierten Zahlen zu den meist genutzten Buslinien und der maximalen Auslastung zu bestimmten Uhrzeiten aus, ist die Behauptung und auch jede rein subjektive Wahrnehmung einzelner, die Busse seien in Wiesbaden am Limit, durch Zahlen und Fakten widerlegt. Ergo verbleiben offensichtlich nicht unerhebliche Platzreserven in allen Bussen.
Seit einiger Zeit wird in den Medien über den Komfortanspruch der Fahrgäste diskutiert. Auch hier hat die BI eine klare Position. „Diese zulässige Höchstzahl an Fahrgästen hat nichts mit dem Komfortanspruch der Fahrgäste zu tun. Es wäre neu, wenn ein ständig defizitär arbeitender ÖPNV dazu gehalten oder gar (gesetzlich) verpflichtet sein sollte, jedem potentiellen Fahrgast, rund um die Uhr, einen freien Sitzplatz zu garantieren. Ein ÖPNV ist kein Luxusgut, sondern etwas Notwendiges, bei welchem der Spagat zwischen den wünschenswerten und den wirtschaftlich vertretbaren Dingen zu beherrschen ist. Daher muss für jeden ÖPNV stets ein Standard aus Erreichbarkeit, Zeittakt und Komfort definiert werden, der sich nicht nur an Zeiten einer hohen Nachfrage, sondern auch an den Randzeiten orientieren muss.“
Übrigens, die BI konnte nicht nachvollziehen, wie ESWE Verkehr überhaupt auf eine maximale Beförderungskapazität von nur 70 Personen bei einem Solobus und nur 100 bei einem Gelenkbus kommt. Dabei handelt es sich um Zahlen, die weder von Herstellerangaben, noch von Gesetzen und Vorschriften oder sonstigen öffentlich nachprüfbaren Quellen abgeleitet werden können.
Dementsprechend findet man auf der ESWE Verkehr Webseite folgende Zahlen:
Durchschnittliche Maximalkapazität für Solobusse:
Durchschnittliche Maximalkapazität für Gelenkbusse:
Betrachtet man die von Verkehrsdezernent Kowol Liste mit den ermittelten Fahrgäste auf den meistgenutzten Buslinien in der Spitzenauslastung und verteilt diese zunächst auf die faktisch vorhandenen Sitzplätze in den jeweils eingesetzten Fahrzeugen, so verbleiben im schlimmsten Fall zu den jeweiligen Spitzenauslastungszeiten auf der Linie 23 selbst im Solobus nach Schierstein-Hafen insgesamt 28 freie Stehplätze, auf der Linie 14 nach Biebrich 64 freie Stehplätze und auf der Linie 27 zum Schelmengraben 64 Stehplätze als Reserve. Gemeint sind zulässige Stehplätze, wie von ESWE Verkehr angegeben.
Einzelheiten können Sie der tabellarische Übersicht, mit einer Darstellung der im Bericht vom 30. August enthaltenen Zahlen und einer ergänzenden Ermittlung der durchschnittlich in Solobussen und Gelenkbussen zur Verfügung stehenden Sitz- und (zulässigen) Stehplätze, nachlesen. Das PDF können Sie hier herunterladen.
Wenn Sie Fragen an die Initiative „Mitbestimmung CityBahn“ haben, senden Sie eine E-Mail: info(at)mitbestimmung-citybahn.de.
Hier geht es zur Webseite der Initiative „Mitbestimmung CityBahn“.
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Foto: Logo BI Mitbestimmung CityBahn